Isenburger, Ludwig und Bella
Ludwig Isenburger wurde in Frankfurt als Sohn von Albert (…-1896) und Auguste Isenburger geboren. Er hatte zahlreiche Geschwister: Susanne (1882-1895), Alfred (1883-1963, 1902 Auswanderung nach New York), Gustav (1884-1963, Flucht 1939 nach London), Anthonie, verh. Mayer (1888-1927), Ernestine (1893-1957, Flucht nach London 1939), Helene (1894-1957, Flucht nach London 1939). Die Familie lebte bis 1897 in der Klüberstraße 14 und dann im Reuterweg 91, Erdgeschoss.
Bella Isenburger wurde in Frankfurt geboren, sie war die Tochter der aus Wilna stammenden Abraham Goldberg (1871- ) und Erna (oder Rosa), geborene Hüttenstein (oder Lichtenstein) (1869-?). Ludwig und Bella Isenburger heirateten am 16. November 1933. Sie zogen dann in die Leipziger 26, von dort 1936 in Königstraße 53, 1937 in die Oberlindau 72 und vom 1. Januar bis 12. Juli 1939 wieder in den Reuterweg 91.
Ludwig Isenburger studierte von 1904 bis 1911 Rechtswissenschaften und arbeite dann als freier Journalist und Sportreporter für zahlreiche Tageszeitungen und Sportblätter. Von 1915 bis Dezember 1918 war er als Soldat im Ersten Weltkrieg. Als Mitarbeiter von Walter Bensemann bei der 1920 neu gegründeten Fachzeitschrift „Der Kicker“ berichtete er über den Sport aus dem Maingau. Er berichtete über Fußball, Rugby, Tennis, Eislauf, Leichtathletik und gelegentlich auch Turnen, Pferdesport und Billard. Er arbeitete für zahlreiche Zeitungen, unter anderem „Der Kicker“, „Fußball“, „Sport-Echo“ und die „Frankfurter Zeitung“. 1929 verfasste er privat ein kleines Büchlein mit dem Titel „Aus der Steinzeit des Frankfurter Fußballs“ über die Anfänge des Fußballs in Frankfurt.
Als 1920 durch die Fusion des Frankfurter Fußballvereins mit der Turngemeinde von 1861 die Frankfurter Turn- und Sportgemeinde Eintracht entsteht, arbeitet Ludwig Isenburger für die Eintracht, ist zeitweise Redaktionsleiter der Vereins-Nachrichten und als Ansprechpartner für Annoncen.
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 beendete Ludwig Isenburgers Karriere als Sportjournalist. Nach und nach kündigten ihm alle Zeitungen die Mitarbeit. Am 2. Mai 1933 schrieb der Hauptschriftleiter der Zeitschrift „Der Kicker“: „Wir teilen Ihnen mit, dass mit dem Ausscheiden des Hauptschriftleiters Walter Bensemann aus Verlag und Redaktion des „KICKER“ auch die von Ihnen seit 1. Januar 1922 ausgeübte Tätigkeit als Mitarbeiter endet. Wir nehmen gerne Veranlassung, Ihnen für die stets zuverlässige und sachkundige Mitarbeit unseren Dank zum Ausdruck zu bringen.“
Ludwig Isenburger übernahm nun gemeinsam mit seiner Frau das Restaurant seines Schwiegervaters, das „Cafe Goldberg“ in der Leipziger Straße 28, das er in „Cafe des Westens“ umbenennt. Er musste sich, wie schon sein Schwiegervater, zahlreicher Schikanen erwehren. So erhielt er keine Sondergenehmigung, das Cafe über die Polizeistunde hinaus zu öffnen. Mehrere Male drangen Uniformierte mit Waffen in das Lokal und forderten die Gäste auf, den „Judenladen“ zu verlassen, Lieferanten weigerten sich, das Geschäft zu beliefern. Am 6. März 1936 wurde das „Cafe des Westens“ polizeilich geschlossen. Abraham Goldberg und seine Frau flüchteten am 21. Februar 1936 nach Rio des Janeiro in Brasilien, die Übertragung der Konzession an Ludwig Isenburger wurde verweigert.
Nach der Schließung des „Cafe des Westens“ arbeitete Ludwig Isenburger ab Oktober 1936 als Sprachlehrer. Er unterrichtet Juden, die ihre „Auswanderung“ vorbereiten und die Sprache der neuen Heimat erlernen wollen. In der Nacht vom 14. auf den 15. Januar 1937 wurde Ludwig Isenburger auf dem Opernplatz verhaftet und in Handschellen in das Polizeigefängnis am Starkeplatz verbracht. Wegen angeblichem sexuellen Verkehr mit einem jungen Mann wurde er nach drei Tagen dem Haftrichter vorgeführt, danach in das Untersuchungsgefängnis in der Hammelsgasse überführt. Erst am 31. Januar wurde er wieder freigelassen, ohne je verhört worden zu sein.
Nach den Pogromen des 9. November 1938 wurde Ludwig Isenburger verhaftet, in die Festhalle verbracht und von dort aus mit zahlreichen Frankfurter Juden nach Buchenwald verschleppt. Nach seiner Entlassung am 11. Dezember 1938 konnte er nicht mehr als Sprachlehrer arbeiten. Er musste seine Wohnung in der Oberlindau 72 aufgeben und gemeinsam mit seiner Frau in den Reuterweg 91 ziehen, wo sie nur eine kleine Mansardenstube zur Verfügung hatten.
Die letzten Monate in Deutschland lebten Ludwig und Bella von Erspartem, sie verkauften ihren Hausstand und reisten nach Brasilien. Ludwig Isenburger, der sich in Brasilien „Lazarus“ nannte, Freunde riefen ihn Ludovico, tat sich schwer, eine Anstellung zu finden. So lebten Ludwig und Bella Isenburger in Rio de Janeiro zurückgezogen in einer kleinen Wohnung mit drei Zimmern von jeweils zwölf Quadratmetern. Zwei der Zimmer mussten sie untervermieten, um über die Runden zu kommen.
In den 1950er Jahren überlegten die Isenburgers, nach Deutschland zurückzukehren. 1953 erwerben sie erneut die deutsche Staatsangehörigkeit. Gleichzeitig beantragten sie eine Entschädigung. In einem Entschädigungsantrag verweist Ludwig Isenburger auf die prekäre Lage der Eheleute. „Ich bitte, den vorliegenden Antrag bevorzugt und beschleunigt zu behandeln. Ich werde am 14. Dezember 1955 bereits 70 Jahre alt. Meiner beruflichen Tätigkeit als Sprachlehrer sind teils wegen der allgemeinen Verhältnisse hierzulande, namentlich aber durch mein hohes Alter, erhebliche Grenzen gezogen. Mein Einkommen ist minimal. Die Verhältnisse, in denen ich hier zu leben gezwungen bin, sind sehr knapp. In meinem Alter ist mit Neugründung einer Existenz auf Grund irgendeiner Erwerbstätigkeit nicht mehr zu rechnen."
1956 erhielt Ludwig Isenburger nach dem Bundesentschädigungsgesetz ein Teil-Anspruch auf Kapitalentschädigung in Höhe von 10.000 DM zugesichert. Im Januar 1957 wurde das Urteil ergänzt: „Der aus Gründen der Rasse verfolgte, einem Beamten des höheren Dienstes vergleichbare und aus seiner selbständigen Erwerbstätigkeit verdrängte Antragsteller hat für Schaden im beruflichen Fortkommen Anspruch auf Kapitalentschädigung in Höhe von 40.000 DM“, die bereits ausgezahlten 10.000 DM werden von dem Betrag abgezogen. Isenburger entschiedt, dass nur ein Teil des Geldes bar ausgezahlt wird, im Gegenzug erhielt er ab dem 1. April 1957 eine Rente in Höhe von 600 DM monatlich.
Die Rückkehr nach Deutschland kam nicht mehr zustande. Ludwig Isenburger starb am 7. Dezember 1970 im Alter von 85 Jahren in Rio de Janeiro. Am 7. Dezember 1970 wurde er auf dem Friedhof „Cemiterio Comunal Israelita do Caju“ beerdigt. Seine Frau Bella starb am 22. September 1977. Die Grabstätte der Isenburgers gibt es bis heute.
Die Stolpersteine wurden initiiert von Matthias Thoma von der Eintracht Frankfurt
Ludwig Isenburger | |
Geburtsdatum: Haft: Flucht: |
14.12.1885 9.11.-11.12.1938 Buchenwald 12.7.1939 Brasilien |
Bella Isenburger, geb. Goldberg | |
Geburtsdatum: Flucht: |
31.1.1897 12.7.1939 |