Nachmann, Alice und Frieda sowie Adler, Anna

Nachmann, Alice und Frieda sowie Adler, Anna

Stolperstein-Biographien im Westend

Nachmann, Alice und Frieda sowie Adler, Anna

Alice Nachmann  wurde in Frankfurt am Main als einziges Kind der aus der Pfalz stammenden Eheleute Wilhelm Nachmann und seiner Frau Frieda, geb. Holländer, geboren. Die Familie lebte damals in der Holzhausenstraße 77. Ihr Vater starb 1926, Mutter und Tochter zogen 1931 von der Humboldtstraße 50 in die Tevesstraße 37. Anna Adler wurde in Frankfurt als einziges Kind des Kaufmanns Hermann Adler und seiner Ehefrau Emma, geb. Metzger, geboren. Die Familie lebte damals in der Gaußstraße 25.

 

Alice Nachmann und Anna Adler besuchten als Schülerinnen das Philanthropin und wirkten nach ihrer Ausbildung dort ab 1921 beziehungsweise ab 1929 selbst als Lehrerinnen. Alice Nachmann unterrichtete Englisch und Französisch Die beiden verband eine lebenslange Freundschaft. Anna Adler bot Alice Neumann und ihrer Mutter an, die Wohnung Auf der Körnerwiese 9 zu teilen, sie hätte sie allein nicht halten können. Am 1.1.1938 zogen die beiden zur Untermiete dort ein und bewohnten zwei Zimmer.

 

Im Spätsommer 1939 wurde von der Gestapo dort eine brutale Haussuchung durchgeführt, beide Lehrerinnen wurden wegen „Hamsterei von Lebensmitteln“ in Haft genommen. Frieda Nachmann schrieb umgehend eine Eingabe an die Gestapo, in der sie die Vorwürfe zurückwies und – auch unter Verweis auf die Unentbehrlichkeit ihrer Tochter im Kollegium des Philanthropin – um Freilassung bat. Doch am 19. September 1939 erfolgte die Überstellung der beiden Lehrerinnen nach Ravensbrück.

 

Frieda Nachmann versuchte, die Freilassung zu erwirken, und beauftragte den Rechtsanwalt Siegfried Popper, einen der zunächst noch neun zugelassenen Rechtsanwälte im OLG Bezirk Frankfurt. Popper setzte sich mit seinem Berliner Kollegen Dr. Kurt Jacobson – der später in Auschwitz ermordet wurde – in Verbindung. Frieda Nachmann brachte Führungszeugnisse bei, Bestätigungen des Philanthropin, dass das Kollegium nicht auf ihre Tochter verzichten könne, und schickte für Alice und Anna je 100 RM. Sie beschloss, selbst nach Berlin zu fahren, um dort bei der Gestapo vorstellig zu werden. Im März 1940 versuchte sie über einen jüdischen mit der Gestapo zusammenarbeitenden Frankfurter, gegen Zahlung von 500 RM ihre Tochter aus Ravensbrück freizubekommen. Auf diesen Gedanken war sie gekommen, weil die mit ihrer Tochter befreundete Martha Wertheimer ihr erzählt hatte, dass sie im Fall ihrer inhaftierten Schwester Lydia so verfahren war. Martha Wertheimer wurde deswegen von der Gestapo verhört. Hier ihre Aussage: „Ich möchte noch bemerken, dass Frau Nachmann an mich wegen ihrer festgenommenen Tochter herangetreten ist, wir sind befreundet. Ich habe Frau Nachmann an S. verwiesen. Ich hatte nicht gewusst, dass er auch von der Frau Nachmann RM 500,-- verlangt hatte. Ich selbst hatte im Fall meiner Schwester angenommen, dass er für diesen Betrag vielleicht ein „Visum“ beschaffen werde.“Die beiden Lehrerinnen wurden im Herbst 1940 entlassen, mit der Auflage, schleunigst Deutschland zu verlassen. In Frankfurt bereiteten sie ihre Auswanderung vor, schrieben Umzugsgut-Listen. Noch Ende 1940 bezogen sie ein Gehalt vom Philanthropin. Anna Adler erhielt eine monatliche Pension. Zusammen mit den Mieteinnahmen aus dem Untermietverhältnis Nachmann kam sie auf 272,56 RM, von denen ihr nur 260 freigegeben wurden.

 

Im Januar 1941 flohen Alice Nachmann, Alice Adler und Frieda Nachmann nach Jugoslawien. Mit dem Datum 27.2.1941 notierte die „Devisenstelle S“, Oberfinanzpräsident Kassel, „verzogen nach Zagreb/Jugoslawien. Postfach 504“. Sie landeten im Ort Draganic südwestlich von Zagreb, ein zum Lager umfunktioniertes Dorf  unter Kontrolle der kroatischen Faschistenorganisation Ustascha, in dem harte Reglementierungen, Hunger, elende sanitäre und medizinische Bedingungen, Kälte und Hoffnungslosigkeit herrschten. Von und nach dort wechselten noch zahlreiche Briefe mit ehemaligen Frankfurter Freunden hin und her: das Künstlerehepaar Wilhelm und Hanna Kesting hielt noch über ein Jahr lang schriftlich Kontakt zu den Geflüchteten, zuletzt um Ostern 1942.

 

Von Draganic wurden die Bewohner/Insassen im Frühjahr 1942 ins Lager Jasenovac deportiert – das auch als „Auschwitz des Balkans“ bezeichnet wird. Die Zahl der Ermordeten in Jasenovac wird auf wenigstens 80.000 geschätzt.

 

auf_der_koernerwiese_9_nachmann_alice
Alice Nachmann © privat/Lehrer-Phil, Foto: Keine Angabe

 

auf_der_koernerwiese_9_adler_anna
Anna Adler © privat/Lehrer-Phil, Foto: Keine Angabe

 

Alice Nachmann

Geburtsdatum:

Haft:

Flucht:

Haft:

Todesdatum:

20.2.1903

19.9.1939 Ravenbrück

1941 Jugoslawien

1942 Jasenovac

unbekannt

 

Frieda Nachmann, geb. Holländer

Geburtsdatum:

Flucht:

Haft:

Todesdatum:

22.6.1880

1941 Jugoslawien

1942 Jasenovac

unbekannt

 

Anna Adler

Geburtsdatum:

Haft:

Flucht:

Haft:

Todesdatum:

16.1.1892

19.9.1939 Ravensbrück

1941 Jugoslawien

1942 Jasenovac

unbekannt

 

 

 

stolperst_auf_der_koernerwiese_9_nachmann_alice
Stolpersteine Auf der Körnerwiese 9, Alice Nachmann © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main, Foto: Keine Angabe

 

stolperst_auf_der_koernerwiese_9_nachmann_frieda
Stolpersteine Auf der Körnerwiese 9, Frieda Nachmann © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main, Foto: Keine Angabe

 

stolperst_auf_der_koernerwiese_9_adler_anna
Stolperstein Auf der Körnerwiese 9, Anna Adler © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main, Foto: Keine Angabe

 

 

inhalte teilen