1970er und 1980er Jahre
Neue
Herausforderungen – Das Gesundheitsamt als Pionier
Die
Aufgaben des öffentlichen Gesundheitswesens wurden seit den 1960er Jahren
umfangreicher und vielschichtiger. Angefangen von Umweltthemen über die
Drogenproblematik bis hin zu den ersten AIDS-Fällen stand das Gesundheitsamt
vor etlichen neuen Herausforderungen. Es übernahm dabei häufig eine
Pionierrolle und entwickelte sich deutschlandweit zu einem der bedeutendsten
Gesundheitsämter der Gegenwart. Die stärker genutzte Radioaktivität veranlasste
Frankfurt beispielsweise dazu, bereits 1959 als eine der ersten Städte in
Deutschland eine Strahlenschutzstelle am Amt einzurichten. Damals gab es rund
1.500 Beschäftigte in der Stadt, die beruflich mit Radioaktivität zu tun
hatten, etwa beim Röntgen oder in Chemiebetrieben.
Auch die Lärm- und Geruchsbekämpfung erhielt in dieser Zeit eine immer stärkere Relevanz. Man prüfte erstmals die Belastungen durch chemische Fabriken, räuchernde Wurstfabriken oder Ölraffinerien. Ein neues bundeseinheitliches Gesetz regelte zudem erstmals den Kampf gegen Infektionskrankheiten mit Vorschriften zu Trinkwasserkontrollen, Schädlingsbekämpfung, Abfallbeseitigung und dem Umgang mit Lebensmitteln. Die regelmäßige Überwachung, einschließlich der Metzger, Bäcker, Konditoren, Lebensmittelhändler und Köche, oblag nun dem Gesundheitsamt, was einen enormen Mehraufwand nach sich zog.
Ende der 1960er Jahre musste sich das Amt erstmals mit dem Thema Drogen auseinandersetzen. Eine Rauschgiftwelle sei über die Schulen und die Jugend hereingebrochen, hieß es damals. Haschisch wurde zur Modedroge, der Heroinkonsum hatte sich versechsfacht. In Frankfurt sei Stoff im Wert von 50.000 Mark pro Monat im Umlauf, schrieben die Zeitungen. Die Stadt reagierte und richtete im Gesundheitsamt im Januar 1970 die deutschlandweit erste „Beratungsstelle für Rauschgiftgefährdete“ ein. Diese gab unter anderem für Eltern, Lehrerinnen und Lehrer ein „ABC der Drogenszene“ heraus, in dem Begriffe wie „Koks“ für Kokain erklärt wurden.
Anfang
der 1980er Jahre forderte ein neu entdecktes Virus die öffentlichen
Gesundheitseinrichtungen: HIV. Die Frankfurter Oberärztin Eilke Brigitte Helm
und Professor Wolfgang Stille behandelten am Frankfurter Universitätsklinikum
die ersten deutschen AIDS-Fälle. 1985 stieg ihre Zahl sprunghaft auf 53 Fälle
an. Auch darauf reagierte das Gesundheitsamt umgehend und ließ die bundesweit
erste Aufklärungsbroschüre einer solchen kommunalen Institution drucken, die
entsprechend rasch vergriffen war. Im September des gleichen Jahres noch
eröffnete als Außenstelle des Amtes eine der ersten offiziellen
Beratungsstellen im Haus 68 der Uniklinik. Dort konnten auch anonyme HIV-Tests
durchgeführt werden. Mittlerweile ist die Beratungsstelle im Amt selbst
angesiedelt.
Viele
Drogenabhängige infizierten sich damals durch das mehrfache Benutzen von
Spritzen mit HIV. Auch sie bezog das Gesundheitsamt bei seiner
Präventionsarbeit früh mit ein und beschritt dabei von Anfang an neue Wege. Die
Behörde richtete im Dezember 1987 zunächst als Pilotprojekt eine Ambulanz für
Ausstiegshilfen ein. Bis 1990 wurde in diesem ersten kommunalen
Substitutionsprogramm Deutschlands insgesamt 46 Hilfesuchenden Methadon als
synthetischer Ersatz für Heroin verabreicht. Die Ärztinnen und Ärzte der
Uniklinik, die das Projekt begleiteten, werteten es als Erfolg. Das zentrale
Anliegen, die Beschaffungsprostitution einzudämmen, sei erfüllt worden. Der
Drogenkonsum war drastisch zurückgegangen, die Lebensumstände der
Hilfesuchenden hatten sich einschneidend verbessert. Als „Frankfurter Modell“
wurde das Projekt ausgeweitet und machte ebenfalls bundesweit Schule.
©Text: Sabine Börchers