Sichel, Hermine und Stavenhagen, Sophie
Hermine Sichel wurde in Frankfurt am Main als achtes Kind des Handelsmannes Löser Wolf Schwabacher und seiner Frau Henriette, geborene Kulp, geboren. 1875 heiratete sie den aus dem schweizerischen Riedholz stammenden Bankier Jacob Sichel (1850-1905). Das Ehepaar hatte drei Söhne und eine Tochter, Sophie. Ein Sohn verstarb bereits 1929, die beiden anderen konnten in die USA fliehen.
Sophie heiratete am 30. April 1897 den am 10. November 1862 in Hamburg geborenen Kaufmann Julius Moritz Stavenhagen, dessen Vorfahren aus dem Mecklenburgischen Stavenhagen stammten. Ihre Tochter Erna wurde 1898 geboren, ihr Sohn Kurt 1899. Julius Stavenhagen betrieb in der Taunusstraße 7 einen Juwelenhandel. Die vermögende Familie wohnte in ihrem Haus in der Bockenheimer Landstraße 114, dessen großer Garten an den Garten des Hauses Palmengartenstraße 9 grenzte, in dem Hermine und, bis zu seinem Tod 1905, Jacob Sichel lebten. 1936 starb Julius Stavenhagen. Von Oktober 1933 bis Januar 1937 leitete Kurt Stavenhagen als persönlich haftender Gesellschafter die Juwelenhandlung Stavenhagen & Co, die als „jüdischer Betrieb“ vom nationalsozialistischen Regime zwangsliquidiert wurde.
Den Kindern von Sophie und Julius Stavenhagen, Kurt und Erna, gelang die Flucht, die schließlich in Mexiko endete. Kurt und seine Ehefrau Lore, geborene Grünbaum, und deren beide Kinder Ruth und Rolf verließen 1936 Deutschland. Sie lebten zunächst in Genua, flüchteten aber 1938 vor der antisemitischen Politik Mussolinis in die Niederlande, wo Frederic Grünbaum, Bruder von Lore, der eine Holländerin geheiratet hatte, wohnte.
Auch Erna, verheiratete Mohrenwitz, deren drei Kinder aus erster Ehe, Thomas, Lisa und Vera Fuchs (später Foulkes) inzwischen in England lebten, kam mit ihrem zweiten Ehemann und ihrer jüngsten Tochter Vera aus England nach Genua. Später erreichten sie Ascona in der Schweiz und kamen am 16. August 1944 nach Mexiko.
Sophie Stavenhagen und ihre Mutter Hermine Sichel blieben in Frankfurt zurück. Bevor auch sie Deutschland verlassen konnten, mussten sie die Juwelenhandlung liquidieren und ihren Grundbesitz verkaufen, um die hohe „Judenvermögensabgabe“, die „Reichsfluchtsteuer“ und weitere willkürlich erlassene Gebühren bezahlen zu können. Die Stadt Frankfurt und andere Käufer nutzten ihre Zwangslage aus und erwarben die Grundstücke Taunusstraße 7, Bockenheimer Landstraße 114 und Palmengartenstraße 9 weit unter Wert. Auch über ihr restliches Vermögen konnten Hermine Sichel und Sophie Stavenhagen nicht mehr frei verfügen. Bis zu ihrer Flucht im September 1939 in die Niederlande lebten sie gemeinsam in der Palmengartenstraße 9.
Ihre Amsterdamer Adresse war dann die Euterpestraße 78. Dort wurden sie auch von ihren Kindern besucht, die ihre Gefährdung sahen und vergeblich versuchten, sie zur Ausreise nach Mexiko zu bewegen. Die Visa hatten sie bereits besorgt, aber Hermine Sichel traute sich das Weiterleben in der Ferne nicht mehr zu und Sophie wollte ihre alte Mutter nicht alleine lassen. Kurt Stavenhagen und seine Familie ließen sich bis 1940 in Amsterdam nieder. Mit Transitvisa in die Vereinigten Staaten konnten sie nach Mexiko reisen, wo sie am 19. August 1940 über die Grenze von Nuevo Laredo ankamen.
Hermine Sichel und Sophie Stavenhagen wurden im Februar 1943 in Amsterdam verhaftet und in das Durchgangslager Westerbork gebracht. Dort verstarb Hermine Sichel am 15.März 1943, einen Monat vor ihrem 85. Geburtstag. Ihre Tochter Sophie Stavenhagen wurde am 23. März 1943 in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort vermutlich bald nach ihrer Ankunft ermordet.
Die Stolpersteine wurden initiiert von Dr. Stefan Püngel, Bonn.
Zur Verlegung war Claudia Bodek, eine Enkelin von Sophie Stavenhagen, aus Mexiko gekommen.
Hermine Sichel, geb. Schwabacher | |
Geburtsdatum: Flucht: Haft: Todesdatum: |
18.4.1858 7.9.1939 Niederlande 10.2.1943 Westerbork 15.3.1943 |
Sophie Stavenhagen, geb. Sichel | |
Geburtsdatum: Flucht: Haft: Deportation: Todesdatum: |
20.11.1876 7.9.1939 Niederlande 10.2.1943 Westerbork 23.3.1943 Sobibor 26.3.1943 |