„Die Stadtplanung hat die Aufgabe, Lebensrealitäten zu entwickeln“
Planungsdezernent Josef spricht im Interview über Hochhausentwicklung in Frankfurt
Frankfurts einzigartige Skyline ist das Markenzeichen dieser Stadt. Seit den unmittelbaren Nachkriegsjahren steuert die Stadt Bau und Ansiedlung von Hochhäusern mit Rahmenplänen. Ein neuer ist gerade in Arbeit und wird demnächst in den Gremien der Stadt diskutiert. Ein Gespräch mit Planungsdezernent Mike Josef über bisherige Erfahrungen mit der Hochhausplanung sowie aktuelle und zukünftige Herausforderungen.
Herr
Josef, die Stadt arbeitet aktuell am Hochhausrahmenplan. Wo sehen Sie die
Herausforderungen der Zukunft, gerade wenn man Frankfurt mit anderen Städten
vergleicht?
MIKE JOSEF: Wir haben als Stadt Frankfurt eine sehr lange
Expertise mit Hochhäusern und Leitkonzepten für Hochhäuser, länger als andere
deutsche Städte – etwa Berlin oder München. Und wir können sagen: Es ist schon
schön geworden, wenn man die Skyline sieht. Das hat aber nur geklappt, weil wir
mit Rahmenplänen gezielt gesteuert haben und immer das ganze Bild im Blick
hatten. Allerdings sind in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts auch
Strukturen der Gründerzeit zu Gunsten von Hochhäusern zerstört worden. Es geht
eben immer auch um ökonomische Prozesse, um Bodenwerte und Spekulation. Man
kann also sagen: Wir haben als Stadt Frankfurt eine lange Erfahrung, sowohl
eine positive als auch eine negative. Deswegen brauchen wir wieder einen
Rahmenplan, um die Entwicklung zu steuern. Insgesamt ist mein Eindruck, dass
die Stadt ihren Frieden mit der Skyline gefunden hat.
Worauf
kommt es im Umgang mit diesen Rahmenplänen besonders an?
JOSEF: Ein Rahmenplan lebt davon, dass die Akteure sich
daran halten. Wir müssen sie also in Planungsrecht umsetzen. Die Stadt ist
wirtschaftlich nach wie vor so attraktiv, dass es immer auch Nachfragen geben
wird, die außerhalb der Rahmenpläne liegen. Etwa, indem Investoren auf die
Kommune zugehen und für bestimmte Grundstücke Projekte in Aussicht stellen, die
als städtebaulicher Fixpunkt markant wären und zugleich eine Bauhöhe von
hundert Metern verlangen, obwohl nur einige Stockwerke vorgesehen sind. Das
sehen wir etwa rund um die EZB oder in der Innenstadt, wofür wir kontinuierlich
Anfragen bekommen. In solchen Fällen müssen wir klar bleiben.
Sie
sind seit 2016 Planungsdezernent. Bei der Hochhausentwicklung treffen viele
Interessen aufeinander, etwa jene von Stadt, Investoren, Mieterinnen und
Mietern rund um potenzielle Hochhausstandorte sowie von Umweltaktivisten. Wie
hat sich das Verhalten dieser Akteure entwickelt?
JOSEF: Hochhäuser sind von der Rendite, der
Bodenwertsteigerung und der Flächenausnutzung so attraktiv, dass jeder
Entwickler am liebsten ein Hochhaus bauen würde. Das hat weitreichende
Auswirkungen auf die Bodenpreise, auch in der Umgebung. Teilweise wird im
Umfeld potenzieller Standorte nichts mehr gemacht, weil man hofft, irgendwann
das nächste Hochhaus realisieren zu können. Deshalb haben die
Hochhausrahmenpläne auch einen Ausschlusscharakter: dort ja, wo anders nein!
JOSEF: Ich beobachte, dass die Frage von Stockwerkshöhen und Deckenaufbauten eine immer größere Rolle spielt. Denn das Wichtigste, was die Nachhaltigkeit betrifft, ist die Langlebigkeit des Gebäudes. Auch Materialien spielen eine immer größere Rolle. Wir haben erste Hochhäuser, bei denen viel Holz zum Einsatz kommt. Es gibt sogenannte Cradle-to-Cradle-Ansätze, welche auf die Recyclebarkeit der Materialien abzielen und von der Idee her aus der Kreislaufwirtschaft kommen. Auch Begrünungen und Fotovoltaik und neuartige Fensteraufbauten spielen eine Rolle. Erdwärme wird schon länger genutzt. Man darf aber auch nie die Plätze rund um die Hochhausentwicklung mit Blick auf die Begrünung außer Acht lassen.
Die Skyline ist eines der Alleinstellungsmerkmale Frankfurts. Ist das nicht auch ein Antreiber, immer weiter zu bauen und zu verdichten, um diese Stellung nicht zu verlieren?
JOSEF: Die Antreiberin ist eher eine andere. Wir haben in der Kommunalpolitik die Aufgabe, als internationale Stadt mit einem Dienstleistungsschwerpunkt, auf Entwicklungen nicht nur zu reagieren, sondern sie zu steuern. Es geht auch immer darum, die ökonomische Prosperität der Stadt zu sichern. Denn Schulen, Kultur, neue Bühnen und vieles andere müssen auch bezahlt werden. Das eine bedingt das andere.
Was ist also Ihr Ansatz?
JOSEF: Daher plädiere ich dafür, diese Entwicklung zu steuern. Es ist wichtig, dass sich die Hochhäuser öffnen, also Kultur, Einkaufsmöglichkeiten, Kitas oder Dienstleistungen für alle anbieten. So haben die Menschen in der Stadt mehr davon. Ich habe das etwa in Toronto gesehen: Dort gibt es Kinos, Schulen und quasi alles in den Sockeln der Hochhäuser. Es entstehen neue Räume für die Menschen in den Stadtteilen. Genauso ist es wichtig, dass sich dort bezahlbares Wohnen findet. Das gibt es auch seit 2017. Es entstehen bezahlbare Wohnungen auch in unseren Hochhäusern. Das ist eine Entwicklung, die viele vorher für unmöglich hielten.
Frankfurts Hochhäuser stehen für Wachstum und Arbeitsplätze in der Stadt. Das ist die eine Seite. Die Schattenseite sind Verdrängungsängste, kletternde Lebenshaltungskosten und steigender Energieverbrauch. Wann sind die Grenzen des Wachstums erreicht?
JOSEF: Das ist eine Debatte der Wirtschaftsleistung, von denen allerdings auch die Stadt abhängig ist. Wir haben in den vergangenen 60 Jahren die „ökonomischen Schweinezyklen“ erlebt, also Auf und Abs. Gleichzeitig sind Prognosen schwierig. Es gab in den 90ern die Vorhersage, Ende des Jahrzehnts werde die Stadt gerade mal 600.000 Einwohner haben und jetzt stehen wir deutlich darüber. Auch können wir den Menschen nicht verbieten, in die Stadt zu ziehen – abgesehen von der Frage, wo die Grenze denn liegen soll. Stadtplanung hat auch nicht die Aufgabe, blind Wirtschaftswachstum zu generieren. Sie muss vielmehr Lebensrealitäten gestalten. Das heißt aber auch, im Wettbewerb der Städte attraktiv zu sein, denn nur so entstehen gute Löhne und Lebensbedingungen. Städte, die Arbeitsplätze bieten, auch einfache Arbeitsplätze im Zusammenhang mit den Finanzdienstleistungen, Städte die international sind, Global Cities eben, haben eine große Fluktuation und wachsen tendenziell. Dazu gehört Frankfurt.
Und um auf den gerade entstehenden Hochhausplan zurückzukommen: Verschiedene Gutachten zeigen uns, dass die aktuell ausgewiesenen Projekte wie das frühere Polizeipräsidium oder das Millennium-Tower-Areal für die aktuelle Nachfrage nach Büroraum erst einmal auskömmlich sind. Daher gilt es erst einmal, die weitere Nachfrage nach Büroflächen angesichts der Entwicklung von Corona und Home-Office abzuwarten.
Der Plan wird daher in der Anzahl der Standorte, die ausgewiesen werden, eher zurückhaltend sein.
Bleiben wir einen Moment bei der Umwelt: Fridays for Future geht auf die Straße, der Klimawandel ist Realität. Wie wird sich das im neuen Rahmenplan zeigen?
JOSEF: Wer durch die Straßen radelt oder läuft, wird feststellen, dass aufgrund der Höhe der Gebäude ein steter Luftstrom herrscht. Dann kommt hinzu, dass Hochhäuser in der Regel auf ohnehin schon versiegelten Grundstücken entstehen. Unter dem Gesichtspunkt der Versiegelung und des Flächenverbrauches ist ein Hochhaus durchaus nachhaltig.
Insgesamt spielt die Frage, wie wir bauen, eine immer größere Rolle. Hierzu werden sich Aussagen im Rahmenplan finden, ebenso zur Materialität und dem Thema Graue Energie. Gleiches wird für die Primärenergie gelten. Es wird sicherlich in Frankfurt in den nächsten Jahren neue Formen von Hochhäusern geben.
Die Medien beschreiben hybride Nutzungen und Wohnhochhäuser als neuen Trend. Wie schätzen Sie diesen ein?
JOSEF: Hybride Hochhäuser stehen in erster Linie für mehr Stabilität bei der Vermarktung. Sie werden erstmal nicht so geplant, weil es so hip wäre. Die Signale, die wir vom Markt erhalten, zeigen uns, dass das Luxussegment im Hochhauswohnen mit Kaufpreisen von bis zu 16.000 Euro pro Quadratmeter und darüber hinaus eigentlich gesättigt ist. Gleichzeitig ist es mir wichtig, die Versorgung der Stadt mit bezahlbarem Wohnraum voranzutreiben. Nehmen wir das Beispiel des Millennium-Towers im Europaviertel: Donald Trump wollte an dem Standort einmal Deutschlands höchstes Hochhaus bauen, einen Trump-Tower 2. Das Vorhaben wurde Anfang der 2000er-Jahre zusammen mit der damaligen Oberbürgermeisterin Petra Roth bekannt gegeben. Mal sollte es ein Wohnhochhaus werden, auch sollten mal Büros reinkommen. Aus den Vorhaben ist nichts geworden. Auf dem Grundstück sind jetzt zwei etwas niedrigere Hochhäuser geplant, mit Wohnungen – davon 40 Prozent im preisbegrenzten Segment. Das wird klassischer sozialer Wohnungsbau oder Teil des Mittelstandsprogrammes sein. So schaffen wir Durchmischung und hierfür wollen wir als Stadt die Rahmenbedingungen setzen.
Der Blick nach vorne speist sich also aus Erfahrungen der Vergangenheit?
JOSEF: Wir haben in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass ein immer schnellerer Nutzungswechsel gefordert wird. War ein Haus etwa für Büros konzipiert, wurde dann ein Hotel daraus. Hier kann die Corona-Pandemie noch einmal eine neue Dynamik bringen. Der Markt geht deutlich in Richtung Hybridhochhäuser. Unser Wunsch ist allerdings, dass die Sockel öffentlich genutzt werden, mit Nutzungen, die interessant sind, für die große Öffentlichkeit der Stadt. Wir wollen, dass die Hochhäuser für die Bewohnerinnen und Bewohner im Stadtteil offen sind. „Ich darf hier nicht rein“ soll es nicht mehr geben. Das gehört auch zu einer hybriden Nutzung dazu.
Abschlussfrage: Wie wird die Skyline Frankfurts in zehn Jahren aussehen?
JOSEF: Sie wird mindestens genauso schön sein wie heute und es werden mehr Menschen etwas von ihr haben.
Interview: Ulf Baier
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