Hirsch, Lotty und Ludwig

Hirsch, Lotty und Ludwig

Stolperstein-Biographien im Westend

Hirsch, Lotty und Ludwig

Ludwig Hirsch, geboren 1876 in Speyer, war Sohn von Elias und Regina Hirsch, geb. Bohrmann. Der Vater stammte aus einer alteingesessenen Kaufmannsfamilie von Getreide- und Fruchthändlern in Speyer. Ludwig hatte acht Geschwister und Halbgeschwister, sein Vater hatte in zwei Ehen insgesamt neun Kinder. Von diesen Geschwistern wanderten sechs vor 1933 nach Schweden aus, entweder durch Heirat oder aus beruflichen Gründen.

In den 1890er Jahren erlernte Ludwig in der Getreidefirma „Jacob Hirsch und Söhne“ in Mannheim das kaufmännische Handwerk. Danach übernahm er eine Filiale der Firma in Frankfurt am Main. 1907 heiratete er Lotty May aus Frankfurt. Das Paar blieb kinderlos. Ab 1909 lebte in der Stadt auch sein Bruder Sigmund Hirsch mit seiner Familie. Eine Zeit lang betrieben die Brüder eine gemeinsame Weinhandlung „Gebrüder Hirsch, Weingroßhandlung“.

Aufgrund der schlechten Konjunktur am Ende der 1920er Jahre wurde die Getreidefirma aufgelöst. Ludwig arbeitete danach als Agent und Kommissionär in derselben Branche. Ludwig und Lotty litten unter Ausgrenzung und Verfolgung durch das Regime im privaten wie im geschäftlichen Leben. Sie konnten 1935 nach Rotterdam in Holland fliehen. 1937 gelang es auch seiner Nichte Elli Oppenheimer mit ihrem Mann Kurt dort Zuflucht zu finden. Sie wohnten  in derselben Straße. Mit der Besetzung der Niederlande durch die deutsche Wehrmacht 1940 begann die Verfolgung erneut. Ludwig und Lotty mussten Rotterdam verlassen und zogen ein Jahr später in die kleinere Stadt Gouda um. Die Verwandtschaft in Schweden bemühte sich, für die beiden Einreiseerlaubnisse und schwedische Pässe zu ermöglichen. Im Gegensatz zur Nichte Elli Oppenheimer und ihrem Mann Kurt war es dem Ehepaar nicht gelungen, einen Platz bei Nachbarn oder Freunden zu finden, wo sie hätten untertauchen können.
Ludwig war inzwischen schwer erkrankt und wurde hauptsächlich von seiner Frau gepflegt. Im September 1942 schrieb er an seine Nichte Hedwig Waldenström in Schweden, dass er sich „an seinen unglücklichen Zustand gewöhnen muss. Trotz der Mühe und Sorge der geliebten Lotty habe ich an Gewicht verloren, da meine Appetitlosigkeit zeitweise zu groß ist und ich trotz großer Energie das Essen nicht runterkriegen kann! Leider brauche ich zweimal am Tag Unterstützung von einer Krankenschwester, gehen kann ich auch nicht, es ist zu mühsam…“. Sie wohnten zu dieser Zeit in einer Pension in der Crabethstraße in Gouda. Im April 1943 wurde Lotty Hirsch wahrscheinlich ohne ihren Mann, der damals schon todkrank war, in das Altersheim „Centraal Israelitisch Oude Mannen en Vrouwenhuis“ gebracht.

Lotty wurde am 9. April im Zuge der großen April-Razzia abgeholt und in das Durchgangslager Westerbork gebracht. Hier wurden ihr alle wertvollen Gegenstände von Mitarbeitern der Firma „Lippmann Rosenthal & Co“ abgenommen und als „arisiertes“ Gut versteigert oder verkauft.  In diesem Lager war sie mit vielen anderen in verdreckten, verlausten Holzbaracken zusammengepfercht und wartete auf den Transport „für den Arbeitseinsatz in Deutschland“.  Zwei Mal in der Woche gingen die Zugtransporte.

Nur ein paar Tage, nachdem Lotty abgeholt worden war, starb Ludwig am 14. April in Gouda. Am 18. Mai wurde Lotty im Zug nach Sobibor deportiert. Die Fahrt dauerte 48 Stunden. Gleich nach der Ankunft wurde sie am 21. Mai ermordet.

Anfang Juni übermittelte das schwedische Außenministerium seiner Botschaft in Berlin endlich die Einreisegenehmigung und eine befristete Aufenthaltserlaubnis für Lotty Hirsch. Die Dokumente mussten zweimal geschickt werden, weil sie unterwegs verloren gegangen waren - mit fatalen Folgen. Lotty Hirsch war schon seit Wochen tot.

Vor dem Gebäude Crabethstraße 51 in Gouda erinnert ein Stolperstein an Lotty Hirsch.


Die Stolpersteine wurden von Mona Wikhäll und Bertil Oppenheimer initiiert und von Janina Beck und Victor Pfaff finanziert.

 

Brentanostraße 6, Hirsch Ludwig und Lotty in Rotterdam, 1937
Ludwig und Lotty Hirsch in Rotterdam, 1937 © privat, Bertil Oppenheimer

 

Lotty Hirsch, geb. May
Geburtsdatum:
25.7.1883 
Flucht:
1935 Holland
Deportation:
9.4.1943 Westerbork; 18.5.1943 Sobibor
Todesdatum:
21.5.1943 

 

Ludwig Hirsch 
Geburtsdatum: 24.6.1876
Flucht:  1935 Holland 
Todesdatum:  14.4.1943 

 

Stolperstein Brentanostraße 6, Hirsch, Lotty
Stolperstein Brentanostraße 6, Hirsch, Lotty © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

 

Stolperstein Brentanostraße 6, Hirsch, Ludwig
Stolperstein Brentanostraße 6, Hirsch, Ludwig © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

 

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