Hess, Jakob

Hess, Jakob

Stolperstein-Biographien in der Altstadt

Hess, Jakob

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Blick in die Straße Hinter den Lämmchen 6 etwa um 1940. Heute Markt 44 © Institut für Stadtgeschichte

 

Jakob Hess wurde am 7. April 1916 als zweites von fünf Kindern in Frankfurt am Main geboren. Seine Mutter, Anna Luise Hess, geb. Pelkner (1891-1953) stammte aus Frankfurt-Bockenheim und war ungelernte Arbeiterin, u. a. bei Voigt & Haefner, einer elektrotechnischen Fabrik an der Hanauer Landstraße. Ihr Vater war Schuster und im 19. Jahrhundert aus dem schlesischen Liegnitz (heute Polen) nach Frankfurt am Main gekommen. Jakobs Vater, ebenfalls mit Namen Jakob Hess (1890-1930), war Maurer und kam aus Heldenbergen in der Wetterau. Die Ehe der Eltern wurde in den 20er Jahren geschieden; Anna Luise Hess nahm danach wieder ihren Mädchennamen Pelkner an.

 

Neben seinem älteren Bruder Georg (Jg. 1913) hatte Jakob zwei jüngere Brüder, Rudolf (1918-1980) und Heinrich (Jg. 1928). Die Schwester Luise (Jg. 1919) starb bereits als Kleinkind an Diphtherie. Jakob lebte mit seinen Eltern in Frankfurt, zuletzt in der im 2. Weltkrieg zerstörten Frankfurter Altstadt, im Haus Hinter dem Lämmchen 4. Mit etwa 12 Jahren erkrankte er an Epilepsie.

 

Da die allein erziehende, erwerbstätige Mutter mit der Betreuung des behinderten Sohnes zunehmend überfordert war, wurde Jakob am 10. August 1931 in den Bodelschwinghschen Anstalten Bethel in Bielefeld (Haus Arafna) aufgenommen. Dort arbeitete er in der Schreinerei. Seine Mutter hat ihn dort gemeinsam mit ihrem jüngsten Sohn besucht. Nach dessen Aussagen ging es seinem behinderten Bruder in Bethel gut. Er hätte dort vermutlich noch viele Jahre leben und arbeiten und die Einrichtung später vielleicht wieder verlassen und ein selbstständiges Leben führen können.

 

1933 zog Anna Pelkner mit dem fünfjährigen Sohn Heinrich aus der Frankfurter Altstadt in die Rohrbachstraße Nr. 40 im Nordend. Am 7. 11. 1934 wurde Jakob Hess aufgrund einer Gesetzesänderung in die von seinem Wohnort her zuständige staatliche Heil- und Pflegeanstalt Kalmenhof (Regierungsbezirk Wiesbaden) in der nassauischen Stadt Idstein im Taunus zwangsverlegt.

 

Am 23. 8. 1939 erhielt die Mutter von der Anstalt ein standardisiertes Telegramm, ihr Sohn Jakob sei "im Anfall plötzlich verschieden" und die Leiche bereits beigesetzt.

 

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Gedenktafel im Kalmenhof staatliche Heil- und Pflegeanstalt. Heute eine Gedenkstätte © Institut für Stadtgeschichte

 

Auf der Gedenktafel im Kalmenhof wird als Todesdatum der 19.8.1939 angegeben. Der Grabstein, den die Mutter für ihren Sohn auf dem Anstaltsfriedhof verlegen ließ, war nach dem Krieg nicht mehr aufzufinden. Nach Aussage des Bruders ahnte die Mutter aufgrund von Gesprächen mit anderen betroffenen Eltern, dass ihr Sohn nicht eines natürlichen Todes gestorben, sondern im Rahmen der so genannten "Euthanasie" ermordet worden war. Sie berichtete, Jakob habe sich bei Besuchen mehrmals über unangenehme Spritzen beklagt, die ihm im Kalmenhof verabreicht worden seien. Die näheren Umstände seines Todes sind bis heute ungeklärt.

 

Die hauseigene Dokumentation der heutigen Heil- und Pflegeanstalt Kalmenhof über die NS-Zeit enthält eine Gedenktafel mit einer Namensliste der "Euthanasie"-Opfer, auch derer, die bereits vor Beginn der "Aktion T4" im Rahmen der "Kinder- und Jugendeuthanasie" im Kalmenhof ermordet wurden. Diese Liste nennt - neben vielen anderen - Jakob Hess, Todesdatum: 19. 8. 1939 (siehe Foto).

 

Auf dem Gelände der Heil- und Pflegeeinrichtung Kalmenhof befindet sich heute eine Gedenkstätte für die in den Jahren 1941 bis 1945 dort getöteten Menschen. Die sterblichen Überreste auch der bereits vor 1941 Ermordeten wurden nach heutigem Kenntnisstand vermutlich auf dem Gelände des Kalmenhofs verbrannt und vergraben. Nach Auskunft des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen sind die älteren Akten des Kalmenhofes durch eine Überschwemmung in den Nachkriegsjahren sämtlich vernichtet worden.

 

Bei der Verlegung des Stolpersteins anwesend waren seine Nichten Eva Pelkner aus Frankfurt am Main und Anna-Katharina Pelkner aus Berlin, sowie Gudrun Pelkner, Ehefrau seines Bruders Heinrich, aus Darmstadt.

 

Im Rahmen der Frankfurter "Neuen Altstadt" wurde die originale Adresse von Jakob Hess, "Hinter dem Lämmchen 4", rekonstruiert. Der zuvor vor dem Technischen Rathaus verlegte Stein konnte nun an den Ort des letzten freiwilligen Wohnorts überführt werden. Bei der erneuten "Enthüllung" des Steins am 09.05.2018 war sein 90-jährige Bruder Heinrich anwesend.

Jakob Hess

Geburtsdatum:

Einweisung:

Todesdatum:

07.04.1916

1934 in "Heilanstalt" Idstein-Kalmenhof

19.08.1939

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Stolperstein Hinter dem Lämmchen 4, Jakob Hess © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main , Foto: keine Angabe

 


 

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