Sinzheimer, Hugo Daniel, Paula, Gertrud, Hans-Simon, Eva und Ursula Doris

Sinzheimer, Hugo Daniel, Paula, Gertrud, Hans-Simon, Eva und Ursula Doris

Stolperstein-Biographien im Nordend

Sinzheimer, Dr. Hugo Daniel, Paula, Gertrud, Hans-Simon, Eva und Ursula Doris

Hugo Sinzheimer (Porträtzeichnung von Emil Stumpp, 1931).
Hugo Sinzheimer (Porträtzeichnung von Emil Stumpp, 1931). © Wikipedia, Foto: keine Angabe

 

Hugo Daniel Sinzheimer wurde in Worms geboren, Paula Selig stammte aus einer Würzburger Weinhändlerfamilie. Die beiden heirateten 1913 und hatten vier Kinder: Gertrud, Hans Simon, Eva und Ursula Doris. Die Familie wohnte bis 1931 in der Körnerwiese 8, dann in der Voelckerstraße 11.

 

Hugo Daniel Sinzheimer studierte Rechtswissenschaften und Nationalökonomie an verschiedenen Universitäten und wurde 1902 in Heidelberg zum Dr. jur. promoviert. Im Jahr darauf ließ er sich als Rechtsanwalt in Frankfurt am Main nieder und widmete sich vorwiegend politischen und gewerkschaftlichen Mandaten. Sein spezielles Feld war das Arbeitsrecht, er wird als „Vater des deutschen Arbeitsrechts“ bezeichnet. Von 1916 bis 1919 war Hugo Sinzheimer Mitglied der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung für die SPD, im November 1918 wurde er Frankfurter Polizeipräsident.

 

Er wirkte mit an der Weimarer Verfassung und lehrte ab 1920 an der Universität Frankfurt als Honorarprofessor. Die Gründung der Akademie der Arbeit in Frankfurt 1921 geht auf seine Initiative zurück. In den Weimarer Jahren war er zudem Mitherausgeber von Fachzeitschriften, er saß in fachspezifischen Ausschüssen und Gremien.

 

1933 ereilte ihn das Schicksal der Verfolgung als Jude und als Sozialdemokrat: Bald nach der „Machtergreifung“ wurde er in „Schutzhaft“ genommen und saß bis zum 31.3.1933 im Gefängnis. Nach der Entlassung flüchtete er mit seiner Frau über das Saarland nach den Niederlanden, um damit einer zweiten, für April vorgesehenen Verhaftung zu entgehen. Die Kinder folgten ihnen im Sommer, Paula kehrte noch einmal nach Frankfurt zurück und verkaufte das Wohnhaus

 

An der Universität Amsterdam erhielt Hugo Sinzheimer einen außerordentlichen Lehrstuhl für Rechtssoziologie, ab 1936 lehrte er an der Universität Leiden. Währenddessen qualifizierte sich Paula beruf lich als Graphologin. Die Besetzung der Niederlande durch die Nationalsozialisten 1940 schnitt die Sinzheimers vom öffentlichen Leben und Wirken ab.

 

Hugo Sinzheimer wurde für ein Vierteljahr im grenznahen Kleve inhaftiert, die Familie musste untertauchen und wurde von mutigen und tapferen Niederländern vor der Deportation bewahrt.

 

Die älteste Tochter Gertrud war inzwischen mit Hugo Sinzheimers Frankfurter Assistenten Richard Mainzer verheiratet. Ihre Kinder Gabriele und Frank sind in den Niederlanden geboren. Der Sohn Hans Simon verließ die Niederlande 1938 und ging über Belgien und weitere europäische Länder in die USA, um dort ab 1942 in der US-Army Dienst zu tun. Als US-Besatzungssoldat kam er 1945 nach Deutschland und machte sich auf die Spur seiner Familienangehörigen. Er fand seine Schwester Gertrud mit ihren Kindern über das Schweizer Rote Kreuz in einem Auffanglager. Gertrud hatte ihre Kinder in ein Versteck gegeben, aus dem sie, entdeckt, ins niederländische Lager Westerbork gebracht wurden. Gertrud schmuggelte sich selbst in das Lager ein, um ihre Kinder wiederzufinden. Die drei wurden nach Bergen Belsen deportiert, wo sie unter anderem auf Anne Frank trafen. Sie überlebten knapp im sogenannten „Sternlager“. Gertruds Mann Richard Mainzer hatte nach Inhaftierung den Fluchtweg nach Kuba und schließlich in die USA gefunden, in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre war die Familie wiedervereint.

 

Ursula, die ihr Kunststudium hatte aufgeben müssen, tauchte unter und überlebte wie durch ein Wunder dank der Hilfe der holländischen Widerstandsfamilien Thomassen und Kooijman. Nach dem Krieg heiratete sie den Volkshochschuldozenten Libbe Postma.

 

Eva, die in den Niederlanden den Bildhauer Jobs Wertheim geheiratet hatte, wurde mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern nach Theresienstadt deportiert: Sie gehörten zu dem kleinen Kontingent Menschen, das im Rahmen der „Himmler-Musy-Vereinbarung“, Menschenleben gegen Devisen und Waffen, im Februar 1945 in die Schweiz transportiert und dem Internationalen Roten Kreuz in Obhut gegeben wurden.

 

Die Jahre der Bedrohung hatten Hugo Sinzheimers Kräfte geschwächt und seine Gesundheit ruiniert. Vier Monate nach Kriegsende starb er in Bloemendaal-Overveen in den Niederlanden. Paula Sinzheimer war nach Kriegsende als Psychologin in Amsterdam tätig. Sie starb 1960. Gertrud Sinzheimer starb 2010, Hans Sinzheimer  2004, Eva Sinzheimer 1969 und Ursula Sinzheimer 1997.

 

Die Stolpersteine wurden initiiert von Ulrich Stascheit und Hanna Eckhardt. Anwesend waren Frank Mainzer, Gabriele Goldaper, Lonnie Zwerin, Suzy Mainzer, Lex Wertheim, Truus Wertheim, Wolter Postma, Hugo Rachel Postma, Rachel Postma, Boris Postma, Simon Postma. Dinca Wertheimer war krankheitsbedingt nicht bei der Stolperstein-Verlegung anwesend.

 

 

 
Dr. Hugo Daniel Sinzheimer

Geburtsdatum:

 Haft:

 Flucht:

Todesdatum:

12.4.1875

1933 "Schutzhaft"

Holland

16.9.1945


Paula Sinzheimer
, geb. Selig

Geburtsdatum:

Flucht:

20.5.1890

1933 Holland

 
Gertrud Sinzheimer

Geburtsdatum:

Flucht:

Deportation:

13.3.1914

1933 Holland

29.11.1943 Westerbork, 1944 Bergen-Belsen, befreit


Hans-Simon Sinzheimer

Geburtsdatum:

Flucht:

7.12.1915

1933 Holland

 Eva Sinzheimer

Geburtsdatum:

Flucht:

Deportation:

18.8.1918

1933 Holland

29.11.1943 Westerbork, 1944 Theresienstadt, Befreiung: Februar 1945 per Austausch

 


Ursula Doris Sinzheimer
 

Geburtsdatum:

Flucht: 

22.2.1922

1933 Holland

 

 

 

Stolperstein Voelckerstraße 11, Dr. Hugo Daniel Sinzheimer
Stolperstein Voelckerstraße 11, Dr. Hugo Daniel Sinzheimer © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

Stolperstein Voelckerstraße 11, Paula Sinzheimer
Stolperstein Voelckerstraße 11, Paula Sinzheimer © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

Stolperstein Voelckerstraße 11, Gertrud Sinzheimer
Stolperstein Voelckerstraße 11, Gertrud Sinzheimer © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

Stolperstein Voelckerstraße 11, Hans-Simon Sinzheimer
Stolperstein Voelckerstraße 11, Hans-Simon Sinzheimer © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

Stolperstein Voelckerstraße 11, Eva Sinzheimer
Stolperstein Voelckerstraße 11, Eva Sinzheimer © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

Stolperstein Voelckerstraße 11, Ursula Doris Sinzheimer
Stolperstein Voelckerstraße 11, Ursula Doris Sinzheimer © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

 

 

 

 

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