Gräf, Dora und Hans Berthold

Gräf, Dora und Hans Berthold

Stolperstein-Biographien im Westend

Gräf, Dora und Hans Berthold

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Dora Gräf © privat/Axel Tobias, Foto: Keine Angabe

Dora Marx kam am 12. Januar 1889 in Linz am Rhein zur Welt, als Tochter des Metzgers Aron Marx und seiner Frau Julie Oestreich. Sie hatte zwei ältere Schwestern, Johanna und Ricka, und eine jüngere Schwester, Minna. Sie heiratete am 17. September 1913 in Frankfurt den Opernsänger Johann Heinrich „Hans Heinz“ Gräf, der am 22. Juli 1883 in Frankfurt geboren wurde und ein Neffe des Sozialpolitikers und Bürgermeisters Eduard Gräf war. 1919 wurde der Sohn Hans in Mainz geboren.

 

Hans Heinz Gräf gründete nach dem ersten Weltkrieg mit seinen Partnern Max Haas und Alexander Sander in Frankfurt ein Schauspielhaus, die „Sander-Gräf-Bühnen“, wo auch Opern und Operetten gegeben wurden. Um 1928/29 stieg Hans Gräf aus der Kooperation aus und übernahm die Lichtspiele Bockenheim an der Leipziger Straße 29, ein Kino mit 250 Plätzen. Später kamen noch die Palast-Lichtspiele an der Rödelheimer Straße 6 mit 336 Plätzen hinzu.

 

Die Familie wohnte zu der Zeit am Goetheplatz 5. Im Juli 1937 verkauften die Gräfs ihre Kinos und konnten sich von dem Erlös von 25.000 Mark nach Begleichung ihrer Schulden die Villa an der Bockenheimer Landstraße 69 kaufen. Nach dem Umbau des Hauses richteten Dora und Hans im Oktober 1937 eine jüdische Pension ein und boten auch Mittagstisch an. Das Haus hatte 13 Zimmer, auf jeder Etage ein Bad, sechs Mansarden und einen großen Garten. Sie und ihr Mann bewohnten zwei Zimmer im Erdgeschoss. Sohn Hans, der eine kaufmännische Ausbildung absolvierte, hatte ein Mansardenzimmer für sich. Die Gräfs beschäftigten für den Pensionsbetrieb ein Hausmädchen, einen Diener und eine Köchin.

 

Dora Gräfs Schwester Johanna war 1933 mit ihrem Mann Hermann Hönigsberg und Tochter Toni von Frankfurt nach Palästina geflüchtet. Schwester Ricka, Witwe des 1928 verstorbenen Ludwig Gustav Cahn, heiratete 1936 in Frankfurt Arthur Decker und zog mit ihm nach Alzey. Sie starb am 21. April 1938 in Doras Haus, ihr Mann flüchtete im August 1939 in die USA. Die Schwester Minna war 1937 mit ihrem Mann Alex Fernich, Tochter Hilde und Vater Aron Marx von Linz nach Frankfurt gezogen. Sie wohnten in der Bockenheimer Landstraße 101. Am 10. Juni 1940 starb Hans Heinz Gräf. Am 3. März 1941 starb Aron Marx.

 

Hans Berthold war verheiratet und hatte eine im September 1941 geborene uneheliche Tochter, für die er Alimente zahlte. Er arbeitete von 1939 bis Sommer 1941 als Schlagzeuger einer Tanzkapelle von Heinz Grimm in verschiedenen deutschen Städten, zuletzt in Chemnitz. Dort wurde er mit Berufsverbot belegt, da er keinen Ariernachweis vorlegen konnte. Er musste danach in Frankfurt als Hilfsarbeiter für einen Heizungsmonteur arbeiten.

 

Am 15. September 1941 wurden sowohl Dora als auch ihr Sohn Hans verhaftet. Der Grund ist nicht bekannt, allerdings war Hans schon länger im Visier der Gestapo gewesen, da er verbotenen Jazz spielte und für die jüdischen Pensionsgäste „gehamstert“ hatte. Dora Gräf wurde nach Ravensbrück gebracht, Hans wurde nach zwei Monaten im Gefängnis Klapperfeld nach Mauthausen (Häftlingsnummer 2644, Schutzhaft) verschleppt. Dort soll er unerlaubten Kontakt zu Kriegsgefangenen gehabt haben, er wurde denunziert und musste 1943 eine sechsmonatige Haftstrafe in Ried am Inn absitzen. Er wurde unter anderem im Arbeitslager Vöcklabrück eingesetzt und am 5. Mai 1945 befreit.

 

Hans‘ Cousine Hilde Fernich erreichte am 20. August 1941 in Lissabon die „Mouzinho“, eines der letzten Schiffe, das jüdische Flüchtlinge in die USA brachte. Ihre Eltern Minna und Alex Fernich wurden am 20. Oktober 1941 von Frankfurt nach Lodz deportiert. Alex starb am 31. Juli 1942 im Ghetto angeblich an Herzmuskelschwäche. Minna wurde am 5. Juli 1944 ins Vernichtungslager Chelmno gebracht und ermordet.

 

Hans Berthold kam nach dem Krieg zurück nach Frankfurt und richtete 1947 mit Freunden im Keller des zerbombten Hauses seiner Eltern den ersten Frankfurter Jazztreff „Hot Club“ ein. Nach dem Verkauf des Hauses im Jahr 1950 fand der Club 1952 eine neue Bleibe an der Kleinen Bockenheimer Straße 18a das „Domicil du Jazz“, heute „Jazzkeller“. Hans leitete eine eigene Combo unter seinem Namen, die vor allem in den Clubs der Special Services auftrat. Bei ihm spielten unter anderem Charly Petri, Emil Mangelsdorff und Heiner Merkel.

 

Seine Tante Johanna Hönigsberg war nach dem Tod ihres Mannes zusammen mit ihrer Tochter Toni Maas zurück nach Frankfurt gekommen. Sie lebte im jüdischen Seniorenheim an der Gagernstraße und starb am 13. März 1966 in Frankfurt. Ihre Tochter Toni Maas starb am 12. Februar 2014. Hans Berthold Gräf starb am 27. September 1981 in Frankfurt.

 

Die Stolpersteine wurden initiiert von Daniela Tobias, Solingen, einer Verwandten der Gräfs. 

 

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Dora Gräf mit Hans Berthold © privat/Axel Tobias, Foto: Keine Angabe

 

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Heinz, Dora und Hans Berthold Gräf, vermutlich im Garten der Bockenheimer Landstraße 69, um 1938 © privat/Axel Tobias, Foto: Keine Angabe

 

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Bockenheimer Landstraße 69 © privat/Cora Mohr, Foto: Keine Angabe

 

Dora Gräf, geb. Marx

Geburtsdatum:

Deportation:

Todesdatum:

12.1.1889

15.9.1941 Ravensbrück, 5.3.1942 Bernburg

5.3.1942

 

Hans Berthold Gräf

Geburtsdatum:

Deportation:

Befreit

3.3.1919

15.11.1941 Mauthausen

 

 

 

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Stolperstein Bockenheimer Landstr. 69, Dora Gräf © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main, Foto: Keine Angabe

 

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Stolpersteine Bockenheimer Landstraße 69, Hans Berthold Gräf © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main, Foto: Keine Angabe

 

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