Kahn, Carl und Jenny

Kahn, Carl und Jenny

Stolperstein-Biographien in Nied

Kahn, Carl und Jenny

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Kahn, Carl © Projekt "Juden in Höchst", Foto: keine Angaben

 

Dr. Carl Kahn wurde im hessischen Ranstadt geboren und kam 1904 nach Nied. Hier heiratete er die aus Biebrich stammende Jenny Marx. Ihre Wohnung und Arztpraxis waren damals in der Hauptstraße 15, die heute „Alt Nied" heißt. Hier kam auch die Tochter Else 1904 zur Welt, die in Nied die Volksschule und später in Höchst das Lyzeum besuchte.

 

Dr. Kahn meldete sich im August 1914 zu Beginn des Ersten Weltkrieg sofort als Freiwilliger. Für seinen Einsatz wurde er mit dem „Eisernen Kreuz" erster Klasse ausgezeichnet. Er gehörte in Nied verschiedenen Vereinen und Ehrenausschüssen an, so der freiwilligen Feuerwehr, dem „Liederzweig" (heute Männergesangverein) und der Turnerschaft von 1877 (heute SG-Nied), hier als Sportarzt.

 

1928 heiratete die Tochter Else den 1903 geborenen praktischen Arzt Dr. Hans Goldschmidt aus Nieder-Weisel bei Butzbach. Im gleichen Jahr kaufte Dr. Kahn Haus und Garten in der Oeserstraße 54. Hier lebte das junge Paar. Dr. Goldschmidt eröffnete hier seine Praxis. Mit der Verordnung zum 20.04.1933, in der es heißt „die Tätigkeit von Kassenärzten nichtarischer Abstammung ... wird beendet", erhielt er Berufsverbot, während Dr. Kahn, da er Weltkriegsteilnehmer war, noch praktizieren durfte. Die Goldschmidts hatten inzwischen zwei Töchter im Alter von 2 und 4 Jahren. Mit Hilfe eines Cousins verlässt Hans Goldschmidt im Mai 1937 Deutschland, um in den USA die Voraussetzungen für das Asyl seiner Familie zu schaffen.

 

Im September 1937 endet auch die „Schonfrist" für Juden, die Soldaten im ersten Weltkrieg waren. Sie verlieren endgültig ihre Krankenkassenzulassung sowie die Approbation, die staatliche Zulassung. Carl und Jenny Kahn geben die Praxis und Wohnung in „Alt Nied" auf und ziehen zu ihrer Tochter und den Enkelinnen in das Haus Oeserstraße 54. Mit Sondergenehmigungen konnten jüdische Ärzte noch als „Krankenbehandler von Juden" tätig sein. Das traf auch auf Dr. Kahn zu.

 

Im Rahmen des Novemberpogroms 1938 wurden auch bei den Kahns in der Oeserstraße Steine in die Fenster geworfen. Aus Angst vor weiteren Übergriffen verbrachte die Familie die nächsten Nächte in der Wohnung von Berthold Ettinghausen, dem Vorsteher der Jüdischen Gemeinde in Höchst. Am 10.11.1938 wurde Dr. Kahn verhaftet. Von Höchst aus wurden die verhafteten Juden auf offenen Lastwagen zur Festhalle gefahren. In der Festhalle und auf dem Weg in das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar waren die Menschen Erniedrigungen und schweren Misshandlungen ausgesetzt

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Am 14.11.1938 emigrierte Else Goldschmidt mit ihren Kindern in die USA. 1990 schrieb sie: „Ich war mir bewusst, dass da kein Wiedersehen möglich sein würde." Sie schrieb auch, dass die Ausreise der Eltern an der Einwanderungsquote scheiterte. Nach der Entlassung in Buchenwald am 28.11.1938 kehrte Dr. Kahn gänzlich kahlgeschoren und total entkräftet nach Nied zurück.

 

Nach der Vermögensanmeldung erfolgte für Juden der Zwang zum Verkauf von Häusern. Käufer war der Reichsbahnrat Karl Hönmann. Er war freiwillig dazu bereit, mehr zu bezahlen; das wurde vom Bauamt beanstandet. Über das Geld durften die Kahns nicht verfügen; es kam auf ein Sperrkonto, von dem sie nur relativ geringe Beträge abheben konnten. Im Vertrag wurde zudem festgelegt, dass die Kahns die Parterrewohnung, sowie den Garten „bis zur Auswanderung" nutzen können.

 

Am 20.04.1942 schrieben die Kahns einen Brief an ihre Kinder, indem sie ankündigten, dass sie sich das Leben nehmen wollen. Da sie evtl. noch Hoffnung hatten, heben sie diesen Brief noch auf. Am 10.06.1942 schrieb Carl Kahn auf den linken Rand des Briefes: „Das Maß ist voll, es bleibt uns kein Ausweg mehr. Freut Euch, daß wir heute unser Leben beenden konnten."

 

Begraben wurde das Ehepaar Kahn auf dem jüdischen Friedhof in Eckenheim. Auf dem Mahnmal für die Opfer des Faschismus, das in Nied bereits 1947 vor dem Friedhof aufgestellt wurde, sind Carl und Jenny Kahn verzeichnet; 1992 wurde der Platz vor dem Friedhof nach ihnen benannt.

Carl Kahn 

Geburtsdatum:

Todesdatum:

11.08.1878

10.06.1942 (Suizid)

Jenny Kahn, Geb. Marx

Geburtsdatum:

Todesdatum:

26.01.1879

10.06.1942 (Suizid)


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Stolperstein Oeserstraße 54 Dr. Carl Kahn © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

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Stolperstein Oeserstraße 54 Jenny Kahn © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

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