Maas, Karl
Karl Maas wurde als Sohn des jüdischen Kaufmannes Moritz Maas und seiner Ehefrau Johanna, geb. Tuteur, in Winnweiler in der Pfalz geboren. Er studierte Jura in Würzburg und machte 1911 das juristische Staatsexamen in Speyer. 1912 startete er seine berufliche Karriere als Amtsanwalt beim Landgericht Kaiserslautern. Im Ersten Weltkrieg diente er als Unteroffizier der 3. Kompanie des Bayerischen 8. Infanterieregiments. Für seine Dienste erhielt er das Ehrenkreuz für Frontkämpfer. Er geriet in französische Kriegsgefangenschaft und wurde erst 1920 aus dieser entlassen. Im Februar 1920 wurde er Amtsanwalt bei den Gerichten Homburg und Amtsgericht Waldmohr, im Mai 1921 Amtsrichter am Amtsgericht Kaiserslautern und im März 1930 wurde er zum Amtsgerichtsrat befördert.
Im Dezember 1927 heiratete Maas die evangelische Elisabetha „Liesel“ Schäuble, die Tochter eines Bierbrauers aus Kusel in der Westpfalz. Im Mai 1929 wurde die Tochter Johanna „Hanne“ Elisabetha geboren. Karl Maas war ein Anhänger des FV Kaiserslautern (FV 1900), dem Vorgängerverein des 1. FC Kaiserslautern. Ab 1910 nahm er im Verein verschiedene Ämter wahr, er arbeitete als Schriftführer, als kommissarischer Leiter der Fußballabteilung, und er verfasste Berichte für die Vereinszeitung. Auch im Süddeutschen Fußballverband engagierte er sich. Seine Vereinskarriere endete mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten. Uncharakteristisch für den nationalsozialistischen Umgang mit jüdischen Funktionären wurde sein Name aber nicht verschwiegen. So wurde er noch 1939 vom „Kicker“, dem Fußballmagazin, als wichtiger Funktionär aus der Frühphase des 1. FC Kaiserslautern genannt.
Sein drei Jahre jüngerer Bruder Albert Maas war Mannschaftsarzt des FV Kaiserslautern und flüchtete nach dem Berufsverbot 1936 in die USA, wo er sich kurze Zeit später das Leben nahm.
Nach der Machtübergabe an Adolf Hitler 1933 konnte Karl Maas sein Amt als Richter nicht mehr ausüben. Als Frontkämpfer blieb er zwar zunächst von der Entlassung und Versetzung in den Ruhestand nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 verschont, doch seine deutschnationale Gesinnung bewahrte ihn nicht vor der Verfolgung. Bereits am 10. März 1933 wurde er am Betreten des Gerichts gehindert. Zwar wurde er noch 1934 im Adressbuch der Stadt Kaiserslautern als Amtsgerichtsrat geführt, faktisch konnte er dieses Amt nicht mehr ausüben. Am 31. Oktober 1935 wurde er beurlaubt und am 1. Januar 1936 in den Ruhestand versetzt.
1937 zog die Familie Maas nach Frankfurt in eine 4-1/2- Zimmer-Wohnung im ersten Stock der Gaußstraße 41. Nach der Pogromnacht wurde Karl Maas am 12. November 1938 nach Buchenwald verschleppt und dort bis Mitte Dezember 1938 festgehalten. Nach Kriegsbeginn musste er als Zwangsarbeiter zunächst bei der Färberei Röver und später auf verschiedenen städtischen Friedhöfen arbeiten. Die NSDAP-Ortsgruppe Günthersburg zog ihn auch an Sonntagen zu Arbeiten heran. Die Tochter Johanna, die als „Mischlingskind“ galt, durfte die Mittelschule nicht besuchen und musste in der Frankfurter Arzneimittelfabrik GmbH Zwangsarbeit leisten.
Immer wieder waren Karl Maas und seine Familie Schikanen von Gestapo, Ortsgruppenleiter, Ernährungsamt und den Anfeindungen missgünstiger Nachbarn ausgesetzt. Am 4. Oktober 1943 wurde Karl Maas aufgefordert, seine Wohnung sofort zu räumen. Ihm waren 1-1/2 Zimmer zur Untermiete in der Gaußstraße 14 zugewiesen worden. Nur mit Hilfe seiner Frau und Tochter musste er den Umzug innerhalb weniger Stunden vornehmen. Da die Möbel und der Hausrat bei dem hektischen Umzug teilweise unbewacht auf der Straße standen, wurden zahlreiche Sachen gestohlen oder zerstört.
Wenige Wochen später musste die Familie in eine Einzimmerwohnung in der Ostendstraße 14 umziehen. Die Anweisung für den Umzug wurde wieder kurzfristig von der Gestapo erteilt. Nach dem Krieg berichtete Karl Maas: „Auch bei diesem Umzug, der von mir und meiner Familie allein in größter Eile innerhalb ganz kurzer Frist vorgenommen werden musste, ging mir wieder ein großer Teil meines mir damals noch verbliebenen Haushalts teils durch Diebstahl, teils durch Zerstörung zu Verlust. Ich musste mit einem Handkarren meine Habe von der Gaußstraße nach der Ostendstraße verbringen“.
Bei einer Vorladung bei der Gestapo wurde ihm angeboten, „den Verbindungsmann zwischen jüdischer Gemeinde und Gestapo zu machen, d. h. mit anderen Worten, zu helfen die Transporte von Juden zusammenzustellen, die als Opfer zur Vergasung bestimmt waren. Ich habe dieses Ansinnen abgelehnt und dadurch mich den größten Demütigungen insbesondere auch körperlichen Misshandlungen ausgesetzt. Es wurde mir erklärt, dass man mich und `meine Bastarde´ aufgeschrieben habe.“
Bei den Luftangriffen auf Frankfurt im März 1944 wurde auch das Haus Ostendstraße 14 zerstört. Die Familie Maas kam in einem kleinen Zimmer in der Schwanenstraße 20 unter, das ihnen von der befreundeten Familie Ehrenfeld überlassen worden war. Emil Ehrenfeld musste in dem „Judenhaus“ wohnen, hielt sich dort auch tagsüber auf, ging aber am späten Abend immer zurück zu seiner Familie in der Kelsterbacher Straße in Frankfurt- Niederrad.
Am 8. Februar 1945 wurde Karl Maas darüber informiert, dass er „zum geschlossenen Arbeitseinsatz nach außerhalb“ verbracht werden sollte. Der Transport war für den Mittwoch, den 14. Februar 1945 um 14.00 Uhr terminiert. Mit rund 300 weiteren Juden aus sogenannten „Mischehen“ und zusammen mit seinem Freund Emil Ehrenfeld wurde Karl Maas am 14. Februar von der Großmarkthalle aus nach Theresienstadt deportiert. Hier musste er beim Bau von Gaskammern mitarbeiten. Am 10. Mai 1945 wurde Theresienstadt von der Sowjetarmee befreit. Zunächst wurde über das Ghetto eine sechswöchige Quarantäne verhängt. Die 30.000 Überlebenden wurden von Ärzten und Pflegern wieder zu Kräften gebracht. Nach Aufhebung der Quarantäne machten sich Karl Maas und Emil Ehrenfeld zu Fuß auf den Weg Richtung Frankfurt und kamen im Juni 1945 an. Der Familie Maas wurde in der Wolfsgangstraße 41 eine Wohnung zugewiesen.
Im August 1945 wurde Karl Maas zum Amtsgerichtsrat am Amtsgericht Frankfurt, im April 1946 zum Amtsgerichtsdirektor und im September 1949 zum Amtsgerichtspräsidenten ernannt. In den Ruhestand ging er am 1. April 1951. Er starb am 6. März 1955 an den Folgen eines Schlaganfalls. In einem Nachruf nach seinem Tod berichtete die Frankfurter Rundschau 1955: „Auf ihn geht … der eigentliche Aufbau des Frankfurter Amtsgerichts zurück.“
Auch für seine Sportbegeisterung hatte Karl Maas eine neue Heimat bei
der Frankfurter Eintracht gefunden. Er war kompetenter Berater des Vorstands
und wurde zeitweise er sogar als der neue Vorstand gehandelt, was seine Frau
allerdings zu verhindern wusste. Nach dem Tod von Karl Maas trat die Eintracht
Frankfurt bei ihrem ersten Heimspiel geschlossen im Trauerflor an.
In den „Eintracht-Heften“ wurde Karl Maas ein ausführlicher Nachruf
gewidmet, in dem es hieß: „Der Verstorbene war ein Aufrechter, dem die höchste
richterliche Tugend, die Gerechtigkeit, verpflichtendes Gesetz ward. Das
Schicksal hatte ihm eine Zeitlang ein hartes Los zugeteilt. Aber der in sich
geschlossene Mann verhärtete sich nicht. Er blieb sich selbst treu in der edlen
Gesinnung der Selbstüberwindung. Der gerechte und sinnvolle Ausgleich wurde
ihm, dem Geprüften, zum Leitmotiv vernünftigen Handelns. Dieser Vorzug des
Klugen kam auch der Sportgemeinde Eintracht zugute, der sich Karl Maas
angeschlossen hatte, als er in Frankfurt zu wirken begann.“
In Stefanie Zweigs autobiographischen Romanen wird die Erinnerung an Karl Maas wach gehalten: Sie beschreibt ihn als väterlichen Freund des jüdischen Rechtsanwalts Walter Redlich. In „Nirgendwo in Afrika“, der Romanvorlage zum Film „Jenseits von Afrika“, wird Karl Maas in Briefzitaten erwähnt. Und im Roman „Irgendwo in Deutschland“ beschreibt Stefanie Zweig ihn wie folgt: „Amtsgerichtsdirektor Karl Maas war eine Ausnahmeerscheinung, freundlich zu jedem, und argwöhnisch, ohne dass dieses Misstrauen kränkte, vor Menschen, die es für opportun hielten, seine Freundschaft zu rasch zu begehren. Er ließ sich weder auf die Weinerlichkeit einer Zeit ein noch auf die Sucht, allzeit Unschuldsbeweise für die Vergangenheit zu erbringen. Er hatte jene bildhafte Sprache, die als typisch für die Gemütlichkeit und ungekünstelte Lebensart des alten Frankfurt galt.“
Der Stolperstein wurde initiiert von Margarete Druschel. Bei der Verlegung waren anwesend die Tochter Johanna Bergmann, Dreieich, die Enkel Dr. Stephanie Bergmann, Mainz, und Christian Bergmann, Erbach sowie der Historiker und Volkskundler, Roland Paul, Kaiserslautern.
Karl Maas |
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Geburtsdatum: Haft: Deportation: |
13.11.1885 12.11.1938 Buchenwald 14.2.1945 Theresienstadt, befreit |