Tony Sender: Ihr Leben
"Im neuen Staat, der deutschen Republik, ist die Frau wenigstens soweit aus früherer Rechtlosigkeit befreit, daß sie durch die Sozialdemokratische Partei das Recht zu wählen bekam. Und wir Frauen sind die Mehrheit in dem deutschen Volke. Auf uns kommt es darum an. Ihr Frauen und Mädchen habt den Mut zum Neuen, habt den Mut zum Glück." Tony Sender 1928.
„Ihr Frauen und Mädchen habt den Mut zum Neuen“
Tony Sender (1888 bis 1964) war keine
Frauenrechtlerin. Nach dem Motto „Selbst ist die Frau“ wollte sie selber aktiv
– und unabhängig vom Mann – innerhalb der Sozialdemokratischen Partei und mit
ihrer Hilfe die Welt verändern. „Im neuen Staat, der deutschen Republik, ist
die Frau wenigstens soweit aus früherer Rechtlosigkeit befreit, daß sie durch
die Sozialdemokratische Partei das Recht zu wählen bekam. Und wir Frauen sind
die Mehrheit in dem deutschen Volke. Auf uns kommt es darum an. Ihr Frauen und
Mädchen habt den Mut zum Neuen, habt den Mut zum Glück." (Tony Sender
1928)
Früh unabhängig
„Der Mut zum Neuen“ zeigt sich schon sehr früh bei
ihr. Am 29. November 1888 in Biebrich am Rhein geboren, verlässt sie nach
Abschluss der höheren Töchterschule mit nur 13 Jahren das jüdisch-orthodoxe
Elternhaus und geht nach Frankfurt, wo sie die private Handelsschule für
Mädchen besucht. Noch nicht sechzehnjährig arbeitet sie bereits als
Bürogehilfin und wird Mitglied der Büroangestelltengewerkschaft. Sie besucht
Kurse in der Abendschule, hört literarische und politische Vorträge und nimmt
an Demonstrationen für das allgemeine Wahlrecht teil. Für das Studium der
Nationalökonomie verweigert ihr der Vater jedoch die damals notwendige
Zustimmung. 1910 wird sie Mitglied der Sozialdemokratischen Partei.
Pariser Jahre
Im selben Jahr erhält sie eine Stelle im Pariser Büro einer Frankfurter Metallhandelsfirma. Sie sucht den Kontakt zu den französischen Sozialisten und ist fasziniert von Jean Jaures. Gerade mal 20 Jahre alt tritt sie im französischen Wahlkampf auf öffentlichen Veranstaltungen auf und ruft zum Engagement für internationale Abrüstung und Völkerverständigung auf. Als zweite Vorsitzende eines Pariser Parteibezirks macht sie erste Erfahrungen mit demokratisch geführten Organisationen und gründet gemeinsam mit anderen Frauen eine Frauengruppe.
„Keine sozialen Umwälzungen ohne die Mitarbeit von Frauen“
Ihre Absicht ist es, die ökonomisch abhängigen
Ehefrauen dazu zu bringen, sich von ihrer politischen und sozialen Diskriminierung
zu befreien. Sie ist der Überzeugung, dass ohne die Mitarbeit der Frauen keine
tiefgreifenden sozialen Umwälzungen bewirkt werden können. Als Jean Jaures'
ermordet wird und der Erste Weltkrieg ausbricht, kehrt sie nach Deutschland
zurück.
Aus Protest Austritt aus der SPD
Zurück in Frankfurt tritt sie aus der SPD aus – aus Protest gegen deren Zustimmung zu den Kriegskrediten – und schließt sie sich den deutschen Friedensdemonstrationen an. Einer, der nicht zugestimmt hatte, war Robert Dissmann, mit dem sie sich verbunden fühlte. Im März 1915 nimmt sie an der von Clara Zetkin organisierten internationalen Frauenkonferenz teil, dem ersten internationalen Kongress gegen den Krieg. Tony Sender will mit Hilfe der Frauen eine Kriegsopposition in Deutschland gründen, womit sie jedoch scheitert.
„Gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit"
Nach dem Krieg arbeitet sie an der Spitze der
Frankfurter Arbeiterrätebewegung. Sie übernimmt die Redaktion der Tageszeitung
„Volksrecht“ und einer Frauenzeitschrift. In einem ihrer Artikel fordert sie
„Gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit“.
Abgeordnete im Reichstag
1919 wird sie Abgeordnete der Frankfurter Stadtverordnenten-versammlung und wird 1920 für die USPD in den Reichstag gewählt. Sie arbeitet in den Ausschüssen für Außen- und Wirtschaftspolitik. Sie gilt als glänzende Rednerin, die sich nicht durch Zwischenrufe beirren lässt. Eine schwere Tuberkulose zwingt sie zu einem fast einjährigen Aufenthalt in der Schweiz und zu einer Pause in ihrer politischen Arbeit. Bei den Wahlen von 1924 erringt sie das Mandat des Wahlkreises Dresden-Bautzen, für den sie bis 1933 im Reichstag sitzt.
Exil in den USA
Am 5. März 1933 verlässt sie Deutschland. Nach
Aufenthalten in der Tschechoslowakei und Belgien geht sie 1935 ins
amerikanische Exil. Sie hatte bereits in den zwanziger Jahren zwei Mal die USA
bereist und Vorträge gehalten. So kann sie mit ihrer journalistischen und
politischen Arbeit fortfahren. Sie beteiligt sich am Aufruf zu einer
„demokratischen Volksfront“ gegen Faschismus und Krieg.
„Die Amerikanerin“
1943 wird sie amerikanische Staatsbürgerin. Noch während
des Kriegs (1944) ist sie Wirtschaftsspezialistin bei der United Nations Relief
and Rehabilitation Administration. Als Vertreterin des Amerikanischen
Gewerkschaftsbundes reist sie 1947 nach Genf. Anlässlich dieser Reise besucht
sie auch die deutschen Westzonen. Die Sozialdemokraten sehen in ihr die
„Amerikanerin" nicht die Antifaschistin. In Frankfurt aber gilt sie als
„berufener Vertreter demokratischen Ideale“.
Appell an die Frauen, sich zu engagieren
Ab 1950 ist sie bei der American Federation of Labor (AFL), die als Non-Governmental Organisation bei der UN zugelassen ist. Sie engagiert sich u.a. in der Menschenrechtskommission und der Kommission zur Rechtsstellung der Frau. Da in den Gewerkschaften die Männer noch immer Vorurteile gegen die Gleichbehandlung von Frauen und Männern haben, appelliert sie an die Frauen, sich so zu engagieren wie die Frauen der Generation, die „mit unerschrockenem Mut für das Wahlrecht gekämpft“ hatten.
Gestorben 1964
1952 erkrankt sie, arbeitet aber noch bis 1956 bei der AFL. Sie stirbt fünfundsiebzigjährig nach einem Schlaganfall am 26. Juni 1964 in New York
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