Hild, Willy und Frieda

Hild, Willy und Frieda

Stolperstein-Biographien im Dornbusch

Hild, Willy und Frieda

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Hild, Willy © privat/Erika Krämer, Foto: keine Angaben

 

Wilhelm Heinrich Hild wurde in Frankfurt-Höchst geboren, besuchte von 1900 bis 1908 die Meisterschule in Frankfurt-Höchst und absolvierte danach eine musikalische Ausbildung am Konservatorium in Göttingen mit den Hauptinstrumenten Geige und Flügelhorn. Ab Frühjahr 1912 spielte er in verschiedenen Orchestern, u. a. auf der „Windhuk“, die Afrika umrundete, in Breslau, Königsberg und Memel. Während des Ersten Weltkrieges war er beim Militär. Eine Kriegsverletzung führte später zur Epilepsie.

 

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Hild, Frieda © privat/Erika Krämer, Foto: keine Angaben

 

Nach dem Krieg spielte er in Frankfurt zunächst bei den Alemannia-Lichtspielen und als Hintergrundmusiker für Stummfilme, dann im neu gegründeten Sinfonieorchester und bei den Schwan-Lichtspielen. Am 22. August 1919 heiratete er Fanny Frieda Buck aus Malmsheim. Die beiden hatten eine 1915 in Offenbach geborene Tochter Elsa. Ab 16. August 1924 war Willy Hild im Opernhaus-Orchester der Stadt Frankfurt beschäftigt. Irgendwann danach kam Frieda mit den Bibelforschern (Jehovas Zeugen) in Verbindung. Sie konvertierte und ihr Mann tat es ihr später gleich.

 

Bei zwei Anlässen fiel auf, dass sich Willy Hild nicht am Singen des Horst-Wessel-Liedes und am Hitlergruß beteiligte. Sein Generalintendant beurlaubte ihn daraufhin, verwies ihn des Hauses, informierte den Oberbürgermeister Dr. Krebs über den Vorfall und bat ihn um eine Entscheidung. Wenige Tage später, am 24. November 1933, schrieb Willy Hild einen Brief an den Generalintendanten: „Meiner Überzeugung nach als Bibelforscher ist die Bibel das Wort Gottes; (staatlich anerkannt) u[nd] nach diesem Inhalt lebe und handle ich [...] Kann ein Mensch, wenn er so handelt u[nd] lebt, seine Stellung verlieren?“ In einer erneuten Verhandlung verurteilte man ihn zur Erstattung der durch seine Beurlaubung entstandenen Kosten und zur Zahlung von 50.- RM an die Witwen- und Waisenkasse des Orchesters. Ab 4. Dezember 1933 musizierte er dann bei den Städtischen Bühnen.

 

Seine gesundheitlichen Probleme hielten an. Am 22. Dezember 1936 fiel er in einer Spielpause in Ohnmacht. Die Unfallmeldung machte das Stadtgesundheitsamt auf ihn aufmerksam. Im März 1937 diagnostizierte man Epilepsie als Folge seiner Kriegsverletzung. Das Stadtgesundheitsamt stellte fest: „Da die Ehefrau 45 Jahre alt ist, besteht keine dringende eugenische Gefahr.“ Schließlich entschied Professor Hahn vom Stadtgesundheitsamt, dass Hild weiter beobachtet werden, aber keine Sterilisierungsanzeige erfolgen solle.

 

Willy Hild blieb missionarisch aktiv. In der Hildschen Wohnung im Marbachweg 291, 1. Stock, fanden wiederholt Hausdurchsuchungen statt. Einmal versteckte Elsa Hild geistesgegenwärtig eine Ausgabe des „Goldenen Zeitalters“ (heute „Erwachet!“) unter einem Stuhlkissen, so dass die Gestapo unverrichteter Dinge wieder abziehen musste. Anfang Mai 1938 wurde Willy Hild verhaf¬tet und am 25. Mai wegen seiner Tätigkeit als Bibelforscher in „Schutzhaft“ genommen. Am 23. Mai nahm man auch Frieda fest. Doch der Gefängnisarzt attestierte ihr nach fünf Tagen Haftunfähigkeit wegen eines Herzleidens, das sich seit der Verhaftung ihres Ehemanns noch verschlimmert hatte.

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Orchester mit Willy Hild (im Kreis) © privat/Erika Krämer, Foto: keine Angaben

Nach seiner Verhaftung hatte man Willy Hild in das für Misshandlungen berüchtigte Polizeigefängnis Klapperfeldstraße verbracht. Am 29. Juli 1938 verschleppte man ihn nach Buchenwald. Am 2.September 1938 sprach das Kulturamt der Stadt Frankfurt schriftlich die fristlose Kündigung aus.

 

Frieda Hilds Gesundheitszustand verschlechterte sich weiter. Eine Nachfrage der Tochter nach der Haftentlassung ihres Vaters aus Buchenwald richtete nichts aus. Am 30. April 1939 starb die Mutter, ohne ihren Mann noch einmal gesehen zu haben. Elsa erklärt rückblickend: „Sie starb […] einen frühen Tod, der durch ihre u[nd] ihres Ehemanns Verfolgung bedingt war.“ Später wurde diese Einschätzung ärztlich bestätigt.

 

Wie alle Lila-Winkel-Häftlinge beorderte man Willy Hild regelmäßig in die Kommandantur, um festzustellen, ob er bereit sei, seinem Glauben abzuschwören. Man versprach ihm die sofortige Freilassung und Wiederanstellung als Musiker an der Frankfurter Oper, wenn er die geforderte Unterschrift leiste. Doch Willy Hild hielt an seiner Überzeugung fest. Dafür schlug man ihm in einem Verhör Zähne aus.

 

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Vermerk der Kommandantur des Konzentrationslagers Buchenwald © privat/Erika Krämer, Foto: keine Angaben

 

Im August 1941 erhielt Willy Hild eine Nachricht von seiner Tochter, dass sie plane zu heiraten. Der Vater erlaubte ihr, die Eheringe der Eltern zu verwenden. Elsa heiratete in Abwesenheit ihres Vaters. Am 14. März 1943 durfte dieser den einzigen längeren Brief an seine Tochter schreiben. Bei ihr hatte sich mittlerweile viel verändert – Willy Hild war Opa geworden: „Wie ich […] ersehe, geht es Dir, Deinem Renato und Deinem erstgeborenen Kinde ‚Mario‘ noch gut. Ich freue mich, daß Du alles gut überstanden hast, und bitte Dich, achte auf die Gesundheit weiterhin. Deinen Renato, sowie dein Poppelchen Mario möchte ich mal kennen lernen.“

 

In Buchenwald transponierte und schrieb Willy Hild Noten für die Lagerkapelle und spielte selbst ein Bandonion, eine Ziehharmonika. Ein Mithäftling berichtete: „Mehrmals erlebte ich, dass wir früh, kurz vor dem Wecken, von der einschmeichelnden Melodie des Brahms’schen Wiegenliedes aus dem Schlaf geweckt wurden. Wieder hatte ein Kamerad Geburtstag, und seine Freunde hatten den ‚Kapellmeister‘ der Lagerkapelle, den Kameraden Held [Willy Hild], bestellt, der sich in den Schlafsaal schlich und seiner Ziehharmonika leise die wehmütigen Töne entlockte.“ Spätere Berichte zeigen, dass Willy Hild auch für die heimlichen Treffen der Bibelforscher Lieder schrieb und sie auf seinem Bandonion begleitete. Dieses Instrument hat nach der Befreiung seinen Weg aus Buchenwald in das Preußen-Museum Wesel gefunden (Sammlung Abresch).

 

Nach der Befreiung des KZ Buchenwald am 11. April 1945 kehrte Willy Hild nach Frankfurt zu seiner Tochter zurück und lernte nun auch seinen Schwiegersohn und seinen Enkel kennen. Am 29. Mai 1945 stellte er den Antrag auf Wiedereinstellung in das Opernorchester, die zum 1. Juni 1945 mit vollen Dienstbezügen erfolgte. Doch die KZ-Haft hatte seine Epilepsie derart verschlimmert, dass er nicht mehr als Musiker arbeiten konnte. Am 1. September 1946 ging er in Rente. Im Februar 1947 heiratete Willy Hild eine ehemalige Kollegin, die Opernsängerin Martha Grässler. Sie wohnten erst in Frankfurt-Sossenheim, ab Mitte der 1960er Jahre dann in Mespelbrunn im Spessart. Martha verstarb am 14. November 1973 in Mespelbrunn, Willy am 23. September 1977 in Bessenbach. Die Tochter, von Beruf Kinderpflegerin, wohnte im Oberweg 42 und später in Modena/Italien.

 

Willy Hild
Geburtsdatum:
Deportation:
Todesdatum:
30.12.1894
Haft: 25.05.1938 Schutzhaft, 29.07.1938 Buchenwald
überlebt/befreit 
Frieda Hild, geb. Buck
Geburtsdatum:
Deportation:
Todesdatum:

14.09.1892
Haft: 1938 Frankfurt
30.04.1939


 

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Stolperstein Marbachweg 291 Willy Hild © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

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Stolperstein Marbachweg 291 Frieda Hild © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

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