Berlinger, Christine

Berlinger, Christine

Stolperstein-Biographien im Ostend

Berlinger, Christine

Christine Berlinger wurde in Frankfurt geboren. Die Eltern Wendelin (Jg.1896) und Maria Berlinger, geb. Werthmann (Jg.1905) hatten im Juni 1930 in Eltville geheiratet und waren gläubige Katholiken. Der Vater war Kriegsteilnehmer 1914 bis 1918 und hatte nach seiner Meisterprüfung zum KfZ-Mechaniker im Fuhrpark der jüdischen Kaufmannsfamilie Fröhling (Lebensmittelfilialen) gearbeitet. Als die Familie Fröhling 1933 aus Deutschland flüchtete, bot sie der Familie Berlinger (Ehefrau geb. Werthmann) das Haus mit vier Etagen und Mansarde in der Ostendstraße zum Kauf an. Das Gründerzeithaus in der Nähe der Großmarkthalle hatte eine Seiteneinfahrt zum Hinterhaus, das nur aus einem Parterre bestand. Dort war die KfZ-Werkstatt „Berlinger & Schmidt“ untergebracht. Die Familie Berlinger wohnte im Vorderhaus. 

 

1934 wurde die Tochter Helga, 1937 der Sohn Gerd, 1938 Christine (Christel) und 1940 Ilse geboren. Die Mutter von Christine hatte sich wahrscheinlich 1938 während ihrer Schwangerschaft infiziert, denn sie litt während dieser Zeit ständig unter Durchfall. Christine kam kerngesund zur Welt, konnte aber später nicht sprechen und war sehr unruhig.

 

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges bereitete der Vater die Evakuierung der Familie vor. Er mietete ein Bauernhaus in Mauloff im Taunus. Die Betreuung der vier Kinder bei laufendem Betrieb der Werkstatt, die Behinderung von Christel, das ständige Pendeln zwischen Mauloff und dem Frankfurter Ostend belasteten die Eltern zusehends. Der Vater arbeitete in der Firma, die Mutter kümmerte sich um die Kinder und erledigte die Büroarbeiten. Ende März 1943 entschieden sich die Eltern schweren Herzens, die Tochter Christine in die Kinderabteilung der Heil- und Pflegeanstalt auf dem Eichberg zu geben. Der Großvater mütterlicherseits war dort bis Ende der 1920er Jahre Oberpfleger gewesen und hatte ganz in der Nähe der Anstalt im Geisgarten hinter dem Kloster Eberbach gewohnt. Er konnte zu Fuß auf den Eichberg zur Anstalt laufen. Die Familie kannte also das Haus aus dieser Zeit.

 

Anfang April 1943 wurden die Eltern telefonisch über den Tod ihrer Tochter informiert. In der Anstalt war dem Mädchen die Hirnschale geöffnet und Teile des Gehirns an die Universität Heidelberg geschickt worden. Am 12. April 1943 nahmen die Eltern an der Beerdigung ihrer Tochter Christine auf dem Eichberg teil. Die Gräber dort wurden in den 1970er Jahren eingeebnet.

 

Der Vater kam 1947 aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Das Haus in der Ostendstraße war „nur“ durch eine Brandbombe beschädigt, wurde aber von der Stadt als baufällig erklärt und musste abgerissen werden. Nur das Kellergewölbe blieb erhalten. Der Vater stockte das Hinterhaus auf, dort wohnte dann die Familie. Auf dem Kellergewölbe richtete er eine Verkaufsfläche für in der DDR produzierte Framos-Lieferwagen ein. Die gegenseitigen Vorwürfe der Eltern wegen des Todes von Christine belasteten die Familie sehr.

 

Der Stolperstein wurde initiiert von Ilse Heene, der Schwester von Christine Berlinger, und finanziert vom Frauenteam des FC Gudesding Frankfurt. Ilse Heene war mit ihrem Ehemann, ihrer Nichte und ihrem Neffen bei der Verlegung anwesend.

 

 

Christine Berlinger
Christine Berlinger © privat / Ilse Heene

 

 

 

Christine Berlinger 
Geburtsdatum:   20.8.1938 
Einweisung:    26.3.1943 Eichberg 
Todesdatum:    7.4.1943 

 

 

 

Stolperstein Ostendstraße 63-65, Berlinger, Christine
Stolperstein Ostendstraße 63-65, Berlinger, Christine © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

 

 

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