Werthan, Cornelie
Cornelie Werthan, genannt Nelly, wurde in Worms als Tochter von Adolf Stadecker und Mathilde, geborene May, aus Lampertheim geboren. Sie besuchte acht Jahre das Mädchenlyceum. 1906 heiratete sie den Kaufmann Simon Oppenheimer aus Fränkisch-Crumbach im Odenwald, der später sein Geschäft in Frankfurt am Main hatte. Dort wurden die beiden Kinder Liesel 1907 und Kurt 1910 geboren. Simon Oppenheimer starb zu Beginn des Ersten Weltkrieges an der Ostfront in Polen.
Cornelie Werthan heiratete 1920 den Getreidehändler Leopold Werthan (1878-1932). Der Kriegsinvalide gründete 1921 in der Lersnerstraße 30a eine Getreidefirma. Er war autorisierter Makler, Mitglied der Getreidebörse und fungierte als Gutachter für die Handelskammer. Cornelie Werthans Sohn aus erster Ehe, Kurt Oppenheimer, musste das Reformrealgymnasium Philanthropin vor dem Abitur beenden. Er absolvierte eine Banklehre und arbeitete anschließend in der Getreidebranche. Als Leopold Werthan 1932 starb, übernahm Kurt Oppenheimer die Firma mit Erfolg und konnte die Umsätze erhöhen. Ab 1935 halbierten sich aber aufgrund der Boykottmaßnahmen der Nationalsozialisten die Umsätze. Kurt Oppenheimer, der zunächst als „privilegierter“ Jude galt (Vater und Stiefvater waren dekorierte Veteranen des Ersten Weltkriegs), verlor die Gewerbezulassung und musste Ende 1937 die Firma liquidieren. Die Lersnerstraße 30a war auch die Wohnanschrift der Familie.
Kurt Oppenheimer heiratete im Mai 1937 Elli Hirsch und zog zu ihr in die Bockenheimer Landstraße 107. Cornelie Werthan lebte von einer Witwenpension und der Unterstützung durch ihren Sohn. Im Dezember 1937 flüchteten Kurt und Elli Oppenheimer nach Rotterdam in Holland. Der Tochter Liesel Scheidt (1907-1996) und deren Ehemann Kurt Scheidt (1896-1966) gelang die Flucht nach Australien. 1938 wurde Cornelie Werthan gezwungen, ihre Wohnung in der Lersnerstraße zu verlassen. Ihr Hab und Gut wurde von den NS-Behörden versteigert. Sie erkrankte infolge dieser Nachstellungen physisch und psychisch und litt unter Herzbeschwerden und Depressionen.
Cornelie Werthan konnte nach der Flucht 1939 in Rotterdam nahe bei ihrem Sohn wohnen. 1940, nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Holland, flohen sie aufs Land außerhalb von Utrecht. Ab Mai 1942 mussten sie den „Judenstern“ tragen und im November 1942 konnten sie mit Hilfe holländischen Familien untertauchen, um der Deportation zu entgehen. Die christliche Familie des Herman van Oeveren versteckte Cornelie Werthan von November 1942 bis Januar 1945 bei sich. Kurt und Elli Oppenheimer wurden bei Freunden des Vermieters versteckt. Über Kontakte zum holländischen Widerstand konnten sie sich illegal mit Lebensmitteln versorgen. Cornelie wohnte in einem kleinen Zimmer, einige Monate in einer Mansarde, die von außen abgeschlossen wurde. Kein einziges Mal konnte sie in dieser Zeit das Zimmer verlassen. Die letzten Monate vor Kriegsende wurde sie bei der Familie Houtmann versteckt, ehemaligen Nachbarn ihres Sohnes.
Im Dezember 1945 bekam Cornelie Werthan eine Einreiseerlaubnis für Schweden. Ihre Tochter Liesel Scheidt hat sie wiedergesehen, als diese sie 1949 in Stockholm besuchte.
1955 wurde Cornelie endlich in Schweden eingebürgert.
Kurt Oppenheimer konnte für seine Mutter im Wiedergutmachungsverfahren erst
Ende der fünfziger Jahre erreichen, dass sie mit etwa 10 000 DM entschädigt
wurde. Damit konnte sie die letzten drei Lebensjahre in einem jüdischen
Altersheim bestreiten. Sie starb am 29. September 1962 in Stockholm an einem Herzleiden.
Die
Stolpersteine wurden von Mona Wikhäll und Bertil Oppenheimer, einem Enkel von
Cornelie Werthan, initiiert und von Tassilo von Einem und Elke Klug finanziert.
Literatur: Oppenheimer,
Bertil, Till Sverige – Historien som aldrig blev berättad,2017 (Nach Schweden -
Die Geschichte, die nie erzählt wurde), Stockholm, 2. Auflage 2016.
Cornelie Werthan, geb. Stadecker | |
Geburtsdatum: |
28.11.1882 |
Flucht: | 1939 Holland, 1945 Schweden |