Internationale Lebensmittelgeschäfte im Bahnhofsviertel

Internationale Lebensmittelgeschäfte im Bahnhofsviertel

Wir l(i)eben das Viertel

200 Kilometer Anreise für die perfekte Gewürzmischung

Die internationalen Lebensmittelgeschäfte im Bahnhofsviertel ziehen Kunden weit über das Stadtgebiet hinaus an.

Abdul Zerouali vor der Obst- und Gemüseauslage seines Lebensmittelgeschäfts, Foto: Laura Bicker
Abdul Zerouali vor der Obst- und Gemüseauslage seines Lebensmittelgeschäfts © Stadt Frankfurt am Main, Foto: Laura Bicker

„Entschuldigung, ich habe um 11 Uhr einen Termin und will nur kurz ein Hühnchen kaufen – könnten Sie mich vielleicht vorlassen?“ Eine junge Frau tippt einer älteren Dame schüchtern auf die Schulter; diese lässt sie bereitwillig vor an die Theke. Es ist viertel vor elf an einem Freitagmorgen und bei Zerouali Lebensmittel in der Elbestraße hat sich schon eine ordentliche Schlange an der ausladenden Fleischtheke gebildet. Genervt von der Warteschlange scheint aber niemand zu sein – die junge Frau wird von insgesamt drei anderen Kundinnen und Kunden vorgelassen. Sie bestellt ihr Hühnchen, schnappt sich neben der Kasse schnell einen Bund Koriander, zahlt und hüpft die Stufen zur Straße hinunter. Die ältere Dame ist nun an der Reihe und ordert eine große Portion Koteletts.

Würste als Verkaufsschlager

Bedient wird sie von Abdul Zerouali, der sich für jeden und jede Zeit nimmt und in Ruhe die Bestellungen über die Theke reicht. Seine Mitarbeiter beraten Kundinnen und Kunden an der nicht weniger umfangreichen Fischtheke, räumen die Gemüsekörbe draußen vor dem Geschäft ein und kassieren hinter einem kleinen Tresen ab. Der Laden ist gut gefüllt, die Kundinnen und Kunden tragen jede Menge Tüten hinaus.

2001 gründete Zeroualis Vater das Lebensmittelgeschäft, direkt um die Ecke der Münchener Straße, heute führen es Abdul Zerouali und sein Bruder gemeinsam. Das Angebot ist groß, aber vor allem die Fleischauswahl zieht viele Menschen an. „Die Merguez verkaufen wir am meisten“, sagt Zeraouli, dabei handelt es sich um eine typisch marokkanische Bratwurst. Etwa 70 Prozent seiner Kundinnen und Kunden stammen wie auch seine Familie aus Marokko. „Die Kunden kommen aus der gesamten Region, sogar aus Mainz und Wiesbaden. Aber auch die Nachbarn schauen gerne bei uns vorbei und natürlich kommen auch immer wieder Touristen“, erzählt Zerouali. Werbung habe er noch nie gemacht, fügt er fröhlich hinzu, sein Angebot habe sich herumgesprochen. „Man muss die Arbeit lieben und gut machen, dann hat man Erfolg“, sagt der Ladeninhaber.


Der Duft der Gewürze


Nithar Tharmakolasingham zwischen den Regalen von Spicelands, Foto: Ben Kilb
Nithar Tharmakolasingham zwischen den Regalen von Spicelands © Stadt Frankfurt am Main, Foto: Ben Kilb

Auch Nithar Tharmakolasingham führt bereits in zweiter Generation sein Geschäft. 1991 gegründet, führt Spicelands in der Kaiserstraße eine Vielzahl an indischen und internationalen Lebensmitteln. In den langen Gängen stapeln sich Säcke voller Reis und verschiedener Mehlsorten neben einer bunten Auswahl an Dosen, Flaschen und Tüten. Der Star des Ladens ist jedoch das Gewürzregal. „Unsere indischen Gewürze sind sehr beliebt, zum Beispiel Kurkuma, Kreuzkümmel und Nelken, aber auch Zimtstangen aus Sri Lanka werden oft gekauft“, erzählt Tharmakolasingham. Das Geschäft führt auch seine eigene Marke, die ebenfalls Spicelands heißt. „Wir haben über 5000 Artikel im Laden. Das spricht sich rum und zieht die Leute an. Sogar aus Luxemburg kommen Kunden zu uns“, sagt der Ladeninhaber – fast 200 Kilometer einfache Strecke für eine Tüte Gewürze. Er schätzt, dass etwa 80 Prozent seiner Kundinnen und Kunden Inderinnen und Inder oder indischstämmig sind, die restlichen 20 Prozent setzen sich aus Menschen aus aller Welt zusammen.

Ein Jahr lang hat er versucht, eine zweite Filiale in der Taunusstraße zu führen. Die Unterschiede zwischen den Parallelstraßen waren am Ende aber zu groß, da die Drogenszene in der Taunusstraße deutlich stärker vertreten ist: „Wenn die Leute auf der Straße sind, ist das kein Problem. Aber viele sind zu uns in den Laden gekommen, sind sogar hinter die Kassen gesprungen. Die Mitarbeiter hatten Angst, deswegen haben wir die Filiale wieder geschlossen“, erzählt Tharmakolasingham. In der Kaiserstraße sei es viel ruhiger und die Kundinnen und Kunden können ungestört einkaufen. Der Geschäftsinhaber wünscht sich nur, dass sich die Situation im Kaisersack verbessert: „Viele unserer Kunden kommen mit dem Zug und müssen dort vorbei. Es wäre toll, wenn es dort ruhiger und sauberer wäre.“ Davon abhalten, seine Gewürze und Lebensmittel zu kaufen, lassen sich die Kundinnen und Kunden glücklicherweise jedoch nicht.

Auch Abdul Zerouali kennt solche Probleme: „Das ist halt so im Bahnhofsviertel“, sagt er und zuckt die Schultern. In seiner direkten Nachbarschaft hat sich die Situation jedoch deutlich verbessert. „Früher war die Elbestraße schlimm. Seitdem wir aber nebenan ein Hotel haben, ist es viel besser geworden. Und unsere Kunden kommen sowieso“, erzählt der Lebensmittelhändler. Das einzige, was ihn wirklich stört, sind die Auswirkungen auf das Miteinander. „Ich habe den Eindruck, dass die Mitmenschlichkeit darunter leidet und Vorurteile mehr werden“, sagt er zum Thema Kriminalität. Der Zusammenhalt im Viertel sei aber trotzdem groß. „Wir sind gut vernetzt mit den Nachbarn, anderen Händlern und den Gastronomen“, erzählt Zerouali.

 

Süßes aus Afghanistan

Jalak Khan vor dem Schaufenster seiner Bäckerei
Jalak Khan vor dem Schaufenster seiner Bäckerei © Stadt Frankfurt am Main, Foto: Laura Bicker

Einer der Gastronomen ist Jalak Khan. Er betreibt seit fünf Monaten die afghanische Bäckerei Orient Asia in der Münchener Straße und arbeitet an der Eröffnung eines großen afghanischen Restaurants nur ein paar Häuser weiter. Im Orient Asia wird gerade umgebaut, Khan spricht gemeinsam mit einem Freund mit Dienstleistern und Behörden, in ein paar Tagen startet der Verkauf wieder. Im Schaufenster reihen sich schon große Bleche mit jede Menge Backwerk aneinander: Kekse aller Art, manche mit süßen Füllungen, daneben spiralförmige Teilchen. Auch afghanisches Brot bietet Khan an: „Nan wird mit drei verschiedenen Mehlsorten hergestellt“, erklärt er.

Mittags gibt es einige Lunchangebote bei Orient Asia, die sich auch in den umliegenden Büros schon rumgesprochen haben. „Wir bieten mittags ein typisch afghanisches Gericht aus Reis, Fleisch, Karotten, Rosinen und Pistazien an. Bis zu 50 Kilogramm Reis kochen wir jeden Tag. Die Banker aus der Umgebung kommen dafür sehr gerne her“, sagt Khan. Seine Brote und Süßspeisen locken aber auch Menschen aus der ganzen Region an, manche Kundinnen und Kunden kommen extra aus Mannheim in das Eckgeschäft auf der Münchener. Viele lieben auch das mit Kartoffeln gefüllte Fladenbrot Bolani. „Davon verkaufen wir um die 500 Stück am Tag“, erzählt Khan. „Dazu ein afghanischer Ayran mit ein bisschen Minze – das schmeckt etwas anders als türkischer Ayran und ist einfach lecker“, ergänzt sein Freund.

Wer aus dem Orient Asia tritt und die Straße entlangläuft, kann seine Einkaufstaschen noch mit jeder Menge anderen Köstlichkeiten füllen und natürlich einige Snacks probieren. China, Pakistan, Türkei – im Bahnhofsviertel kann man kulinarisch einmal um die Welt reisen. Kein Wunder, dass der ein oder andere dafür so viele Kilometer in Kauf nimmt.

Text: Laura Bicker


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