Wahl, Otto
Otto Wahl wurde als Sohn des Konrektors Eduard Wahl (1859-1939) und von Ludovika, genannt Lilli Wahl (1879-1954), geb. Strohecker, geboren. Er hatte zwei ältere Brüder: Rudolf Wahl (1900-1971) und Eduard Wahl (1903-1985). Die Familie wohnte in der Stegstraße 53 in Frankfurt-Sachsenhausen.
Rudolf und Eduard Wahl verließen wegen ihrer Ausbildung das Elternhaus Anfang der 1920er Jahre. Rudolf Wahl wurde später katholischer Geistlicher im Rheingau, Eduard Wahl Professor für Zivilrecht in Heidelberg und für die CDU-Mitglied des Bundestags.
Otto Wahl galt als lebensfrohes und gutmütiges Kind, neigte aber zu Stürzen. Er besuchte die Oberrealschule in Frankfurt-Sachsenhausen und erlangte die Mittlere Reife. Eine Lehre als Kaufmann begann er in einer Apotheke (Drogerie) und schloss sie in einer Weinhandlung erfolgreich ab. Dort blieb er, bis man ihn 1930 wegen Arbeitsmangel entließ.
Er litt an Katatonie, eine als „einfache seelische Störung“ bewertete Form von Schizophrenie, die sich bei ihm vor allem durch Erregung, inkohärenten Rededrang, einförmige motorische Unruhe und gelegentliche Starre äußerte. Die Diagnose stellte die Psychiatrische Universitätsklinik Frankfurt, wo er ab September 1931 bis März 1932 erstmals untergebracht war. Zuvor waren auch Epilepsie („Fallsucht“) sowie psychische Behinderungen diagnostiziert worden. Von der Universitätsklinik kam er in die Heil- und Pflegeanstalt Eichberg. Dort wurde er als katholischer Kaufmann geführt. Von dort wurde er im August 1932 als gebessert nach Hause entlassen, musste aber ab 7. Februar 1935 wieder dort untergebracht werden.
In dem bis Januar 1940 dort geführten „Pfleger-Rapport“ auf dem Eichberg heißt es über seinen Zustand, er sei „unruhig“, „isst nicht“ oder „macht Unfug“, aber auch „ruhig“, „freundlich“ oder „wieder besser“. 1939 ist ein Gottesdienstbesuch im Kloster Eberbach vermerkt; dies war ihm wichtig, schon 1936 hatte er um ein Gebetbuch gebeten. Vor allem im November 1939 ist mehrfach festgehalten, dass er gearbeitet hat, einmal bekam er sogar Obst als „Arbeitsbelohnung“.
Bis Anfang 1941 Besuche verboten wurden, wurde er vor allem von der Mutter, aber auch von seinen Brüdern regelmäßig besucht. Da er wegen der wenigen Anstaltskost oft über Hunger klagte, brachte ihm die Mutter nach familiärer Überlieferung immer wieder Essen mit. Als er darüber klagte, dass er auf dem Fußboden auf Stroh schlafen musste, fragte sein Bruder Eduard am 7. Dezember 1940 schriftlich an, ob man ihm ein Bett schicken dürfe, was der Anstaltsleiter Friedrich Wilhelm Mennecke (1904-1947) am 11. Dezember 1940 gestattete. Dabei wusste Mennecke bereits, dass wegen der von ihm selbst vorgenommenen Ausfüllung des einschlägigen Meldebogens Otto Wahl nicht mehr lange leben würde.
Am 17. Februar 1941 wurde er zusammen mit 58 anderen Patienten aus Eichberg nach Hadamar gebracht und am selben Tag vergast. Bald darauf kam das Bett mit dem Vermerk „Empfänger unbekannt verzogen“ zurück.
Im März 1941 kam dann ein Brief, Otto Wahl sei aus Gründen der Reichsverteidigung nach Hartheim bei Linz in Österreich verlegt worden, wo er am 3. März 1941 an einer Lungenentzündung verstorben sei. Alsbald sei er auf polizeiliche Anordnung wegen Seuchengefahr verbrannt worden. Übersandt wurde auch eine Urne, die aber in Wahrheit nicht die Asche von Otto Wahl enthielt. Diese Urne wurde am 4. April 1941 auf dem Frankfurter Hauptfriedhof bestattet, wobei höchstwahrscheinlich Pfarrer Rudolf Wahl die Trauerfeier für seinen Bruder Otto leitete. In den ersten Tagen des April 1941 wurden auf dem Frankfurter Hauptfriedhof etwa zehn Euthanasieopfer bestattet, die meisten von ihnen waren in Hadamar ermordet worden.
Der Eichberger Anstaltsleiter Mennecke starb am 28. Januar 1947 in einer Zelle des Zuchthauses Butzbach, noch bevor das Todesurteil gegen ihn „wegen Mordes in einer unbestimmten Anzahl von Fällen“ Rechtskraft erlangt hatte. Auch Otto Wahl zählte zu seinen Opfern.
Seit 2017 befindet sich auf dem Frankfurter Hauptfriedhof ein vom Arbeitskreis "Zwangssterilisation und NS-Euthanasie" in Frankfurt eingerichtetes Gräberfeld mit Urnen von NS-Opfern. Von den 120 Platten tragen 108 Platten vier Namen. Auf einer Internetseite https//graeberfeld.copyriot.com/grabplatte kann man die Daten der Ermordeten abrufen; auch an Otto Wahl wird dort erinnert."
Der Stolperstein wurde initiiert von Bernhard Wahl, Laudenbach, Sohn von Eduard Wahl, und finanziert von Paula Brigitte Decher.
Otto Wahl | |
Geburtsdatum: |
16.2.1910 |
Einweisung: |
15.3.1932 – August 1932 und 7.2.1935-17.2.1941 Eichberg, 17.5.1935 Sterilisierung, 17.2.1941 Hadamar |
Todesdatum: |
17.2.1941 |