Die Entstehung des Gesundheitsamts
Dienststelle
ohne Verwaltung – Das Stadtgesundheitsamt entsteht
Die
Entstehung des Frankfurter Gesundheitsamtes im Jahr 1917 beruht auf einem
Kuriosum: Die während des Ersten Weltkriegs stark beanspruchte Jugendfürsorge
benötigte eine stärkere medizinische Unterstützung, da viele Kinder durch die
Kriegsfolgen zu verwahrlosen drohten. Deshalb entschloss sich der Magistrat,
weitere Stadtärzte zu verpflichten. Alexander Spiess und sein Nachfolger waren
bis dahin Einzelkämpfer gewesen und hatten ihre Korrespondenz schlicht mit
„Stadtarzt“ unterschrieben. Durch die zwei zusätzlichen Ärzte musste nun eine
Bezeichnung für eine gemeinsame Dienststelle her. Der Magistrat gab ihr den
Namen „Stadtgesundheitsamt“ und legte, quasi mit einem Federstrich, am
1. April 1917 den Grundstein für die Frankfurter Behörde.
Doch
eine solche setzt neben Ärzten eine Verwaltung voraus, die es im
Stadtgesundheitsamt aber nicht gab. Bis aus ihm eine Behörde wurde, die über
einen entsprechenden Unterbau und Kompetenzen verfügte, vergingen noch
dreieinhalb Jahre. Erst nach Kriegsende, im November 1920, wurde das Amt in den
städtischen Verwaltungsapparat eingegliedert und erhielt Räume im Römer. Es
unterstanden ihr nach und nach die Stadthygiene, die Schul- und Wohlfahrtsärzte
sowie die Krankenhäuser und der Rettungsdienst.
Aufgrund
der Mangelernährung und der beengten Wohnverhältnisse nach dem Krieg breitete
sich die Tuberkulose in der Stadt massiv aus. 1919 starben mehr als 1.000
Menschen an der Krankheit. Weil nicht einmal die Hälfte der damals überwachten
Patientinnen und Patienten ein eigenes Schlafzimmer hatten, war die
Infektionsgefahr groß. Die Stadt kooperierte mit dem Frankfurter Verein
Tuberkulosefürsorge, der eine zentrale Anlaufstelle betrieb und
Fürsorgeschwestern zu den Kranken schickte. Sie sorgten auch für
Wohnungsdesinfektionen, Leihbetten oder Mietzuschüsse.
Die
Arbeit in den Schulen wurde weiter ausgebaut. Neben den regelmäßigen
Untersuchungen gab es zunächst alle 14 Tage Sprechstunden in den Volks- und
Mittelschulen. Selbst die Schulabgänger wurden einer Untersuchung unterzogen,
inklusive ärztlicher Berufsberatung. Als durch die Inflation der 1920er Jahre
das Geld knapp wurde, richtete man zentrale Jugendberatungsstellen ein, in die
jedes Kind im Alter von 2 bis 18 Jahren mit seinen Eltern gehen konnte. Für die
Zahngesundheit übernahm man 1919 die private Schulzahnklinik. Im Schuljahr
1923/24 wurden dort insgesamt 502 Klassen mit mehr als 17.000 Schülerinnen und
Schüler untersucht. Damals litten mehr als 60 Prozent von ihnen an Karies.
Zu den wichtigsten Aufgaben des Amtes zählte auch der Kampf gegen Geschlechtskrankheiten. Drei Fürsorgerinnen kümmerten sich in der Beratungsstelle um geschlechtskranke Frauen und Mädchen, um zugleich der Prostitution entgegenzuwirken. Erstmals ging man gegen diese nicht mit polizeilichen Zwangsmaßnahmen vor, sondern versuchte, das Vertrauen der Frauen zu gewinnen und sie zu regelmäßigen Untersuchungen zu bewegen. Es gab allerdings eine Meldepflicht, wenn jemand erkrankt war, an die sich die praktischen Ärzte aber nur selten hielten. Die Beratungsstelle war der Abteilung „Soziale Hygiene“ im Amt unterstellt.
Die Idee der Rassenhygiene, also einer Auslese gesunder und vermeintlich hochwertiger Erbanlagen, wie sie die Nationalsozialisten später für ihre Zwecke nutzten, kam bereits in den 1920er Jahren auf. So gab es am Gesundheitsamt schon seit November 1924 eine Eheberatungsstelle, in der Paaren von einer Verbindung abgeraten wurde, wenn sie gesundheitlich dafür nach damaligen Maßstäben nicht geeignet erschienen. Noch war die Beratung allerdings nicht verpflichtend und die Paare konnten trotzdem heiraten.
©Text: Sabine Börchers