Becker, Bernhard
Bernhard Becker und sein Zwillingsbruder Ludwig Becker wuchsen ohne Eltern, vorwiegend bei den Großeltern auf. Sie besuchten die katholische Spohrschule. Nach dem Volksschulabschluss im Jahre 1929 absolvierten sie eine Ausbildung als Dekorationsmaler mit abschließender Gesellenprüfung 1932. Wie sein Bruder besuchte Bernhard später die Städelschule, verlor aber zweimal die ihm zunächst zugesagte Freistelle. Bernhard hat sich später wiederholt als Vollwaise bezeichnet und seine bescheidene Schulbildung bedauert. Starke Prägungen erhielten beide Brüder durch ihre Zugehörigkeit zur katholischen Pfarrei St. Bernhard. Hier hatte sich zu Beginn der dreißiger Jahre eine intensive Jugendarbeit entwickelt, die den Idealen der Jugendbewegung und der innerkirchlichen Reformbewegungen verpflichtet war. Die 1933 an die Macht gekommenen Nationalsozialisten zwangen die jungen Menschen immer stärker in die eigenen Jugendorganisationen Hitlerjugend und Jungvolk. Kirchliche Jugendarbeit wurde zunächst mehr und mehr eingeschränkt, dann immer stärkeren Repressionen ausgesetzt und schließlich im Februar 1936 ganz verboten.
Seit 1933 war Bernhard Becker in diese kirchliche Jugendarbeit der Pfarrei St. Bernhard einbezogen, zunächst noch nicht in leitender Funktion. Im Laufe des Jahres 1934 trat er dann immer ausgeprägter auch in Leitungsaufgaben hervor, in denen er versuchte, zum Widerstand zu ermutigen und zu befähigen. Gegen den verstärkten Druck zum Eintritt in die Hitlerjugend setzte er mit seinen Freunden das Motto: „Wenn alle untreu werden, so bleiben wir dir treu“. Sie orientierten sich dabei an dem Schriftwort aus dem Neuen Testament: „Einer ist euer Meister, Christus! Ihr alle aber seid Brüder“. So haben sie an die Wände ihres Freizeitheims in Schlossborn im Taunus geschrieben.
Am 24. Januar 1935 wurde Bernhard Becker zum Pfarrjungscharführer gewählt. Ein Wechsel in der geistlichen Leitung der pfarrlichen Jugendarbeit im Laufe dieses Jahres stürzte ihn aber in eine ganze Reihe von Konflikten. Die neue Leitung war geneigt, sich dem Druck der Nationalsozialisten zu beugen und die Jugendarbeit auf streng religiöse Unterweisung zu beschränken. Becker ermutigte weiterhin die Jugendlichen und ihre Eltern zum Widerstand gegen den Druck, der von HJ und Jungvolk ausging, war aber zunehmend irritiert, weil er von kirchlicher Seite, wie er meinte, nicht ausreichend Rückhalt zu finden schien. Das Wort „Treue“ spielt in den von ihm überlieferten Rundbriefen und Aufrufen eine immer größer werdende Rolle.
Nachdem in den ersten Monaten des Jahres 1936 zahlreiche Persönlichkeiten aus der Katholischen Jugendarbeit verhaftet und diese ganz verboten worden war, klagte Bernhard darüber, dass die „verantwortliche Führung“ der Kirche in dieser Kampfzeit „keine wegweisenden Linien gegeben“ habe. Am 14. September 1936 verließ er enttäuscht die verbandliche Jugendarbeit der Gemeinde und legte alle Ämter nieder. Nun sammelte er um sich einen Kreis gleichgesinnter junger Menschen, die wie er durchaus Kontakt zur Gemeinde hielten, bei denen aber der Wille zum Widerstand gegen die totalitäre Vereinnahmung stärker ausgeprägt war. Bei den Gruppenabenden in seiner Wohnung in der Schwarzburgstraße 50, wo er auch ein kleines Atelier hatte, war er ihr geistiger und geistlicher Führer, an dem sie sich orientierten. Die Organe der Staatsmacht erkannten sehr bald die prägende Kraft, die von ihm auf junge Menschen überging. Es kam zu der Verhaftung der ganzen „Gruppe Becker“ am 27. November 1937 durch die Gestapo-Männer Rudolf Thorn und Oswald Müller, die damals bei der Geheimen Staatspolizei Frankfurt für katholische Kirchenangelegenheiten zuständig waren. Die Beschuldigung lautete, ein kommunistischer Agent zu sein.
Am Dienstag, dem 14. Dezember, wurde Bernhard Becker erhängt in seiner Zelle im Gefängnis in der Hammelgasse gefunden. Mithäftlinge aus seiner Gruppe berichteten von vielstündigen Verhören mit permanenten Faustschlägen, Ohrfeigen und Fußtritten. „Der Gerhard hat zuletzt kaum noch etwas sehen und hören können, so war er zugerichtet“. Selbst einer der bei der Festnahme mitwirkenden Gestapo-Leute sagte später aus: „Es gibt keinen Zweifel, dass Becker infolge der schweren Misshandlungen durch Reinke, Thorn und Müller in den Tod getrieben worden ist.“
Der Zwillingsbruder Bernhards, Ludwig Becker, der nach dem Krieg die neuen Glasfenster für die Pfarrkirche St. Bernhard gestaltet hat, berichtet von einem Vermächtnis Bernhards, einer Notiz, die sein Bruder auf die ersten leeren Seiten eines Buches aus der Gefängnisbücherei geschrieben habe. Darin verzeiht er zwar seinen Peinigern, bezeichnet sie aber zugleich als Schande für das Evangelium und bittet um ein kirchliches Begräbnis sowie den Segen seiner Kirche. Bernhard glaubte, so war Ludwig überzeugt, er könne mit seinem Tod und seinem ewigen Schweigen den mit ihm inhaftierten Mitgliedern seiner Gruppe zur Freiheit verhelfen.
Pfarrer Alois Eckert, der selbst von Februar bis Mai 1937 in Strafhaft gewesen war, weil er sich geweigert hatte, die Kirche zum „Tag der Bewegung“ am 9. November 1935 zu beflaggen, hat Bernhard Becker am 21. Dezember kirchlich bestattet. An der Feier nahmen etwa 1.000 Menschen teil. Sein Bruder Ludwig hat den Begräbniszug Bernhards auf einem Aquarell festgehalten.
Bernhard Becker | |
Geburtsdatum: Deportation: Todesdatum: |
07.12.1914 27.11.1937 Gestapohaft 14.12.1937 |
Quelle
Ansprache von Pfarrer Raimund Falk, Pfarrei St. Bernhard, bei der Verlegung des Stolpersteines vor dem Haus Schwarzburgstraße 50 am 15. Oktober 2004.