Ries, Alice und Bella

Ries, Alice und Bella

Stolperstein-Biographien im Ostend

Ries, Alice und Bella

Bella Ries wurde in Frankfurt am Main geboren und war seit September 1897 mit dem Kaufmann Max Ries verheiratet. Ihre Tochter Alice Ries wurde ebenfalls in Frankfurt geboren. Bella Ries war Eigentümerin der Liegenschaft Günthersburgallee 42. Das Grundstück musste verfolgungsbedingt verkauft werden. Der Ehemann starb 1932.

 

Während die beiden älteren Brüder Ludwig und Felix nach der Schulausbildung in der Firma des Vaters mitarbeiteten und 1922 Teilhaber wurden, absolvierte Alice nach der Schule eine Ausbildung zur Sprachlehrerin. In ihrem Testament berücksichtigten die Eltern, dass die Söhne in die Firma aufgenommen wurden. So ließ der Vater 1923 vermerken: „Ludwig und Felix sind 1922 in mein Geschäft eingetreten, sie sind Teilhaber. Daraus erwächst ihnen eine gewisse Bevorzugung gegenüber meiner minderjährigen Tochter Alice und ich fühle mich als Vater verpflichtet, da ich nach Kräften meine Kinder an dem Nachlass in gleicher Weise beteiligt wissen will, diese Bevorzugung meiner Tochter Alice gegenüber wieder auszugleichen. .... Meine Tochter Alice erhält als Vorausvermächtnis das Hausgrundstück Günterhsburgallee.“

 

1928 wurde Alice Ries Mitglied von Eintracht Frankfurt. Otto Abel, der „Macher“ der Tennisabteilung, warb die junge Frau, die fortan am Riederwald Tennis spielte. Wie lange Alice Ries bei der Eintracht Mitglied blieb, ist nicht bekannt, auch ein Foto von ihr ist nicht erhalten geblieben.

 

Nach dem Tod von Max Ries führten die Söhne das Unternehmen in Offenbach. Doch die Machtübernahme der Nationalsozialisten erschütterte die Familie gewaltig. Die Umsätze gingen zurück, 1937 wurde die Firma aufgelöst. Die Söhne emigrierten nach Amerika, während Mutter Bella Ries mit der Tochter Alice in Deutschland blieb, Alice lebte bis 1939 zeitweise auch in Mannheim. 1938 sollte Bella Ries Sicherheiten in Form einer Reichsfluchtsteuer hinterlegen. Seit 1934 konnten die Devisenstellen der Finanzämter beim Verdacht der Ausreise eine Sicherheitsleistung in Höhe der geschätzten Reichsfluchtsteuer fordern. In einem Brief an das Finanzamt schrieb Bella Ries am 14. März 1938: „In der Reichsfluchtsteuersache bringe ich zur Kenntnis, dass ich im Alter von 65 Jahren stehe und keinerlei Absichten habe Deutschland zu verlassen. Mein Vermögen, das u.a. aus zwei rentablen Grundstücken besteht, liegt in Deutschland fest, und schon aus diesem Grunde heraus ist eine Verlagerung unmöglich. Ich übersende als Anlage meinen Reisepass der bis zum 24.Oktober 1938 Gültigkeit hat und bitte denselben zu den Akten zu nehmen. Ich glaube zur Genüge dokumentiert zu haben, daß eine Auswanderungsabsicht meinerseits nicht besteht, und ich erachte mich deshalb nicht für verpflichtet, die geforderte Sicherheit zu hinterlegen. Bella Ries.“

 

Noch 1938 wurde Bella Ries gezwungen, die Liegenschaft in der Günthersburgallee zu verkaufen, die einst als Erbe für Tochter Alice gedacht war. Nach zwangsweiser Entrichtung der „Judenvermögensabgabe“, Reichsfluchtsteuer und eines außerordentlichen Betrags an die jüdische Gemeinde blieben nicht mal mehr 40.000 RM als Ertrag. Auch das Haus im Sandweg musste sie verkaufen.

 

Am 15. September 1939 wurde Alice Ries in die Landesheilanstalt Eichberg eingewiesen. In der Stellungnahme zur Aufnahme gab die Frankfurter Polizeistelle auf die Frage „Durch welche Tatsachen hat sich die Geistesstörung kund gegeben?" an: „Ist immer sehr erregt gewesen und hat alles verkehrt gemacht." Die Landesheilanstalt diagnostizierte bei Alice Ries „manisch depressives Irresein". Eine weitere Einschätzung der Krankheit von Alice Ries findet sich nicht, sie wird lediglich als „geisteskrank“ bezeichnet. Die Konsequenzen der nationalsozialistischen Rassenhygiene reichten für die Betroffenen von Zwangssterilisation bis zur „Vernichtung lebensunwerten Lebens“. Bei Alice Ries wurde eine in Erwägung gezogene Unfruchtbarmachung vom Amtsarzt am 30. September 1939 verworfen, da „keine besonders große Fortpflanzungsgefahr" bestünde. Am 31. Oktober 1939 wurde sie beurlaubt und kehrte zu ihrer Mutter in den Sandweg zurück. Im November 1939 wurde sie im Rothschild'schen Hospital erneut behandelt, wo sie einen Suizid-Versuch unternahm. In den folgenden Jahren wurde Alice immer wieder stationär behandelt, auch ihre Mutter erhielt einen gerichtlich bestellten Gebrechlichkeitspfleger. Der Anwalt Robert Rosenburg kümmerte sich als „Konsulent“ um die wenigen verbliebenen Guthaben von Mutter und Tochter und sorgte für beide, so gut er konnte. Doch auch Robert Rosenburg wurde von den Nationalsozialisten verfolgt und musste sein Amt aufgeben. Am 3. Oktober 1941 informierte er die Devisenstelle darüber, dass „ich auf Grund behördlicher Anordnungen meine Kanzlei und mein Haus kurzfristig räumen musste. Da ich noch keine neue Unterkunft habe, sind die Akten noch im Möbelwagen verpackt.“ Nur zwei Wochen später wurde Robert Rosenburg nach Lodz deportiert, wo er 1943 ums Leben kam.

 

In Frankfurt wurde Benjamin Rosen als Nachfolger von Robert Rosenburg bestellt, er kümmerte sich in den folgenden Monaten um Bella und Alice. Am 8. Juli 1941 wurde Bella Ries angeblich wegen Arteriosklerose in die Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn eingeliefert. In der „Jacoby`schen Anstalt“, so war in einem Runderlass des Innenministeriums vom 12. Dezember 1940 bestimmt worden, wurden nur noch „geisteskranke Juden“ aufgenommen, da ein „Zusammenwohnen Deutscher mit Juden auf die Dauer nicht tragbar“ sei. Tatsächlich diente die Konzentration der Patienten an einem Ort der Vorbereitung der geplanten Deportationen. Von Bendorf-Sayn veranlasste Bella Ries noch, dass ihre Cousine Berta Baer, die vollkommen mittellos in der Myliusstraße 44 in Frankfurt lebte, von ihr monatlich 5,00 RM überwiesen bekam.

 

Auch Alice Ries wurde nach Bendorf verbracht, das genaue Datum und eine Begründung sind aus den vorliegenden Akten nicht ersichtlich. Gemeinsam mit ihrer Mutter Bella und sieben weiteren Patienten wurde sie am 15. Juni 1942 deportiert. Insgesamt wurden zwischen März und November 1942 in fünf Transporten 573 Personen aus der Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn in die Vernichtungslager gebracht. Alice und Bella überlebten die Deportation nicht, ihre Todesdaten sind nicht bekannt.

 

Die Stolpersteine wurden initiiert von Eintracht Frankfurt.

Alice Ries 

Geburtsdatum:

Deportation:

Todesdatum:

08.10.1913

15.06.1942 Region Lublin (Sobibor/Izbica)

unbekannt

Bella Ries, geb. Hirsch 

Geburtsdatum:

Deportation:

Todesdatum:

11.07.1873

08.07.1941 Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn, 15.6.1942 Minsk, Izbica

unbekannt

 
 

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Stolperstein Sandweg 14 Alice Ries © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

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Stolperstein Sandweg 14 Bella Ries © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main



 

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