Schafranek, Olga, Herbert, Heinrich und Friedrich
Heinrich Schafranek aus Ottenthal aus Krems (Österreich) war verheiratet mit Olga Schafranek aus Wien. Ihre beiden Söhne Friedrich und Herbert wurden 1924 und 1926 in Wien geboren. Heinrich Schafranek studierte Wirtschaftswissenschaften in Wien. Im Ersten Weltkrieg war er als Rittmeister der „k. u. k. Armee“ zunächst in den Dolomiten; später Beförderung zum Kommandanten der Scharfschützenabteilung in der Wiener Neustadt. Von Kurt von Schuschnigg, seit 1932 österreichischer Justizminister und von 1934 bis 1938 Bundeskanzler, wurde er gebeten, für Österreich die Funktion als Handelsattache für Holz im Deutschen Reich zu übernehmen. Beide hatten sich während des Studiums kennen gelernt. Auf Wunsch Schafraneks wurde die Position nicht in Berlin, sondern in Frankfurt angesiedelt, wo die Familie seit 1928 lebte.
Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich am 13. März 1938 verlor Heinrich Schafranek seine Stellung und die Privilegien als Diplomat. Die Familie musste fortan von ihren Ersparnissen leben. Der wertvolle Schmuck der Ehefrau musste Anfang 1939 zwangsweise abgeliefert werden. Heinrich Schafranek plante noch die Flucht in das Exil, doch wurde die Familie an der schweizerischen Grenze wegen des ,,J“-Stempels für „Jude“ im Pass abgewiesen. Auch der Versuch, in das US-amerikanische oder australische Exil zu emigrieren, scheiterte am Beginn des Zweiten Weltkriegs, obwohl die „Reichsfluchtsteuer“ bereits entrichtet, die Passage auf dem holländischen Schiff „Oranje“ gebucht und der Umzugsgut aufgegeben waren. Der Antrag für die Genehmigung zur Mitnahme des Umzugsgutes war am 16. Juni 1939 gestellt worden, wofür am 20. Juli 1939 eine „DegoAbgabe“ von 100 Reichsmark festgesetzt wurde.
Die Söhne besuchten die Wöhlerschule, dann zwangsweiser Wechsel auf das Philanthropin, später an die Jüdische Anlernwerkstätte. Herbert galt als hervorragender 100- und 200-Meter-Läufer. Seit etwa 1940/41 Ausbildung zum Schreiner in der Jüdischen Anlernwerkstätte, zudem Mitglied der Jugendfußballmannschaft des FSV Frankfurt. Friedrich wurde zusammen mit seinem Vater Heinrich im Zusammenhang mit dem November-Pogrom 1938 kurzzeitig in der Festhalle inhaftiert. Beide wurden jedoch am Abend des 10. Novembers wieder freigelassen, weil sie über 60 beziehungsweise unter 16 Jahren alt waren.
Die Familie wohnte in Frankfurt von 1928 bis 1934 im Kettenhofweg 83, von wo Heinrich Schafranek auch seine Amtsgeschäfte erledigte, und von 1934 bis 1940 in der Kronberger Straße 30. Dann erfolgte ein zwangsweiser Umzug in die Leerbachstraße 10/1.
Im Getto Lodz war die Familie zunächst mit rund 100 anderen Menschen in einem Sammellager in einer Schule in der Gnesener Straße untergebracht, später wurde ihr ein zehn Quadratmeter großes Zimmer im ersten Stock der Ciescielska 21 (Himmelsstraße) mit zwei Holzpritschen zugeteilt (Wohnung Nummer acht). Heinrich Schafranek wollte sich im Getto nützlich machen und bot dem „Judenältesten“ Chaim Rumkowski seine Dienste als Vermittler für die im Getto hergestellten Produkte an. Der schickte ihn zum Lagerleiter Hans Bibow, wo er von zwei Beamten der Geheimen Staatspolizei schwer misshandelt wurde. Schwer verwundet in das Elendsquartier der Familie gebracht, starb er zwei Tage später, am 16. Juni 1942, an inneren Blutungen. Die Ehefrau und die beiden Söhne kleideten Heinrich Schafranek in seinen grünen Pyjama und fuhren den Leichnam auf einem Handkarren zum Gettofriedhof. Dort schaufelten sie eigenhändig das Grab für ihn.
Olga und Herbert Schafranek mussten dann Zwangsarbeit in einer holzverarbeitenden, Friedrich in einer Metall-Fabrik leisten. Der im eisigen Winter an Tuberkulose erkrankte Sohn Herbert starb in Lodz. Die Mutter und der Bruder bestatteten ihn in der gleichen Weise wie Heinrich Schafranek. Beide wurden am 25. August 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo nach Angaben des überlebenden Sohnes SS-Arzt Josef Mengele Olga Schafranek vor seinen Augen in die Gaskammer schickte und ermorden ließ.
Friedrich Schafranek wurde von Auschwitz-Birkenau in die Konzentrationslager Dachau und Kaufering verschleppt, wo er Zwangsarbeit leisten musste. Während der Räumung des Lagers Ende April 1945 konnte er fliehen und so wieder die Freiheit erlangen. Bis 1947 arbeitete er für die US-Army, unter anderem als Dolmetscher bei den Nürnberger Prozessen. 1946 wurde er evangelisch, ließ sich zum Theologen ausbilden und wurde dann Pfarrer in Australien und in Bayern. Für sein Engagement zur Aussöhnung wurde Pfarrer Friedrich Schafranek 1998 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.
Bei der Verlegung der Stolpersteine anwesend waren Friedrich Schafranek mit seiner Frau aus Bobingen/Kreis Augsburg.
Olga Schafranek, geb. Eisinger | |
Geburtsdatum: Deportation: Todesdatum: |
10.11.1893 19.10.1941 nach Lodz, 25.08.1944 nach Auschwitz 25.08.1944 |
Herbert Schafranek | |
Geburtsdatum: Deportation: Todesdatum: |
28.03.1926 19.10.1941 13.03.1943 |
Heinrich Schafranek | |
Geburtsdatum: Deportation: Todesdatum: |
31.08.1878 19.10.1941 nach Lodz 16.06.1942 |
Friedrich Schafranek | |
Geburtsdatum: Deportation: Todesdatum: |
16.05.1924 19.10.1941 nach Lodz, 25.08.1944 nach Auschwitz, nach Dachau und Kaufering befreit |
Quelle
Fotos aus: „Und keiner hat für uns Kaddisch gesagt ...“