Mentzel, Charlotte, Albert und Ruth

Mentzel, Charlotte, Albert und Ruth

Stolperstein-Biographien im Westend

Mentzel, Charlotte, Albert und Ruth

Charlotte Josephine Mentzel, genannt Lotte, wurde in Frankfurt am Main als Tochter von Heinrich Gotthelf (Henry) und Bertha Rothschild, geb. Merzbach, geboren. Charlotte Rothschild besuchte die Viktoriaschule (heute Bettinaschule), anschließend die Kunstgewerbeschule in Frankfurt. Bis 1931 studierte sie Kunstgewerbe am Bauhaus in Dessau. Dort lernte sie ihren späteren Ehemann Albert Mentzel (1909-1994), kennen, der am Bauhaus von 1928 bis 1931 Malerei und Gebrauchsgrafik studierte. Sie heirateten am 4. August 1931.

Nach späterer nationalsozialistischer Definition handelte es sich um eine „Mischehe“. Charlotte Mentzel arbeitete bis zur Geburt ihrer Tochter Ruth als Musterzeichnerin. Charlotte und Albert hatten drei Kinder: Ruth, Catherine (Jg. 1937) und einen Sohn Henry (Jg. 1939). Unmittelbar vor der Flucht nach Frankreich war die Familie für kurze Zeit ab dem 1. März 1933 in der neu gebauten Heimatsiedlung, Unter den Platanen 15/EG links registriert.

Nach ihrer Flucht im Jahr 1933 nach Frankreich wohnte die Familie in Paris, wo Albert Mentzel als freier Gebrauchsgrafiker für Victor Vasarely und zwischen 1937 und 1939 als Reklamezeichner tätig war.

Nach Kriegsbeginn war Albert aufgrund seiner deutschen Staatsbürgerschaft im Militärlager  Chambaran interniert bis er sich der französischen Fremdenlegion anschloss. Nach seiner Demobilisierung 1940 floh die Familie nach Toulouse in den unbesetzten Teil Frankreich und wohnte in Pibrac (Hte. Garonne), zuletzt in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in der Rue Ste. Helene 21. Charlotte Mentzel fand dort eine Stelle als technische Übersetzerin bei der „S.N.S.C.A.S.E." in Toulouse und verdiente den Großteil des Lebensunterhalts für die Familie. Sie musste zwangsweise eine „Judenvermögensabgabe“ in Höhe von 4.872 Reichsmark entrichten, da sie eine erst 1939 verkaufte Liegenschaft in Neu-Isenburg besaß, sowie eine „Dego-Abgabe“ von 1.500 Reichsmark. Charlotte Mentzel wurde am 2. Dezember 1941 aus Deutschland ausgebürgert, worauf  ihr Vermögen zu Gunsten des Reiches eingezogen wurdee. Im Sommer 1944 vertrauten die Eheleute die beiden kleineren Kinder einem Kinderheim in Loure-Barousee an, wo sie bis 1946 blieben. Die Kinder blieben nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Frankreich.

Albert Mentzel war in der Resistance aktiv. Charlotte und Ruth Mentzel wurden am 20. Juni 1944 von der Geheimen Feldpolizei der deutschen Luftwaffe verhaftet. Charlotte und Ruth kamen ins Internierungslager Drancy. Sie wurden nach Auschwitz verschleppt und ermordet.

Albert Mentzel blieb im Gestapo-Gefängnis Saint-Michel in Toulouse, wo er im August 1944 von der Resistance befreit wurde. Nach Kriegsende zog er nach Paris und änderte seinen Namen auf den Familiennamen seines Vorfahren Ferdinand Flocon. 1946 heiratete er Alice Casson und hatte mit ihr zwei weitere Kinder.

In Paris führte ihn Georges Visat in die Kupferstecherei ein. 1948 und 1949 hatte er erste Ausstellungsbeteiligungen gemeinsam mit Albert-Edgar Yersin und Paul Éluard. Zusammen mit Johnny Friedlaender, ebenfalls ein deutscher Flüchtling, und Georges Leblanc gründete er 1949 eine Grafikerwerkstatt und Grafikschule. Er spezialisierte sich fortan auf die Gravur mit dem Stichel.

1954 wurde Flocon Zeichenlehrer an der Berufsschule für Drucker École Estienne. 1964 erhielt er eine Stelle an der École des Beaux-Arts de Paris und arbeitete dort als Professor für Perspektive bis 1973. Flocon war mit dem Philosophen Gaston Bachelard (1884–1962) befreundet. Er veröffentlichte 1952 mit Traité du burin sein erstes Werk über das Stechen. Er forschte zur kurvenlinearen Perspektive (Perspective curviligne). Mit René Taton schrieb er den populärwissenschaftlichen Band La Perspective, der 1963 in der Reihe Que sais-je ? veröffentlicht wurde.

Er litt unter Depressionen, die er mit Psychoanalyse behandeln ließ. Er wohnte in Paris und starb am 12. Oktober 1994.

Die Stolpersteine wurden von der Tochter Catherine Ballestero initiiert und von Bianca Boysen und Christian Steinle finanziert.

Internet: https://convoi77.org/en/deporte_bio/mentzel-charlotte/External Link

 

Schumannstraße 10, Mentzel, Charlotte mit ihren Kindern Ruth Catherine und Henri, 1940
Charlotte Mentzel mit ihren Kindern Ruth Catherine und Henri, 1940 © privat, C. Ballestero

Schumannstraße10, Mentzel, Ruth, Zeichnung des Vaters
Ruth Mentzel, Zeichnung des Vaters © privat, C. Ballestero



Albert Mentzel im Bauhaus Dessau
Albert Mentzel im Bauhaus Dessau © privat



Schumannstraße 10, Mentzel_ Albert_ Flocon
Albert Flocon © privat






Charlotte Mentzel, geb. Rothschild 
Geburtsdatum:    10.11.1909 
Flucht: 1933 Frankreich,
interniert 25.6.1944
Drancy 
Deportation:  31.7.1944
Auschwitz 
Todesdatum:   2.8.1944 

 

Albert Mentzel  
Geburtsdatum:   24.5.1909 
Flucht:  1933 Frankreich,
Resistance 
Haft:   20.6.-19.8.1944
Gestapo-Gefängnis Toulouse,
befreit 

 

Ruth Mentzel 
Geburtsdatum:    10.2.1932  
Flucht:  1933 Frankreich,
interniert 25.6.1944
Drancy
Deportation:  31.7.1944
Auschwitz 
Todesdatum:   unbekannt  

 

 

Stolperstein Schumannstraße 10, Mentzel, Charlotte
Stolperstein Schumannstraße 10, Mentzel, Charlotte © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

 

Stolperstein Schumannstraße 10, Mentzel, Albert
Stolperstein Schumannstraße 10, Mentzel, Albert © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

 

Stolperstein Schumannstraße 10, Mentzel, Ruth
Stolperstein Schumannstraße 10, Mentzel, Ruth © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

 

 

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