Gemeinsam statt einsam
Gesundheitsamt verschreibt Kultur gegen Einsamkeit
Kultur, da sind sich Matthias Roos und Katharina Popp einig, ist ein hochwirksames Mittel gegen Einsamkeit. Darum wollen sie ab März kommenden Jahres Menschen, die sich einsam fühlen, kulturelle Aktivitäten, wie zum Beispiel einen Theater-Workshop oder einen Malkurs, auf Rezept verschreiben. Das Bewerbungsverfahren für ein solches Kulturrezept startet am heutigen 2. Dezember.
„COPE – Culture On Prescription in Europe“ ist der Name des Projektes, das Roos, Psychologe am Gesundheitsamt Frankfurt, gemeinsam mit dem ISIS Institut für Soziale Infrastruktur erdacht hat. Seit 2009 ist Roos im Amt tätig. Als Leiter des Bereichs „Gesundheit im Alter/Prävention“, in dem zahlreiche Veranstaltungen für verschiedene Altersgruppen entwickelt und organisiert werden, ist Roos überzeugt davon, dass Kultur und Gesundheit zusammengehören. „Kultur verbindet Menschen, schafft soziale Interaktion und, wenn man sich der Kunst gemeinsam mit einer Gruppe widmet, auch Austausch unter Gleichgesinnten“, erklärt er.
„Genau darauf
zielt COPE ab: Menschen zusammenbringen, die mehrheitlich allein leben, nur
wenige soziale Kontakte haben, kurz – einsam sind“, sagt Dr. Peter Tinnemann,
Leiter des Gesundheitsamts Frankfurt. Wie viele Menschen von Einsamkeit
betroffen sind, belegen aktuelle Zahlen: Mehr als 75 Millionen Europäer:innen
treffen sich höchstens einmal im Monat mit Familie oder Freund:innen, etwa 30
Millionen fühlen sich regelmäßig einsam. Und die gefühlte Einsamkeit hat
während der Pandemie noch zugenommen. Tinnemann: „Jetzt ist genau die richtige
Zeit, um ein Projekt wie ‚Kultur auf Rezept‘ zu initiieren. Mit ihm können wir
Betroffene direkt erreichen und dazu beitragen, ihre seelische Gesundheit zu
fördern.“
Mit speziell
zugeschnittenen Kreativangeboten soll dies gelingen. „Im März beginnen wir mit
einem Malkurs mit dem Kunstpädagogen und Sozialarbeiter Andreas Hett und einem
Theater-Workshop in Kooperation mit T-Raum in Offenbach. Bis zu 15
Teilnehmer:innen können in diesen Kursen jeweils mitmachen“, sagt Katharina
Popp, die das Projekt zusammen mit Roos am Gesundheitsamt betreut. Die Kurse
richten sich an Menschen aller Altersgruppen, wollen aber speziell Ältere
ansprechen. „Denn sie leben besonders häufig in sozialer Isolation und haben
oftmals weniger Zugang zu digitalen Angeboten als Jüngere“, weiß Popp.
Um ein Kultur-Rezept zu bekommen, kann man sich bis zum 15. Februar 2023 per E-Mail an kulturrezept@stadt-frankfurt.deInternal Link oder telefonisch an das Gesundheitsamt unter der Nummer 069/212-33129Internal Link wenden. Die Bewerbung beinhaltet das Ausfüllen eines speziellen Fragebogens, mit dessen Hilfe sich der Einsamkeitsgrad der Interessierten bestimmen lässt. Denn von dem Angebot sollen vor allem diejenigen profitieren, die sich einsam fühlen oder die in einer anderen Weise psychisch belastet sind.
„In einem nachfolgenden Gespräch wollen wir klären, ob unsere Kursangebote passen oder ob ein individuelles Angebot wie eine Führung mit einer Kulturbegleiterin oder ein Gutschein für einen Museumsbesuch besser zu der Bewerberin oder dem Bewerber passen. Alle, die sich bewerben, werden ein Kulturrezept bekommen“, erklärt Roos.
Die Gespräche und Fragebögen dienen den Projektkoordinator:innen auch dazu, nach Abschluss der beiden Kreativkurse zu erheben, inwieweit das Kulturrezept Wirkung zeigt – fühlen sich die Teilnehmer:innen noch immer einsam oder bestärkt sie das gemeinschaftliche Erlebnis, künftig eigenständig einen Kurs zu belegen oder sich einer Gruppe anzuschließen? Hat das Einsamkeitsgefühl nachgelassen und wirkt sich das Angebot auch auf andere Bereiche günstig aus? Mit den Erkenntnissen aus COPE wollen die Kooperationspartner:innen mögliche positive Effekte belegen und neue Konzepte gegen Einsamkeit entwickeln.
Roos ist sich schon jetzt sicher: „Kunst schafft Erlebnisse, der Besuch eines Kurses erweitert die eigenen Kenntnisse. Und das erweist sich immer als positiv für die psychische Gesundheit.“