Fürst, Sally, Ida und Lily
Sally Fürst wurde in Marburg, Ida Wertheimer in Emmendingen geboren. Ida war die Tochter von Nathan und Amalie Wertheimer und hatte einen Bruder Theodore. Sally Fürst und Ida Wertheimer heirateten im Sommer 1924 in Emmendingen. Das Ehepaar lebte nach der Heirat in Frankfurt im Gärtnerweg 6 und hatte eine Tochter Lily.
Sally Fürst war von 1910 bis 1920 Mitinhaber einer Mehlgroßhandlung „S.&J. Fürst und Rininsland. Vertrieb von Mühlenfabrikaten“ in der Bleichstraße 4. Ab Februar 1925 führte er die Firma als Alleininhaber. Ida Fürst stieg in derselben Zeit als Mitgesellschafterin in die Firma ein. Die Geschäfte gingen gut. Die Familie bezog im Gärtnerweg eine 6-Zimmerwohnung. Im Juni 1925 wurde die Tochter Lily geboren. Als Schulkind besuchte sie die jüdische Schule Philanthropin.
Bis Anfang der 1930er Jahre hat die Familie gut und sicher leben können. Zwischen Januar 1931 und April 1933 wurde die Firma abgemeldet und wieder als „Mehlhandlung en gros“ auf den Namen von Ida Fürst angemeldet. Im Dezember 1938 wurde die Firma endgültig abgemeldet, vermutlich in Folge der Novemberpogrome, die zu Ausschreitungen gegen jüdische Firmen und Geschäfte, zu Verboten und Schließungen führten.
Vergeblich hatten Ida und Sally Fürst schon seit 1936 die Flucht ins Exil für die ganze Familie zu erreichen versucht. Aber es gelang ihnen die Flucht der Tochter Ende 1938 mittels Kindertransport nach Schweden zu organisieren. Sie war damals 13 Jahre alt. Am 17. Januar 1939 erreichte Lily Malmö. Dort wurde sie vom Kaufmann Martin Lempert und seiner Frau als Pflegekind aufgenommen. Die Familie bekam damals ihr erstes Kind. Die Zeit bei dieser Familie schilderte Lily später so: „Anstatt als Pflegekind eine Erziehung zu erhalten, wie ich sie im Elternhaus genossen hatte, musste ich, obgleich ich erst 13 Jahre alt war, in der Familie, zu der ich gebracht wurde, als Dienst- und Zimmermädchen dienen. Eine kurze Zeit lang besuchte ich noch die Schule. Ich hatte kein besonderes Zimmer. Mein Bett stand in der Küche. Ich wurde unzulänglich gekleidet und statt des Dankes für meine viele Arbeit bezog ich häufig noch Prügel. Sobald ich eine feste Anstellung bekommen konnte, verließ ich die Familie und nahm mir ein eigenes Zimmer, wo ich jahrelang unter großen Entbehrungen mein Leben fristete.“
Auch die zweijährige Schulzeit war für Lily schwierig und belastend. Sie wurde von den Schulkameraden nicht akzeptiert und musste viel Spott erleiden, fühlte sich ausgestoßen und ungeliebt, wie später in einem ärztlichen Gutachten festgehalten wurde. Schon 1940 musste sie wegen Gastritis und wiederkehrenden Weinkrämpfen behandelt werden. In ihrer Verzweiflung hat sie sich in dieser Zeit ohne das Wissen der Eltern an den Onkel, Theodore Wertheimer, der seit 1939 in den USA lebte, gewandt in der Hoffnung, er könne sie aufnehmen. Er bemühte sich darum und bat um die Einwilligung der Eltern. Das geht aus einem Brief der Eltern vom Januar 1941 an Lily hervor. Wahrscheinlich hatte Lily, um die Eltern nicht zu beunruhigen, über ihre schwierige Situation bei der Pflegefamilie nicht berichtet. Der Vater zögerte. Er wollte, dass Lily erst eine Lehre machen sollte. Nach dem Schulabschluss wohnte Lily noch eine Zeit bei der Familie Lempert. Sie musste zusätzlich Geld mit Aushilfsarbeiten bei der Kartoffelernte und als Putzfrau verdienen und abliefern. Sonst bekam sie kein Essen, obwohl sie nach wie vor im Haushalt und abends als Kindermädchen arbeitete.
Im Dezember 1941 fand sie endlich eine feste Anstellung in einem Hutmacheratelier und bekam eine Arbeitserlaubnis bis August 1943. Ein Jahr später konnte sie eine Lehrausbildung zur Modistin in der Firma Modemagasinet Standy AB in Malmö antreten. Nach Abschluss der Ausbildung arbeitete sie in verschiedenen Hutmacherfabriken und Ateliers wie etwa der Malmö-Strohhutfabrik.
1947 heiratete Lily den Zuschneider Willie Schneider und bekam dadurch die schwedische Staatsbürgerschaft. 1951 wurde ihr Sohn Jan, 1956 ihre Tochter Yvonne geboren. Ihr gesundheitlicher Zustand verschlechterte sich. In den 1950er Jahren entwickelte sich eine Darmkrankheit zu einem Tumor. Immer wieder musste sie mit Depressionen und Angstzuständen kämpfen. Lily Schneider hatte in den 1950er Jahren mühsam ein Wiedergutmachungsverfahren in Gang gebracht. Erst am 31.12.1963 wurde ihr nach Abschluss eines Vergleiches eine Mindestrente von zunächst 128 DM für „Schäden an Körper und Gesundheit“ zugesprochen. Als sie am 14.3.1972 starb, betrug die Mindestrente 209 DM. Sieben Jahre lang hatte die Entschädigungsbehörde sich geweigert, ihren Gesundheitszustand als Ergebnis der Flucht anzuerkennen. Erst nachdem 1961 der stellvertretende Chefarzt der Psychiatrischen Klinik in Malmö in einem Gutachten den Krankheitsverlauf seit 1940 erneut minutiös dokumentiert hatte, erhielt sie diese Rente. Ähnlich lange musste sie dafür kämpfen, dass ihr eine einmalige Entschädigung von 620 DM als Waise nach der Ermordung der Eltern zugesprochen wurde. Für das beschlagnahmte Vermögen, Hab und Gut der Eltern, bekam sie eine Pauschalsumme von 5.000 DM. Dafür verlangte die Entschädigungsbehörde in Wiesbaden Nachweise. Lily Schneider musste Vermögensnachweise und Geburtsurkunden der ermordeten Eltern, Erbscheine zum Nachweis des Todesdatums und Nachweis der Zugehörigkeit zur „jüdischen Religions- und Rassegemeinschaft“ (!) vorlegen. Das Schreiben ist datiert vom 20. Februar 1956.
Die Stolpersteine wurden initiiert von Mona Wikhäll. Bei der Verlegung waren anwesend Jan und Ester Schneider, Stockholm, sowie Ewald und Yvonne Ejdelman, Malmö.
Sally Fürst | |
Geburtsdatum: | 17.11.1875 |
Deportation: | 19.10.1941 Lodz/Litzmannstadt |
Todesdatum: | unbekannt |
Ida Fürst, geb. Wertheimer | |
Geburtsdatum: | 15.9.1891 |
Deportation: | 19.10.1941 Lodz/Litzmannstadt |
Todesdatum: | unbekannt |
Lily Fürst | |
Geburtsdatum: | 26.6.1925 |
Flucht: | Januar 1939 Schweden (Kindertransport) |