Meyer, Friedrich und Margarete

Meyer, Friedrich und Margarete

Stolperstein-Biographien in der Innenstadt

Meyer, Friedrich und Margarete

 

Georg Friedrich Meyer wurde in Vorderbreitenthann, heute Feuchtwangen, geboren. Nach dem Besuch der Volksschule von 1893 bis 1901 war er bis 1907 als Knecht in der Landwirtschaft tätig. Bis 1909 schloss sich seine Militärzeit an. Anschließend zog er nach Frankfurt am Main und arbeitete bei verschiedenen Firmen. Im Jahr 1911 trat er in den Postdienst ein und heiratete am 26. Oktober 1911 die gebürtige Frankfurterin und Schneiderin Luise Margarethe Rau.

 

Die Familie Rau wohnte in der Predigerstraße 2, der Vater war Schuhmacher, beide Eltern waren evangelisch. Luise Margarethe Rau hatte noch zwei Schwestern und einen Bruder. Da sie an der „Englischen Krankheit“ (Rachitis) litt, war sie nur 1,45 m groß und fühlte sich „als Krüppel“ und minderwertig. Von 1895 bis 1903 besuchte sie die Volksschule. Nach dem Schulabschluss lernte sie Schneiderin und arbeitete bis zu ihrer Heirat in verschiedenen Geschäften.

 

Das Ehepaar Meyer bekam zwei Kinder: ein 1912 geborenes Mädchen starb im Alter von acht Wochen, ihr zweites Kind kam 1913 per Kaiserschnitt tot zur Welt.

 

Den Ersten Weltkrieg machte Friedrich Meyer „von 1914 bis Ende“ mit. Nach Kriegsende kam er wieder zur Reichspost und wurde 1920 als Postschaffner in das Beamtenverhältnis übernommen. Bereits in diesem Jahr wohnte das Ehepaar in der Stoltzestraße 20. Durch Plakate wurde er auf die Vorträge der Bibelforscher aufmerksam. Beide besuchten diese Vorträge und traten schließlich gemeinsam aus der evangelischen Kirche aus. Friedrich ließ sich 1922 als Bibelforscher taufen. Zusammen besuchten sie die Gottesdienste; er missionierte auch. Margarethe konnte sich aufgrund ihrer schwachen Gesundheit nicht so aktiv beteiligen.

 

1933 wurden die Bibelforscher, die mittlerweile Jehovas Zeugen hießen, durch die Nationalsozialisten verboten. Im September wurde Friedrich Meyer von der Reichspostverwaltung auf Grund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums zwangsweise pensioniert. Trotz des Verbots führten Jehovas Zeugen seit Herbst 1934 in kleinen Gruppen ihre Gottesdienste abwechselnd in Privatwohnungen durch. Im Sommer 1935 und 1936 half Friedrich seinen betagten Eltern in ihrer Landwirtschaft. Weil er als Bibelforscher keine neue Stelle fand, konnte er mehrere Monate abwesend sein.

 

Sobald er zurück in Frankfurt war, beteiligten sich beide am Untergrundwerk. Mindestens zwei Kuriere brachten Bibelliteratur. Friedrich versorgte damit die Versammlungen (Gemeinden) in Frankfurt, Offenbach und Dreieichenhain. Margarethe gewährte den Kurieren Unterkunft und Verpflegung. Auch an geheimen Treffen der Bibelforscher zur Planung ihrer weiteren Aktivitäten nahm sie teil.

 

Friedrich Meyer organisierte die Verbreitung der „Luzerner Resolution“, ein Protestbrief gegen das Verbot der Zeugen Jehovas und gegen die Misshandlungen in den KZs, die erstmals am 12. Dezember 1936 reichsweit verteilt und am 20. Februar 1937 wiederholt wurde. Obwohl nicht direkt daran beteiligt, half Margarethe bei den Vorbereitungen.

 

Friedrich Meyer taufte am 28. Februar 1937 in der Wohnung von Katharina Schmid in der Paul-Ehrlich-Straße 40 fünf Frauen und Männer, die sich dadurch als Zeugen Jehovas bekannten. In diesen Tagen wurden Hausdurchsuchungen bei dem Ehepaar Meyer durchgeführt, aber es wurde nichts Verdächtiges gefunden. Am 1. März 1937 wurde das Ehepaar Meyer in ihrer Wohnung verhaftet. Beide wurden in das Polizeigefängnis in der Klapperfeldstraße gebracht. Friedrich Meyer wurde das Sparkassenbuch abgenommen. In den folgenden Tagen wurden sie immer wieder verhört. Besonders die nächtlichen Verhöre waren für Margarethe sehr belastend. In ihrer Zelle wurde ein Revolver auf den Tisch gelegt. Dies machte ihr so viel Angst, dass sie sich immer in der äußersten Ecke der Zelle aufhielt. Als beide nach Darmstadt zum Verhör gebracht wurden, bewachte sie ein scharfer bösartiger Hund.

 

Am 11. März 1937 erging gegen das Ehepaar Haftbefehl. Beide kamen nach Frankfurt-Preungesheim ins Gefängnis. Am 22. März wurde Friedrich Meyer angeklagt, weil er sich trotz Verbots mit seinen Glaubensbrüdern traf, gemeinsam Gottesdienste durchführte, an andere Zeugen Jehovas Bibelliteratur weitergab und sich an der Verbreitung der „Resolution“ beteiligte. Margarethe Meyer, obwohl nicht als Bibelforscherin getauft, wurde zur Last gelegt, sich „aktiv als Bibelforscherin betätigt“, an den Gottesdiensten teilgenommen, Unterkunft und Verpflegung für die Kuriere der Bibelliteratur gewährt und sich an der Verbreitung der „Resolution“ beteiligt zu haben. Das Sondergericht verurteilte Friedrich Meyer am 7. Juni 1937 mit sechs weiteren Bibelforschern zu zwei Jahren und sechs Monaten Gefängnis.

 

Die Verhandlung vor dem Sondergericht gegen Margarethe Meyer fand am 30. Juni 1937 statt. Da sie alles abstritt, wurde sie mangels Beweise frei gesprochen.

 

Friedrich Meyer blieb nach seiner Verurteilung im Gefängnis Frankfurt-Preungesheim. Sein ehemaliger Arbeitgeber eröffnete ein Dienststrafverfahren gegen ihn. Er verlor seine schon gekürzte Pension völlig. Am 31. August 1939 endete seine Gefängnisstrafe. Noch am selben Tag wurde er in „Schutzhaft“ genommen und am 17. Oktober 1939 ins KZ Buchenwald überstellt, wo er die Häftlingsnummern 10542 und 3160 erhielt. Er kam in Block 44 und arbeitete im Arbeitskommando „SS-Unterkünfte“. Nach eineinhalb Jahren kam er ins KZ Wewelsburg, wurde ab dem 8. März dort registriert und bekam die Häftlingsnummer 155.

 

Am 6. April 1943 wurde er ins KZ Ravensbrück gebracht. Dort erhielt er wieder eine neue Häftlingsnummer 3603 und arbeitete als Maurer. Am 26. April 1945 wurde er auf einen Todesmarsch geschickt. Nach der Befreiung des Lagers am 30. April 1945 kehrte er nach Ravensbrück zurück und wartete bis zum 3. Juni 1945 auf seine Entlassungsdokumente. Danach konnte er sich auf den Heimweg begeben. Noch im Juni 1945 kehrte er nach Frankfurt zurück. Bereits zum 1. Juli 1945 wurde er bei seinem ehemaligen Arbeitgeber, der Post, wieder eingestellt.

 

Margarethe Meyer war nach ihrem Freispruch vom Sondergericht Frankfurt am 30. Juni 1937 der Polizei übergeben und ins Polizeigefängnis gebracht worden. Dort wurde sie drei Monate festgehalten und „täglichen Verhören unterzogen, bei denen der Revolver auf dem Tisch nicht fehlte“. Sie brach nervlich zusammen, bekam immer wieder Weinkrämpfe und wurde Ende September 1937 als haftunfähig entlassen.

 

Margarethe Meyer kehrte in ihre Wohnung zurück und wurde nun von den Hausbewohnern gemieden. Sie wusste nichts über den Verbleib ihres Mannes, sie befürchtete, erneut abgeholt zu werden. Nach einem schweren Nervenzusammenbruch wurde sie in die Heilanstalt nach Frankfurt-Niederrad gebracht. Dort blieb sie vom 14. März bis zum 5. April 1938 und wurde dann in die Heilanstalt Weilmünster überwiesen. Von dort wurde sie am 16. Juni 1939 in ein Altersheim in Usingen verlegt. Vom 13. Juni 1940 bis zum 30. Juni 1942 war sie erneut in der Heilanstalt Weilmünster. Anschließend brachte man sie nach Hadamar, wo sie einer Gemeindeschwester den Haushalt führte. Doch ging es ihr so schlecht, dass sie arbeitsunfähig wurde.

 

Am 4. November 1942 kam sie stationär in die Landesheilanstalt Hadamar. Dort erlebte sie hautnah, wie „so viele Leute gestorben seien, die vorher Spritzen bekommen hätten.“ Jeden Tag sah sie, wie Särge aus der Anstalt herausgetragen wurden. Sie bemerkte, dass einmal jemand auf der Treppe, ein anderes Mal jemand in der Badewanne verstorben ist. Der Direktor der Anstalt gab später Friedrich Meyer gegenüber zu, dass Margarethe Meyer eigentlich nach Hadamar gebracht worden sei, um „liquidiert zu werden“. Er selbst habe sich für sie eingesetzt und sie so vor dem sicheren Tod gerettet.

 

Friedrich Meyer holte am 2. August 1945 seine Frau nach Hause. Margarethe Meyer war sehr nervös, schreckhaft und litt unter Schlafstörungen. Nachts schrie sie oft im Schlaf, träumte immer wieder von der Gestapo, von Verhören und Revolvern.

 

Friedrich Meyer konnte bis 1952 seiner Arbeit als Postsekretär nachgehen. Allerdings war seine Frau kaum noch in der Lage, den Haushalt zu führen. Sie litt unter Ängsten, sowie Herz- und Rückenschmerzen. Oft glaubte sie, dass sie sterben müsse. Eine Begutachtung bescheinigte ihr, ein empfindsamer, gefühlswarmer Mensch zu sein. Aber eine Wiedergutmachung wegen ihres langen Aufenthalts in Heilanstalten stehe ihr nicht zu.

 

Margarethe Meyer verstarb am 2. Januar 1965. Friedrich Meyer zog am 16. Oktober 1968 nach Heidenheim/Brenz in die Waldstraße 51. Dort verstarb er noch im gleichen Jahr.

 

Die Stolpersteine wurden von den Zeugen Jehovas Günter und Erika Krämer/Frankfurt initiiert und von Herman Galindez aus Exton, Pennsylvanien/USA finanziert.

 

Friedrich Meyer,1950er Jahre
Friedrich Meyer,1950er Jahre © Jehovas Zeugen, Archiv

Margarethe Meyer, Verfolgtenausweis ca. 1945
Margarethe Meyer, Verfolgtenausweis ca. 1945 © Jehovas Zeugen, Archiv

 

Margarethe Meyer, geb. Rau 
Geburtsdatum:
6.9.1888 
Haft:
1.3.1937 Frankfurt, 14.3.1938 Heilanstalt Frankfurt-Niederrad, 5.4.1938 Heilanstalt Weilmünster, 16.6.1939 Altersheim Usingen, 3.6.1940 Heilanstalt Weilmünster, 1.7.1942 Hadamar bei Gemeindeschwester, 4.11.1942 Heilanstalt Hadamar 
Befreiung:
2.8.1945 

 

Friedrich Meyer 
Geburtsdatum:  27.3.1887 
Haft:  1.3.1937 Frankfurt, 17.10.1939 Buchenwald, 8.3.1941 Wewelsburg, 6.4.1943 Ravensbrück 
Befreiung:  30.4.1945 

 

 

Stolperstein Stoltzestr. 20, Margarete Meyer
Stolperstein Stoltzestr. 20, Margarete Meyer © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

Stolperstein Stoltzestr. 20, Friedrich Meyer
Stolperstein Stoltzestr. 20, Friedrich Meyer © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

 

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