Simon, Liesel, Paul Jacob, Hans Max Joseph und Fritz Ernst Willi
Liesel Simon, geb. Goldschmidt, stammte aus Neumarkt in der Oberpfalz, der Kaufmann Paul Jacob Simon aus Frankfurt. Liesel war das jüngste von zehn Kindern des Herd-, später Fahrradfabrikanten Joseph Goldschmidt. Paul Jacobs Familie unterhielt in der Frankfurter Altstadt ein Geschäft für „Spazierstöcke, Schirme, Naturrohr, Tee und Lacke“. Die beiden heirateten 1910 und bekamen die Söhne Hans und Fritz.
Die Söhne waren für Liesel Simon der Impuls, mit improvisiertem Puppenspiel anzufangen. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges professionalisierte sie diese Beschäftigung und ging mit Auftritten an die Öffentlichkeit, zunächst in einem Zimmer in ihrer geräumigen Wohnung. Als „Erstes Münchner Puppentheater“ oder auch „Münchner Puppen-/Kasperltheater Liesel Simon“ firmierte ihr Unternehmen, das bald Auftritte im Rhein-Main-Gebiet absolvierte. Sie ließ drei zerlegbare, transportable Bühnen mit Beleuchtung bauen und engagierte professionelle Schauspieler, bildende Künstler und Sprecher. Von ihr bearbeitete Kindermärchen, Stücke des Münchner Puppenspiel-Grandseigneurs Franz Graf von Pocci und eigene Werke kamen zur Aufführung, der Aktionsradius wurde immer weiter, bis ins benachbarte Ausland. Von Anbeginn war Liesel Simon dem neuen Medium Rundfunk verbunden, mit einer regelmäßig ausgestrahlten Kinderstunde im Südwestdeutschen Rundfunk („Radio Frankfurt“). Ihre Stücke wurden auf Schellack-Platten vertrieben. Paul Jacob Simon war ebenfalls für den Rundfunk tätig, als Anzeigenakquisiteur.
In diese prosperierende Schaffens- und Wirkungszeit schlug das Jahr 1933 brutal ein. Liesel Simon, erste Frau im Vorstand des „deutschen Bundes der Puppenspieler“, fand sich aus ihrem Amt gejagt, sie erhielt Auftrittsverbot mit Ausnahme von Spielen für den Jüdischen Kulturbund. Der Sohn Hans verließ 1933 Deutschland, hatte seine Tätigkeit bei der Firma Leonhard Tietz („HERTIE“) verloren und floh über Palästina und Spanien nach Ecuador. Sein Bruder Fritz flüchtete zeitgleich nach Frankreich und wurde Mitglied der Fremdenlegion. Nach deren Auflösung arbeitete er für die Résistance. Paul Jacob Simon floh 1935 nach Paris. 1942, nach der Besetzung durch die Nazis, wurde er verhaftet und im Sammellager Drancy interniert, nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Liesel hatte in Deutschland mehrere Verhöre durchzustehen, ihr wurden u.a. Devisenvergehen zur Last gelegt. Sehr spät bemühte sie sich um ihre Flucht, die sich aber nach der Erteilung der „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ im Oktober 1940 noch eineinhalb Jahre hinziehen sollte. Schließlich gelang es ihr, eine Buchung für das Flüchtlingsschiff „Navemar“ zu erhalten, das Anfang August 1941 im spanischen Hafen Huelva ablegte. Die Zustände auf dem umgebauten Kohle-Frachtschiff spotteten jeder Beschreibung, ein Inspekteur des „JOINT“ sprach von einem schwimmendes Konzentrationslager: die Passagiere waren in abgeteilten groben Holzverschlägen untergebracht, die Licht und Luft entbehrten, es herrschten katastrophale sanitäre Zustände. Die Passagiere erreichten nach sechs Wochen Strapazen New York, unterwegs waren sechs an Typhus gestorben.
Liesel Simon fand in New York Aufnahme bei ihrer Schwester und hatte gleich im Sinn, deutsche Emigrantenkinder mit ihrem Puppenspiel zu unterhalten. Auftritte von ihr sind freilich nicht belegt. Im Frühjahr 1944 verzog sie zu ihrem Sohn Hans/Juan, der inzwischen in Quito eine Familie gegründet hatte. Fritz/Fred kam 1949 dazu, Liesel fand sich schließlich als Großmutter von acht Enkelkindern wieder und führte für die Kinder von Quito Puppenspiele auf. Über das Schicksal ihres Mannes hat sie wohl erst nach Kriegsende Kenntnis erhalten.
Ein zermürbendes Verfahren um Entschädigung brachte ihr letztendlich für die zwei letzten Lebensjahre ein sorgenfreies Auskommen. Von dem ihr wieder ausgestellten deutschen Pass machte sie keinen Gebrauch mehr. Sie starb 1958, die Söhne Fritz 1972 und Hans 1989. Ihre Enkelinnen vermachten einen Großteil der Puppen 2015 dem Historischen Museum Frankfurt, wo sie im „Liesel-Simon-Kabinett“ präsentiert werden.
Die Stolpersteine wurden initiiert von Hanna und Dieter Eckhardt und von ihnen sowie vom Historischen Museum Frankfurt, von Barbara Glock und Ulrich Stascheit finanziert.
Liesel Simon, geb. Goldschmidt | |
Geburtsdatum: | 15.8.1887 |
Flucht: | 1941 USA, 1944 Ecuador |
Paul Jacob Simon | |
Geburtsdatum: | 7.1.1885 |
Flucht: | 1937 Frankreich |
Deportation: |
8.8.1942 Drancy, 24.8.1942 Auschwitz |
Todesdatum: | unbekannt |
Hans Max Joseph Simon |
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Geburtsdatum: | 11.9.1911 |
Flucht: | 1933 Palästina, Spanien, Frankreich, 1938 Ecuador |
Fritz Ernst Willi Simon | |
Geburtsdatum: | 28.11.1913 |
28.11.1913 | 1933 Frankreich, Ecuador |