Cannabis-Modellprojekt
Der Startschuss für das Modellprojekt zur regulierten Abgabe von Cannabis in Frankfurt am Main ist gefallen. Elke Voitl, Dezernentin für Soziales und Gesundheit, Dr. Artur Schroers, Leiter des Drogenreferats, und Finn Hänsel, Gründer und Geschäftsführer der Sanity Group GmbH, unterzeichneten am 30. Oktober 2024 eine entsprechende Absichtserklärung. Mit dabei ist Prof. Dr. Heino Stöver (rechts auf dem Bild) von der Frankfurt University of Applied Sciences als wissenschaftliche Leitung der geplanten Studie.
Was ist genau geplant? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
1. Wie kam es zu der Idee,
ein Modellprojekt auf den Weg zu bringen?
Die Etablierung eines Modellprojekts zur regulierten Abgabe von
Cannabis an Erwachsene ist ein Bestandteil des Frankfurter Koalitionsvertrags.
Seit der Vorstellung des Zwei-Säulen-Modells durch die Bundesregierung hat die
Stadt Frankfurt am Main angekündigt, Cannabis-Modellregion werden zu wollen.
Nun bietet sich die Möglichkeit dazu: Renommierte Wissenschaftler:innen und das
Unternehmen Sanity Group GmbH wollen baldmöglichst einen Antrag bei der
zuständigen Bundesbehörde stellen.
2. Warum braucht es
ein Modellprojekt?
Die Teil-Legalisierung durch das Cannabisgesetz war ein guter erster
Schritt. Aber dieser reicht nicht. Für einen Großteil der Konsumierenden kommen
weder der Eigenanbau noch die Mitgliedschaft in einer Anbauvereinigung in
Frage. Es benötigt mehr legale Bezugsquellen für Cannabis, um den
Cannabis-Schwarzmarkt wirkungsvoll einzudämmen, die Verbreitung von verunreinigtem
Cannabis zu verhindern und den Gesundheitsschutz zu verbessern. Auch der Jugendschutz
sowie die Gewährleistung des Zugangs zum Hilfesystem bei problematischem Konsum
werden unter den Bedingungen eines kontrollierten Handels besser umzusetzen
sein.
3. Was kommt nach der
Absichtserklärung?
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft legt per
Verordnung fest, welche Behörde für die Erlaubnis zum Umgang mit Cannabis für
wissenschaftliche Zwecke zuständig ist. Sobald dies geschehen ist, werden die
wissenschaftliche Studienleitung und das Unternehmen Sanity Group GmbH einen entsprechenden
Antrag stellen.
4. Wie sieht das
Studiendesign aus?
In der geplanten Studie sollen gesunde, erwachsene
Studienteilnehmer:innen über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren legal Zugang
zu Cannabisblüten und weiteren THC-haltigen Produkten erhalten. Zu
Studienbeginn und alle sechs Monate bis zum individuellen Ende der Datenerhebung
werden die Teilnehmenden befragt. Weitere Daten werden unter anderem durch
regelmäßige begleitende Fokusgruppen mit der Polizei, den lokalen Behörden, den
Suchtberatungsstellen und weiteren relevanten Akteur:innen erhoben.
5. Wie läuft die
Studie ab?
Personen, die an der Studie teilnehmen wollen, müssen ihren Wohnsitz
in Frankfurt haben. Sie füllen einen Screening-Fragebogen aus und nehmen an
einem Eignungsgespräch in einer Verkaufsstelle teil. Sofern alle Ein- und
Ausschlusskriterien erfüllt sind, erhalten sie im Anschluss einen
Teilnehmendenausweis. Der muss bei jedem Kauf zusammen mit einem amtlichen
Ausweis vorgelegt werden, um die Identität abzugleichen. Die Dauer der Studie
beträgt für jeden einzelnen Teilnehmenden 24 Monate. Alle Teilnehmenden können
auch länger dabeibleiben, maximal bis zum Ende der Studienlaufzeit von 5
Jahren. Die Teilnehmenden können jederzeit ohne Angabe von Gründen die Studie
abbrechen.
6. Wer darf Cannabis
kaufen?
An der Studie teilnehmen können volljährige, einwilligungsfähige
Einwohner:innen aus Frankfurt am Main. Ausgeschlossen sind schwangere und
stillende Frauen sowie Personen mit schwerwiegenden körperlichen oder
psychischen Erkrankungen, für die nach Einschätzung des Studienarztes/der
Studienärztin die Risiken einer Studienteilnahme den potenziellen Nutzen
überwiegen: etwa schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Einnahme von bestimmten
Medikamenten, Allergie/Unverträglichkeiten gegenüber Cannabis, demenzielle
Erkrankungen, Psychosen, akute Eigengefährdung, Suizidalität. Weitere
Ausschlusskriterien sind eine aktuelle stationäre (psychiatrische) Behandlung
und das Bestehen einer gesetzlichen Betreuung. Alle Personen, welche die oben
genannten Kriterien erfüllen, können an der Studie teilnehmen, es gibt keine
Obergrenze.
7. Welche
Produkte wird es geben?
Bei dem Forschungsprojekt wird den Teilnehmenden ein breites
Produktsortiment angeboten: Blüten, Hasch und Produkte zum „Vapen“, alle in
kindersicher gestalteten Verpackungen. Zudem unterscheiden sich die Produkte hinsichtlich
ihres Gehalts an THC und CBD. Durch das vielfältige Produktangebot soll es den
Teilnehmenden ermöglicht werden, unkompliziert zu Produkten mit geringerem
gesundheitlichen Risiko zu wechseln.
8. Was wird das
Cannabis kosten?
Der Preis aller Produkte orientiert sich an deren Wirkstoffgehalt (je
höher der THC-Gehalt desto höher der Preis) sowie dem Preisniveau auf dem
illegalen Markt. Dieser lag 2021 bei ca. 10 Euro pro Gramm Cannabisblüten.
Genaue Preise hängen von der Qualität des Endproduktes ab, werden erst zum
Projektstart final festgelegt und können im Laufe der Studienperiode angepasst
werden, wenn sich die Einkaufspreise oder die Preise des illegalen Marktes ändern.
9. Wie viele Geschäfte
wird es geben? Und wo?
Derzeit sind bis zu vier Geschäfte in Frankfurt am Main geplant. Je
nach Teilnehmendenzahlen können im Verlauf der Studie weitere Verkaufsstellen
hinzukommen. Die Orte für die Geschäfte stehen noch nicht fest.
10. Wie wird der
Jugend- und Gesundheitsschutz gewährleistet?
Alle Teilnehmenden erhalten vor Studienteilnahme Informationen zum
Thema Jugendschutz. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die kindersichere
Aufbewahrung von Cannabisprodukten sowie den verantwortungsvollen Umgang mit
diesen Produkten im Beisein von Minderjährigen gelegt. Alle Verpackungen der
Produkte sind kindersicher gestaltet und tragen deutliche Hinweise zum
Jugendschutz. In den Verkaufsstellen gilt striktes Eintrittsverbot für Minderjährige.
11. Wer sind die
Beteiligten an der Studie?
Die wissenschaftliche Studienleitung des Forschungsprojektes wird von
Frau Prof.in Dr. Kirsten Müller-Vahl und Herrn Prof. Dr. Heino Stöver
übernommen. Sie sind als Studienleitungen alleinig für die Auswertung der
Studienergebnisse verantwortlich, so dass eine vollständige Unabhängigkeit der
Forschungsergebnisse gewährleistet ist.
Prof.in Müller-Vahl ist Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie und
Oberärztin an der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie
der Medizinischen Hochschule Hannover. Prof. Dr. Stöver ist promovierter
Sozialwissenschaftler, Professor an der Frankfurt University of Applied
Sciences in Deutschland und ehemaliger Direktor des „Instituts für
Suchtforschung“.
Für den Antrag beim Bund und die operative Umsetzung des Projekts ist
das Unternehmen Sanity Group GmbH zuständig. In Zusammenarbeit mit seiner
Tochterfirma, der Sanity Group Switzerland AG, betreibt es bereits in Basel-Landschaft/Schweiz
zwei Fachgeschäfte für die Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken im Rahmen des
Cannabis-Forschungsprojekts „Grashaus Projects BL“.
12. Inwieweit
profitiert die Prävention von den Einnahmen aus dem Cannabis-Verkauf?
Die Sanity Group GmbH hat sich verpflichtet, einen Teil der Einnahmen an gemeinnützige Einrichtungen der Suchtprävention in Frankfurt am Main zu spenden, und zwar einen Euro pro verkauftem Gramm Cannabisblüten.