Kell, Bernhard
Johannes Bernhard Kell wurde 1874 in Rüdenhausen geboren, wohnte jedoch bereits im selben Jahr in Frankfurt. Um 1900 heiratete er zum ersten Mal; aus dieser Ehe gingen zwei Töchter hervor. Am 18. Dezember 1925 heiratete er Margarethe Richter. Um 1932 wurde Bernhard Kell ein Zeuge Jehovas , damals noch als „Bibelforscher“ bekannt. Er arbeitete als Elektromechaniker bei der Hartmann & Braun AG Frankfurt-West.
Bald nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten bekam er Schwierigkeiten wegen seiner religiösen Einstellung. Dies führte schließlich zu einem Prozess vor dem „Ehren- und Disziplinargericht der Deutschen Arbeiterfront (DAF)“. Im Urteil vom 9. Juni 1937 hieß es: „Auf Grund verschiedener Bibelstellen kann es der Angeklagte nicht vereinbaren, mit ‚Heil Hitler‘zu grüßen und sich am Singen des Deutschland- und Horst-Wessel-Liedes zu beteiligen. Auch in der Hauptverhandlung hat der Angeklagte den Deutschen Gruß verweigert und mit einer Verbeugung gegrüßt. […] Das Verhalten des Angeklagten ist eindeutig staatsfeindlich. […] Es ist zwar richtig, dass der Handlungsweise des Angeklagten religiöse Motive zu Grunde liegen. Es kommt hier aber nicht auf die Motive, sondern auf das staatsfeindliche Ergebnis an. […] Schließlich kann sich der Angeklagte auch nicht darauf berufen, dass er im Geschäftsbetrieb immer seine Pflicht getan habe; denn diese hat er letzten Endes nur für sich, um seinen Lebenserwerb sicher zu stellen, also aus Privatinteresse, getan. Der Angeklagte ist damit eines staatsfeindlichen Verhaltens überführt. Ein derartiges Verhalten wie im vorliegenden Fall ist ein ehrenrühriger und asozialer Verstoß gegen die Bestrebungen der DAF […] Die dem Angeklagten zur Last gelegte Handlungsweise ist nach dem Empfinden eines jeden anständigen Deutschen gemein. Da eine Aussicht auf Besserung nicht besteht, musste der Angeklagte dauernd aus der DAF ausgeschlossen werden.“
Sein Arbeitgeber kam der Entlassung durch die Versetzung in den Ruhestand zum 31. Dezember 1936 zuvor. „Damit wurde das Ansuchen der DAF-Kreisverwaltung auf fristlose Entlassung des Herrn Kell wegen Störung des Arbeitsfriedens infolge seiner religiösen Einstellung umgangen.“
Dass seine Haltung auch seinen Kollegen bekannt war, geht aus der eidesstattlichen Erklärung eines ehemaligen Kollegen hervor: „Ich kenne den Herrn Bernhard Kell (…) seit dem Jahr 1904. […] Bei Betriebsapellen [sic] hatte er die Hand nicht hochgenommen, nicht mitgesungen und den Hitler-Gruss nicht erwidert. Darüber fanden wiederholt Verhandlungen vor dem damaligen Vertrauensrat der D.A.F. statt, sodass mit Sicherheit die Entlassung von Kell durch die Firma verlangt worden wäre. […] In der Folgezeit wurde Bernhard Kell von der Gestapo verhaftet, kam zunächst nach Buchenwald, von da nach Dachau und dann nach dem Todeslager Lublin, wo er nach 6jähriger Lagerhaft verstorben ist. Aus Briefen, die er vom Lager aus an seine Frau schrieb, die ich zum Teil gelesen habe, ferner aus Bemerkungen, die die Lagerleitung auf solche Briefe schrieb, konnte ich ersehen, dass er von seiner antifaschistischen Einstellung nicht abgegangen war. Er war Bibelforscher und blieb seiner Überzeugung treu.“
Kell wurde am 20. Mai 1938 in seiner Wohnung in der Voltastrasse 55, verhaftet, in „Schutzhaft“ genommen und anscheinend ohne Gerichtsprozess zunächst in Frankfurt inhaftiert. Bereits am 28. Juli 1938 wurde er ins KZ Buchenwald „überführt“, wo er unter der Häftlingsnummer 5117 im Block 50 gefangen gehalten wurde. Laut Effekten-Kartei erfolgte die Einlieferung am 30. Juli 1938.
Im KZ Buchenwald verblieb er bis Juni 1942. Von dort ist noch ein Brief vom 21. September 1941 an seine Ehefrau – seine „Herzens Gretel!“ – erhalten. Die Rückseite des Briefes trägt den obligatorischen Stempel: „Der Schutzhäftling ist nach wie vor hartnäckiger Bibelforscher und weigert sich, von der Irrlehre der Bibelforscher abzulassen. Aus diesem Grunde ist ihm lediglich die Erleichterung, den sonst zulässigen Briefverkehr zu pflegen, genommen worden.“
Seine nächste Station war Dachau. Der Eintrag auf der Gestapo-Karteikarte vom 23. Juli 1942 besagt, dass er am 6. 6. 1942 von Buchenwald nach Dachau „verschubt“ wurde. Auch die Karteikarte der Effektenkammer in Buchenwald enthält dieses Entlassungsdatum. Laut Internationaler Suchdienst in Bad Arolsen (ITS) kam er am 9. Juli 1942 mit einem Invalidentransport (aus den Lagern Buchenwald und Gross-Rosen) nach Dachau. Da alle anderen Quellen den Transport nach Dachau auf Anfang Juli 1942 datieren, liegt nahe, dass die Gestapo-Kartei einen Schreibfehler enthält: statt „6. 6. 1942“ muss es wohl richtig „6. 7. 1942“ heißen.
Im Dachau bekam Bernhard Kell die Häftlingsnummer 31000. Am 3. Januar 1944 wurde er von Dachau ins KZ Lublin „befördert“. Dort erhielt er die Häftlingsnummer 2665 (Hauptlager: Majdanek).
Seine Witwe stellte nach dem Krieg einen „Wiedergutmachungsantrag“, dessen Bearbeitung sich über viele Jahre hinzog. Sie lebte in der Voltastrasse 55 und starb am 6. Dezember 1990.
Der Stolperstein wurde initiiert von den Zeugen Jehovas Frankfurt.
Bernhard Kell | |
Geburtsdatum: Zeuge Jehovas Haft: Todesdatum: |
21.1.1874
20.5.1938 Frankfurt, 28.7.1938 Buchenwald, 6.6.1942 Dachau, 3.1.1944 Lublin 18.2.1944 |