Cohnstädt, Wilhelm
Wilhelm Cohnstädt wurde in Frankfurt als Sohn von Ludwig Cohnstädt geboren. Dieser war Freund und Kollege von Leopold Sonnemann (1831–1909), dem Gründer der Frankfurter Zeitung, Mitherausgeber und entwickelte deren Finanz- und Wirtschaftsteil zu großer Blüte. Nach dem Abitur am Lessing-Gymnasium studierte er in München und Berlin und promovierte in Wirtschaftswissenschaften bei Lujo Brentano (1844–1931) über „Die Agrarfrage in der deutschen Sozialdemokratie“. 1911 heiratete er die nicht-jüdische Else Göbel aus Wuppertal. Sie hatten drei Kinder: Ruth (Jg. 1912), Hans Jakob (Jg. 1914) und Martin Ludwig (Jg. 1917).
Wilhelm Cohnstädt war jahrelang Auslandskorrespondent und später für die Innenpolitik zuständig. Ausgedehnte Reisen als USA-Korrespondent führten ihn 1908/09 durch den nordamerikanischen Kontinent und ließen ihn exzellente Kontakte, so zu Theodor Roosevelt, entwickeln. Er war von 1914 bis 1917 aktiver Teilnehmer am Ersten Weltkrieg. Ein von ihm verfasstes Kriegsmemorandum 1918, das sich mit dem Hunger, dem Leiden und der Kriegsverdrossenheit der deutschen Bevölkerung befasste, verschaffte ihm einen Platz auf der „schwarzen Liste“ der deutschen Nationalisten und Militaristen.
Zusammen mit Friedrich Naumann war er Gründer der Deutschen Demokratischen Partei und wirkte als deren Reichstags-Abgeordneter bis 1930. Bei Hitlers Machtübernahme verweigerte er sich, eine Ergebenheitsadresse ins F.Z.-Editorial zu schreiben, und flüchtete im März 1933 in die USA. Von Ungewissheit über das Schicksal seiner Familie und von Depressionen geplagt, konnte ihn auch eine Beziehung zu der Frankfurter Emigrantin Toni Sender (1888–1964), einer bedeutenden Politikerin der Weimarer Republik, nicht mehr aufrichten. Wilhelm Cohnstädt nahm sich in Philadelphia das Leben.
Der Stolperstein wurde initiiert von Hanna und Dieter Eckhardt und finanziert von Nikolaus Müller-Schöll. u Bei der Verlegung waren anwesend John und Sheila Compton/Washington Grove, Lina Nicolette und Joy Cohnstaedt, Toronto, Allie Compton/NY, Christine Compton, Baltimore, Erin Compton und Anderson Mesquita, Barcelona.
Wilhelm Cohnstädt | |
Geburtsdatum: | 9.11.1880 |
Flucht: | 1933, USA |
Todesdatum: | 3.10.1937 |