Gerlach, Magarethe

Gerlach, Magarethe

Stolperstein-Biographien in Eschersheim

Gerlach, Margarethe

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Gerlach, Margarethe © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main, Foto: keine Angaben

 

Das Vater von Margarethe Gerlach, Paul Tamm, war Postbeamter, später befördert zum Kaiserlichen Rechnungsrat, in Magdeburg. Er kam aus einer bürgerlichen Familie - zwei Brüder waren im Postdienst und als Buchhändler tätig, zwei Schwestern waren Lehrerinnen. Die Mutter, Therese, geb. Brodmeier, stammte aus einer thüringischen Kaufmannsfamilie - ein Bruder war Unternehmer in Manchester geworden. Gemeinsam mit der jüngeren Schwester Martha wuchs Margarethe, kurz „Grete“ genannt, in einer glücklichen Kindheit auf. Wegen des Berufes siedelte die Familie nach Bocholt und später nach Koblenz über.

 

Dort heiratete Grete ihren Cousin, Dr. Alfred Gerlach - die Mütter der beiden waren Schwestern. Ihr Ehemann war Studienrat für Mathematik, Physik und Sport in Frankfurt am Main und galt als ein beliebter Lehrer. 1905 wurde ihnen die Tochter Erna geboren, 1908 der Sohn Franz. Schöne Urlaubsreisen, Treffen mit der Familie in Thüringen, Geselligkeit in Frankfurt bestimmten das Leben. Im Kinderzimmer gab es herrliches Spielzeug. Aus diesen Ehejahren gibt es viele Fotos, die Margarethe Gerlach als fröhliche junge Frau, eng angeschmiegt an ihren „Fred“, zeigen. Hochmusikalisch war sie - am Klavier begleitete sie ihren eigenen Gesang.

 

1911 kam die erste Phase der „Gemütserkrankung“ - mit Depressionen, Kopfschmerzen, extremem Ruhebedürfnis. Solche Phasen wiederholten sich; als 1919 die Konfirmation der Tochter Erna gefeiert wurde, konnte sie den Haushalt nicht mehr führen - ihre Mutter aus Koblenz übernahm die Regie. 1921 kam dann eine so schwere Psychose, dass Margarethe Gerlach in die Krankenanstalt Köppern eingewiesen werden musste. Ein dritter schwerer Anfall 1923 führte zu polizeilicher Einweisung. War es eine Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis, oder eher aus dem manisch-depressiven Bereich?
Jedenfalls nahm sie auch in den Zwischenphasen nicht mehr richtig am Familienleben teil, die inzwischen erwachsene Tochter führte den Haushalt. Der behandelnde Arzt musste dem Ehemann sagen, dass - unter den gegebenen therapeutischen Möglichkeiten - an eine Heilung nicht zu denken sei; es wäre daher auch vertretbar, dass er sich scheiden ließe.

Auf diesen Befund folgte dann die schwerwiegende Weichenstellung: wohl 1929 wurde Margarethe Tamm in die Landesheil- und Pflegeanstalt Herborn eingewiesen. Alfred Gerlach trennte sich endgültig von seiner Frau und ging 1930 eine neue Ehe ein. Die schwere seelische Belastung in jenen Jahren hat er nicht länger durchgehalten.

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Margarethe und Alfred Gerlach © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main, Foto: keine Angaben

Als die Tochter Erna am 1. März 1930 in Frankfurt heiratete, konnte Grete Gerlach nicht dabei sein. Dass der Sohn Franz sich am Vorabend dieser Hochzeit in Berlin das Leben genommen hatte, hat man sich zunächst nicht getraut, der Mutter zu berichten. Zwei Jahre später hat sie es erfahren, in abgeschwächter Form.

In der Landesanstalt Herborn war Grete Gerlach zunächst offenbar gut aufgehoben. In dem offenen Gelände mit dezentralisierter Bauweise gab es Kontaktmöglichkeiten, auch den Einsatz zu einfachen Hilfstätigkeiten. Die Patientin konnte auch Klavier spielen - ihre Mutter brachte ihr dafür Noten mit. Besuche bekam sie ganz wenig; nur ihre Mutter nahm, selbst hochbetagt, jährlich die beschwerliche Reise von Koblenz nach Herborn auf sich. Brieflich gab es Kontakt mit der Tochter Erna in Jena, die dort verheiratet war und drei kleine Kinder hatte.

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Franz und Erna Gerlach © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main, Foto: keine Angaben

In welchem Maße wirklich therapeutische Maßnahmen eingesetzt wurden, ist unbekannt. Wahrscheinlich war es eher eine Ruhigstellung und Verwahrung. Nach den Vorgaben der Reichsgesundheitsverwaltung wurden die Verpflegungsrationen für die Dauerpatienten zunehmend vermindert. Das wirkte sich auf den Krankheitszustand aus. Noch im Dezember 1940 schrieb Grete Gerlach an ihre Tochter in Jena.

Am 13. Februar 1941 erfolgte die „Verlegung nach Hadamar“. Die Krankenakte wurde mitgegeben - sie existiert aber nicht mehr. Im Keller des dortigen Psychiatriekrankenhauses war die Gaskammer eingerichtet worden, wo die angelieferten Patienten noch am gleichen Tag getötet wurden. Erst zwei Wochen später, am 28. 2. 1941, wurde die Todesnachricht an die Mutter Therese Tamm in Koblenz gegeben: auf „ministerielle Anordnung“ sei ihre Tochter nach Hadamar verlegt worden und hier „unerwartet an den Folgen einer Blutvergiftung, die durch eine akute Nierenbeckenvereiterung eintrat, verstorben“. Die Verbrennung erfolgte sofort in Hadamar. Die Urne wurde der Familie übermittelt, sie wurde in Koblenz beigesetzt. Auf dem Grabstein steht der 27. Februar als Todestag – weil der wirkliche Sterbetag verschwiegen worden war.

 

Wann sich die Angehörigen darüber klar wurden, dass es sich bei diesem Tod in Wirklichkeit um eine Tötung handelte, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich kam diese Einsicht noch während des Krieges. Man glaubte an eine „gnädige Spritze“. In Hadamar ist inzwischen dokumentiert, dass dieser Tod durch Gas unter ärztlicher Aufsicht eine Vorübung war für die Vernichtungsmaschinerie in Auschwitz.

 

Bei der Verlegung anwesend waren Prof. Harald Schultze, Magdeburg, Enkel, und Ehefrau Sigrid Schultze, Ferdinand Schultze, Gerwisch bei Magdeburg, Urenkel, Irmgard Schultze, Aachen, Ehefrau des verstorbenen Enkels Klaus Schultze, Dr. Dirk Schultze, Walsrode, Urenkel. Initiatorin der Verlegung war Amelie Schultze-Rupp, Urenkelin. Einen musikalischen Beitrag leistete die Saxophonistin Susanne Resch, Darmstadt.

 

Margarethe Gerlach, geb. Tamm 

Geburtsdatum:

Deportation:

Todesdatum:

5.5.1883

eingewiesen 1941 in "Heilanstalt" Hadamar

13.2.1941

 

 

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Stolperstein Neumannstraße 20 © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

 


 

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