Raaf, Cornelis van der

Raaf, Cornelis van der

Stolperstein-Biographien in der Innenstadt

Raaf, Cornelis van der

 

Cornelis Johannes van der Raaf wurde in Schiedam bei Rotterdam als dritter Sohn von Johannes van der Raaf und Clara Janson geboren. Die Familie hatte 13 Kinder. Der Vater war Sozialist, die Mutter katholisch. Er lernte „Zuckerbäcker“ (Konditor) und arbeitete in Schiedam bei „Toffee Caramellfabrik Staal“.

 

Er studierte mit Zeugen Jehovas die Bibel und konvertierte 1941. Mit seinem jüngeren Bruder druckte und verteilte er im Untergrund Traktate der seit Mai 1940 in den Niederlanden verbotenen Zeugen Jehovas.

 

Von den deutschen Besatzern wurde er wie alle Niederländer zwischen 18 und 45 Jahren zum Arbeitseinsatz nach Deutschland gezwungen. Im Dezember 1942 kam er mit seinem Bruder Gradus in einem Zug voller Zwangsarbeiter bis Köln. Er sollte nach Hessen-Nassau in eine Rüstungsfabrik gebracht werden. Bei einem Bombenangriff fuhr er noch bis Frankfurt weiter, kam mitten in der Nacht an und konnte sich relativ einfach von der Gruppe absetzen. Sein künftiger Schwager Daniël Hamerslag, der bereits als Zwangsarbeiter in Frankfurt war, hatte von seiner Verlobten von der Ankunft erfahren und holte ihn ab. Sie konnten unbehelligt den überfüllten Hauptbahnhof verlassen.

 

Daniël Hamerslag half ihm auch, einen Arbeitsplatz zu finden, der nichts mit der Rüstungsindustrie zu tun hatte. Dies war für Cornelis wichtig, da er als Zeuge Jehovas keinerlei Anteil am Krieg haben wollte. Er fand Arbeit als Bühnenarbeiter und Kulissenschieber an der Frankfurter Oper.

 

Er lebte bis zum 24. Juni 1943 im Lager Schloßstraße 125, danach direkt im Kulissenhaus der Oper am Opernplatz 14.

 

Im Juni 1943 konnte Cornelis Johannes van der Raaf zu seiner Verlobten Helena Hamerslag nach Rotterdam fahren, deren Mutter bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen war. Nach der Heirat am 2. Juni musste er wieder allein nach Frankfurt zurückkehren. Im Oktober 1943 war er erneut kurz in der Heimat. Er versuchte, sich bei seinem Bruder Jo in Schiedam zu verstecken. Es gab jedoch keinen Platz, da sein Bruder bereits neun Juden versteckt hatte.

 

Zurück in Frankfurt wurde er am 23. November 1943 von der Gestapo direkt in der Oper verhaftet. Mit seinem Schwager Daniël Hamerslag wurde er in das Frankfurter Polizeigefängnis eingeliefert. Dort erkrankte Cornelis an einer Nerveninfektion.

 

Gemeinsam mit seinem Schwager wurde er am 16. Dezember 1943 nach München transportiert und am 6. Januar 1944 ins Gefängnis München-Stadelheim eingewiesen. Am 23. Februar 1944 verlegte man ihn ins Gerichtsgefängnis nach Aichach, wo er bis 3. Juli in Polizeihaft und ab da in Schutzhaft war. Sein Bruder Gradus war mittlerweile nach Riga deportiert worden, nachdem er die Arbeit in der Rüstungsindustrie aus Gewissensgründen verweigert hatte.

 

Cornelis van der Raaf wurde vom Volksgerichtshof am 29. August 1944 wegen Wehrkraftzersetzung und Hochverrat angeklagt. Mit angeklagt waren fünf weitere Zeugen Jehovas, darunter Daniël Hamerslag und Eva Duchmann aus Mainz, die zum Tode verurteilt und am 13. Oktober 1944 hingerichtet wurde. Drei Mitangeklagte wurden zu sieben Jahren Zuchthaus, Daniël Hamerslag zu zwei Jahren Haft verurteilt. Er selbst wurde zu seiner Überraschung aus Mangel an Beweisen freigesprochen, da man in seinem Zimmer in der Frankfurter Oper keine Literatur von Jehovas Zeugen gefunden hatte.

 

Cornelis van der Raaf wurde noch bis 30. August 1944 im Gefängnis Berlin-Moabit festgehalten und anschließend der Gestapoleitstelle überstellt. Er blieb bis zum 8. Januar 1945 im Sammellager Große Hamburger Straße 26 in Berlin in Gewahrsam.

 

An diesem Tag wurde ihm befohlen, sich bei der Staatspolizei München zu melden, wohin er gleich am nächsten abreisen musste. Am 10. Januar meldete er sich dort und erhielt die Anweisung, sich sofort beim Arbeitsamt zu melden. Um nicht zur Arbeit in einem Rüstungsbetrieb gezwungen zu werden, suchte er sich umgehend selbst eine Arbeitsstelle, die er – gleich mit einem Schlafplatz – bei einem Metzger fand. Nun konnte er sich beim Arbeitsamt und bei der Meldebehörde registrieren lassen. Sein Chef behandelte ihn sehr gut.

 

Nach Kriegsende kehrte er in seine Heimat zurück. Bereits am 9. Mai 1945 wurde er von der Repatriierungsbehörde in Rotterdam registriert. Er lebte bei Rotterdam und bekam vier Kinder. Er starb am 22. Februar 2003.

 

Die Stolpersteine wurden von den Zeugen Jehovas Günter und Erika Krämer/Frankfurt initiiert und von Herman Galindez aus Exton, Pennsylvania/USA finanziert.

 

Cornelis van der Raaf, Passfoto1963
Cornelis van der Raaf, Passfoto1963 © privat - Jehovas Zeugen, Archiv

 

Cornelis van der Raaf 
Geburtsdatum:
8.10.1917 
Verfolgungsgeschichte:
Zwangsarbeit Dezember 1942 bis 23.11.1943 Oper Frankfurt, bis 24.6.1943 Lager „Schloßstraße, 24.6.1943 bis 23.11.1943 Opernplatz 14, Haft: 23.11.1943 Polizeigefängnis Frankfurt, 16.12.1943 Gestapoleitstelle München, 6.1.1944 Gefängnis München-Stadelheim, 23.2.1944 Gefängnis Aichach, 22.8.1944 Gefängnis Berlin-Moabit, 29.8.1944 Volksgerichtshof, 30.8.1944 Lager Große Hamburger Straße 26, Berlin, 9.1.1945 Gestapo München, 11.1.1945 Zwangsarbeit bei Metzger 
Befreit:
30.4.1945 

 

Stolperstein Opernplatz 14, Cornelis van der Raaf
Stolperstein Opernplatz 14, Cornelis van der Raaf © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

 

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