Überarbeitetes PSNV Konzept

Überarbeitetes PSNV Konzept

Psychosoziale Notfallversorgung

Überarbeitete Konzept der Psychosozialen Notfallversorgung von Gesundheitsamt und Branddirektion

Arbeitskreis Psychosoziale Notfallversorgung
Arbeitskreis Psychosoziale Notfallversorgung © Stadt Frankfurt am Main, Foto: Gesundheitsamt

Schwere Verkehrsunfälle mit vielen Beteiligten, ein Unglück bei einer Veranstaltung, ein Großbrand oder ein Anschlag – Krisensituationen wie diese können jederzeit Realität werden. Um gut vorbereitet zu sein und Betroffene in einer solchen Lage psychosozial betreuen zu können, hat das Gesundheitsamt gemeinsam mit allen Netzwerkpartnern der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) pünktlich zur UEFA Euro 2024 das PSNV-Konzept neu aufgelegt. An der Neuauflage beteiligt sind neben dem Gesundheitsamt und der Branddirektion die Polizei Frankfurt und Hessen, die Notfallseelsorge, Schulpsycholog:innen, die Opferschutzbeauftragte des Landes Hessen, die Frankfurter Hilfsorganisationen, der Flughafen und die Unfallkasse Hessen. Hier berichtet Peter Waterstraat, PSNV-Koordinator im Gesundheitsamt, über die Neuerung des Konzepts und warum es eine bundesweit einzigartige Grundlage zur Psychosozialen Notfallversorgung darstellt.

Peter Waterstraat
Peter Waterstraat © Stadt Frankfurt am Main, Foto: Gesundheitsamt

Herr Waterstraat, wann ist die Psychosoziale Notfallversorgung gefragt?


PETER WATERSTRAAT: Es gibt verschiedene Stufen. Bereits eine Schießerei, ein Suizid mit Augenzeugen oder ein U-Bahnunfall können einen Einsatz erfordern, auch ein Amoklauf an einer Schule, eine Gasexplosion oder ein Brand. Ein Terroranschlag oder ein schwerer Unfall mit vielen Verletzen sind mögliche Szenarien von großer Tragweite. In all diesen Fällen gilt es, Betroffene, Augenzeug:innen, Angehörige, Ersthelfer:innen und auch Einsatzkräfte schnell psychosozial zu versorgen, um möglichen Folgen vorzubeugen. Die PSNV-Akteurinnen und -Akteure der unterschiedlichen Professionen arbeiten gemeinsam daran, durch Großschadenslagen auftretenden Belastungen und psychischen Störungen zu vermeiden und zu reduzieren.

 

Was ist im PSNV-Konzept der Stadt Frankfurt festgehalten?


WATERSTRAAT: Zum einen die Grundlagen und die Definition der Psychosozialen Notfallversorgung, zum anderem die Beschreibung des Vorgehens bei Großschadenslagen in der Stadt: Wer ist in welchem Fall zuständig, wie wird die PSNV im Einsatz eingebunden, welche planerischen Grundlagen ergeben sich aus dem Sonderschutzplan Massenanfall von Verletzten (SSP MANV), welche PSNV-Systeme kommen an welcher Stelle zum Einsatz und was sind die Aufgaben der PSNV-Koordinierungsstelle.

Warum wurde die Überarbeitung notwendig?


WATERSTRAAT: Die erste Auflage stammt aus dem Jahr 2008, die jetzt vorliegende ist die vierte Auflage. Die Anpassungen ergaben sich unter anderem durch das 2020 geschaffene Amt der Beauftragten der Hessischen Landesregierung für die Opfer von Terroranschlägen und schweren Gewalttaten, die als neue Akteurin der PSNV hinzukam. Und durch den aktualisierten SSP MANV, der festlegt, wie der Rettungsdienst mit einer großen Anzahl von Verletzen umgeht.

Was ist neben diesen Aktualisierungen neu?


WATERSTRAAT: Neu ist, dass wir zeitnah eine anlassbezogene Koordinierungsgruppe einrichten: Der Führungs- beziehungsweise Katastrophenschutzstab aktiviert sie nach einer Großschadenslage gemeinsam mit der Leitung der ständigen Koordinierungsstelle der PSNV. Dies ermöglicht kurze Wege und gewährleistet eine nahtlose Weiterführung der Hilfen aus der Akutphase in die Übergangsphase. Eine anlassbezogene Koordinierungsstelle soll binnen 48 Stunden einberufen werden, alle an der jeweiligen Lage Beteiligten werden dazu von der Fachberatung PSNV oder der PSNV-Koordination des Gesundheitsamtes eingeladen. Gesundheitsamt, Feuerwehr, Polizei, Opferschutz und Unfallkasse wirken von Beginn an bei der anlassbezogenen Koordinierungsstelle mit.

Im Vorwort des PSNV-Konzepts ist die Rede von einer bundesweit einzigartigen Grundlage – was macht das Konzept besonders?


WATERSTRAAT: Wir nehmen sowohl die kurzfristige als auch die mittel- bis langfristige Versorgung in den Blick. Die PSNV in der Akutphase einer Schadens- oder Großschadenslage, etwa wenn ein Zug entgleist und es viele Betroffene gibt, ist in ganz Deutschland gut organisiert. In Frankfurt denken wir über diese Phase hinaus: Wohin können sich Betroffene, Angehörige, Augenzeug:innen zwei Wochen nach dem Ereignis wenden, wohin nach einem halben Jahr? Wir nehmen alle Beteiligten, die Unterstützung bieten, in Betracht, um eine nahtlose Weiterführung der Hilfen nach der Akutphase zu gewährleisten. Denn Betroffenheit kann lange über diese Phase hinaus andauern. Sie kann sich auch erst nach Wochen oder Monaten zeigen. Auch dann wollen wir die Menschen unterstützen, indem wir ihnen ein strukturiertes Angebot zur Verfügung stellen, das von einer Stelle aus koordiniert wird.

Wie funktioniert das?


WATERSTRAAT: Wir bündeln alle Angebote und haben eine Anlaufstelle mit einer Telefonnummer für alle möglichen Schadenslagen: Die ständige PSNV-Koordinierungsstelle im Gesundheitsamt Frankfurt. Sie ist also an den Öffentlichen Gesundheitsdienst angebunden und wird von mir als Vollzeitkraft koordiniert. Dieses Konzept gibt es deutschlandweit nur in Frankfurt. Als Koordinator bin ich in alle Phasen der PSNV eingebunden. Dadurch können wir in Frankfurt stets bedürfnis- und bedarfsorientiert je nach Lage vermitteln. Alle Akteur:innen der PSNV in Frankfurt sind gleichberechtigt an der Versorgung der Menschen beteiligt und stimmen sich ständig ab. Aber nicht alle sind in der jeweiligen Schadenslage gefragt: Bei Straftaten können wir an den Opferschutz verweisen, bei Ereignissen an Schulen an die Schulpsychologinnen und –psychologen, bei einem Unglück am Flughafen sind ausgebildete Kräfte des Flughafens vor Ort.

Warum ist es wichtig, alle Akteur:innen und Angebote zu bündeln?


WATERSTRAAT: Psychosoziale Notfallversorgung bei Großschadenslagen ist ein sehr komplexes Vorhaben, das nur im Netzwerk funktionieren kann. Dafür ist eine transdisziplinäre, kooperative und vertrauensvolle Grundhaltung aller Beteiligten unerlässlich. Mit dem PSNV-Konzept, in dessen Überarbeitung alle Akteurinnen und Akteure eingebunden waren, legen wir einen Grundstein für eine funktionierende Zusammenarbeit während und nach einer Großschadenlage vor – zum Wohle der Menschen und der Gäste in der Stadt.

 

Text: Anja Prechel

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