Das öffentliche Gesundheitswesen entsteht
„Dumpfichte
und unreine Luft“ – Die Entstehung des öffentlichen Gesundheitswesens
Die
Anfänge der öffentlichen Gesundheitspflege in Frankfurt reichen bis ins 14.
Jahrhundert zurück. Die Messestadt war damals Anziehungspunkt für
internationale Gäste. Damit wurde die Gesundheit der Bevölkerung zu einem
wichtigen Standortfaktor. Schon 1381, wenige Jahre nachdem in Frankfurt zum
ersten Mal die Pest ausgebrochen war, besiegelte der Wundarzt Johann Wolff von
Luzern mit den Ratsherren einen Dienstbrief. Damit ist er der erste von der
Stadt verpflichtete Mediziner, der urkundlich erwähnt ist. Er versprach, gegen
ein Jahresgehalt von „20 Gulden und sechs Ellen Tuch“, den städtischen
Angestellten und den Kranken im Spital mit seiner „Kunst“ zu helfen. Eine erste
Apotheke ist bereits 1343 in Frankfurt urkundlich erwähnt.
Die politisch Verantwortlichen erkannten früh, dass es unabdingbar war, Stadtärzte zu verpflichten, um die Gesundheit der Bevölkerung zu bewahren und zu fördern. Im Zeitalter der Aufklärung beginnt schließlich die Geschichte der umfassend behördlich geregelten öffentlichen Gesundheit. 1772 gab es bereits rund zwanzig Ärzte und noch einmal so viele Wundärzte in der Stadt. Sie, die Apotheker, Hebammen und Barbiere, welche damals offene Wunden und sogar Brüche behandeln durften, unterstanden der Aufsicht der Stadtärzte.
Krankheiten wurden zu dieser Zeit nicht mehr als gottgegeben verstanden, sondern oft als Folge einer nicht naturgemäßen Lebensweise. Die Hygiene in der Stadt, besonders die Luftqualität, wurde zum vorherrschenden Thema. In den engen Gassen herrsche „dumpfichte und unreine Luft“, befand der Mediziner und spätere Stadtarzt Johann Adolph Behrends. Er beobachtete die Lebensverhältnisse der Frankfurter hinsichtlich Fruchtbarkeit und Sterblichkeit und zog den Schluss daraus, dass gerade in der Stadtmitte mit ihren Schlachthäusern, Ställen, Gerbereien, Waschhäusern, Krambuden und Kloaken die Sterblichkeit höher liege. Sein Kollege Johann Christian Senckenberg entwickelte Maxime für eine gesunde Lebensführung. Seine Tipps klingen für heutige Verhältnisse sehr vertraut: Er riet zu körperlicher Bewegung, Diät und dem Trinken großer Mengen Wasser.
Etwa einhundert Jahre später wurde das Thema durch die stark anwachsende Bevölkerung noch dringlicher. Frankfurt hatte als eine der ersten Städte eine Kanalisation und dazu die erste Großkläranlage Europas gebaut. 1873 gründete sich hier der Deutsche Verein für Öffentliche Gesundheitspflege, in dem sich die Koryphäen der Hygieniker des Landes versammelten. Treibende Kraft war unter anderem der Frankfurter Mediziner Alexander Spiess, der zehn Jahre später Stadtarzt wurde.
Seit 1866 stand Frankfurt unter preußischer Herrschaft. Für das Gesundheitswesen war seitdem die Königliche Polizeiverwaltung zuständig. Doch gerade für die Schulen und die städtische Hygiene fehlte ein Stadtarzt. So setzte sich der Magistrat gegen die preußischen Herrscher durch und verpflichtete Spiess, der damit auch zum ersten städtischen Schularzt im Deutschen Kaiserreich wurde. Er baute vor allem die kurz zuvor eingeführten regelmäßigen Gesundheitsuntersuchungen von Schülern aus. Diese gibt es bis heute. Alle Ergebnisse der körperlichen Untersuchung wurden schon damals in einen Gesundheitsschein übertragen, der das Kind die gesamte Schullaufbahn über begleitete. 1884 eröffnete zudem das erste städtische Krankenhaus in Sachsenhausen.
©Text: Sabine Börchers