Grosser, Alfred, Lily, Margarete und Paul
Paul Grosser wurde in Berlin geboren: Lily Emilie Rosenthal kam als Tochter von Alfred Rosenthal (gest. 1919) in Frankfurt zur Welt. Während des Ersten Weltkrieges unterstützte sie Hilfsmaßnahmen für deutschen Soldaten und wurde dafür ausgezeichnet. Ihr Verlobter Max Koch aus Kronberg im Taunus fiel 1918. Paul und Lily Grosser heirateten am 16. März 1921 und hatten die Kinder Margarete und Alfred.
Paul Grosser lebte seit 1908 in Frankfurt. Zwischen 1908 und 1911 war er Assistenzarzt an der Städtischen Kinderklinik; am 29. Juli 1919 legte er die Lehrberechtigung Venia legendi an der Medizinischen Fakultät für das Fach Kinderheilkunde ab und wurde Leiter des Clementinen-Krankenhauses. Er betrieb eine eigene Praxis und war außerordentlicher Professor für Kinderheilkunde an der Frankfurter Universität. Im April 1933 wurde ihm verfolgungsbedingt die Krankenhausleitung entzogen. Die Familie wohnte in der Mendelsohnstraße 92. Paul Grosser war Sozialdemokrat und Freimaurer.
Die Grossers flüchteten im Dezember 1933 nach Paris. Paul Grosser starb knapp zwei Monate später in Saint-Germain-en-Laye. Durch die Verfolgung hatte er sich eine schwere Angina pectoris zugezogen, von der er sich nicht mehr erholte. Er hatte an der Peripherie von Paris ein Kindersanatorium geplant, das dann Lily Grosser als Kinderheim ohne medizinischen Kontext leitete. Durch eine Verordnung des Justizministers Vincent Auriol am 1. Oktober 1937 wurde Lily, Margarete und Alfred Grosser die französische Staatsbürgerschaft verliehen, was sie davor bewahrte, von der Regierung Daladier im September 1939 wie die anderen von Hitler verfolgten Deutschen als „Feinde“ in französischen Lagern interniert zu werden. Im Jahr 1938 zog Lily Grosser nach Saint-Germain-en-Laye. Margarete und Alfred Grosser mussten am 10. Juni 1940 nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht ins unbesetzte Frankreich fliehen. Lily Grosser folgte ihren Kindern im September ins südfranzösische Saint-Raphaël. Die Tochter Margarete starb infolge einer bei der Flucht zugezogenen Verletzung an Blutvergiftung. Nach der Kapitulation Italiens im Jahr 1943 mussten Lily und Alfred Grosser erneut getrennt voneinander flüchten, als die Wehrmacht in das von Italien besetzte Südfrankreich einrückte. Lily Grosser erhielt in Cannes eine Stelle als Unterstützung der Leiterin eines Kinderheimes. Ab Herbst 1944 konnte sie ihren Sohn Alfred wieder in Marseille treffen. Dort wurde sie stellvertretende Leiterin eines Militärkrankenhauses des Croix-Rouge-Francaise (CRF).
Lily und Alfred Grosser engagierten sich von 1948 bis 1967 im Comité français d’échanges avec l’Allemagne nouvelle (Französisches Komitee für den Austausch mit dem neuen Deutschland). Für ihren Einsatz erhielt Lily Grosser 1962 das Bundesverdienstkreuz.
Alfred Grosser studierte in Frankreich Politikwissenschaft und Germanistik und war ab 1955 Inhaber eines Lehrstuhls am Institut d’études politiques de Paris (Sciences Po). Er setzte sich bis in die Gegenwart für die deutsch-französischen Beziehungen ein und war einer der intellektuellen Wegbereiter im Vorfeld des Elysée-Vertrags, des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags. Er definiert sich als „Atheist, der dem Christentum nahesteht“. Der deutsch-französische Publizist, Soziologe und Politikwissenschaftler wurde 1992 als Studien- und Forschungsdirektor an der Fondation Nationale des Sciences Politiques emeritiert. Er war wegen seiner kritischen Haltung zum Staat Israel umstrittener Hauptredner am 9. November 2010 in der Paulskirche bei der Gedenkfeier der Stadt Frankfurt an die Pogromnacht. 1975 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Er lebt in Paris.
Die Stolpersteine wurden vom Betriebsrat des Bürgerhospitals und des Clementine Kinderhospitals initiiert. Finanziert wurden sie vom Betriebsrat, Bärbel von Jagow; Finn Danker und Fabian Ulmer.
Paul Grosser | |
Geburtsdatum: |
4.2.1880 |
Flucht | 13.12.1933 Frankreich |
Todesdatum: |
7.2.1934 |
Lily Grosser, geb. Rosenthal | |
Geburtsdatum: | 2.6.1884 |
Flucht: |
13.12.1933 Frankreich |
Margarete Grosser | |
Geburtsdatum: | 18.4.1922 |
Flucht: | 13.12.1933 Frankreich |
Todesdatum: | 29.4.1941 |
Alfred Grosser | |
Geburtsdatum: | 1.2.1925 |
Flucht: | 13.12.1933 Frankreich |