Wie soll sich die neue Skyline der „amerikanischsten Stadt Deutschlands“ entwickeln?
Hochhäuser stießen in Frankfurt nicht immer auf Gegenliebe
Die unverwechselbare Skyline prägt das Bild von Frankfurt am Main. So sind in der Stadt über viele Jahrzehnte Hochhäuser unterschiedlicher Epochen entstanden. Diese räumlich verdichtete Anordnung sehr hoher Gebäude prägt das Bild der „amerikanischsten Stadt Deutschlands“, wie einmal die Soziologin Marianne Rodenstein die Mainmetropole in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beschrieb. Wie deren Skyline sich zukünftig entwickelt, soll der neue Hochhausentwicklungsplan vorgeben. Über ihn entscheidet die Stadtverordnetenversammlung, nachdem der neue Magistrat beschlossen hat, das Konzept einzubringen. Fachlich zuständig ist das von Mike Josef geführte Planungsdezernat.
„Die Neugier ist groß“, sagt denn auch Torsten Becker, Vorsitzender des Frankfurter Städtebaubeirates über den neuen Plan. Dieser ergänzt das aktuell noch geltende Konzept aus dem Jahr 2008. Den Auftrag, das Planwerk zu erstellen, erhielten Arbeitsgemeinschaften 03 Architekten und Thomas Müller Ivan Reimann Gesellschaft von Architekten mit EBP Schweiz sowie AS+P Albert Speer + Partner mit AIT Austrian Institute of Technology. Frankfurt möchte sich „moderat und behutsam weiterentwickeln“ und dabei die „gewachsenen räumlichen Siedlungsstrukturen schützen“, wie es in einer Mitteilung des Stadtplanungsamtes heißt.
Von Fingern und Clustern
„Es gab in Frankfurt nach dem Krieg immer eine Grundidee, an welchen Orten und nach welchen räumlichen Vorstellungen Hochhäuser entwickelt werden sollen“, sagt Martin Hunscher, Leiter des Stadtplanungsamtes. So sah das Wallanlagenkonzept von 1953 vor, markante Punkte rund um die Innenstadt damit zu bebauen. Heute sind davon etwa noch die Landwirtschaftliche Rentenbank und das Bayer-Hochhaus – mittlerweile ein Hotel – am Eschenheimer Tor zu sehen oder das Bienenkorbhaus an der Konstablerwache. Andere mussten weichen, etwa das ehemalige AEG-Gebäude an der Südseite der Friedensbrücke. Angesichts von Höhen von etwa 50 Metern dürfte nach heutigen Maßstäben allerdings kaum noch von Hochhäusern gesprochen werden.
Es folgten weitere Konzepte: der Fingerplan, der erste Bankenplan, der City-Leitplan, zwei Bankenpläne und zwei Hochhausentwicklungspläne. Mit ihnen verbindet sich immer ein Stück Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Stadt. Mit dem Fingerplan der 1960er Jahre sollten entlang der Achsen Bockenheimer, Eschersheimer und Eckenheimer Landstraße neue Standorte entstehen. Die Idee dahinter: Die entlang dieser Straßen geplanten neuen U-Bahnlinien sollten die Gebäude anbinden. Zugleich wollte die Kommune die Innenstadt vom Entwicklungsdruck entlasten. Denn Frankfurt hatte sich in der Nachkriegsrepublik zum Wirtschafts- und Finanzzentrum entwickelt. Die Unternehmen begehrten Raum für ihre wachsenden Firmenzentralen, was der Stadt steigende Steuereinnahmen versprach. Die reagierte noch mit einem weiteren Konzept auf diesen Druck, indem sie die Bürostadt Niederrad als weiteren Standort auswies. Die Stadt legte den Grundstein für die jeweiligen Entwicklungen, indem sie den dazugehörigen Rahmen setzte.
Hochhäuser waren nicht immer gut gelitten
Wenn Regulierung den Zweck verfolgt, Konflikte zu begrenzen
oder gar zu vermeiden, war dies bei dem Fingerplan jedoch ziemlich schiefgegangen.
Um sich Baugrundstücke zu sichern, erwarben Investoren Immobilien vor allem
entlang der Entwicklungsachse Bockenheimer Landstraße und vertrieben die
Mieter. Es folgten massive Proteste, die als „Häuserkampf“ im Westend in die
Stadtgeschichte eingingen. Hinzu kam, dass die Stadt selber sich über ihre
eigenen Festlegungen hinwegsetzte wie etwa beim Selmi-Hochhaus am Platz der
Republik. Die Kommunalparlamentarier im Römer genehmigten mit 142 Metern mehr Höhe
als ursprünglich vorgesehen. Als das Haus 1973 im Rohbau brannte, standen
zahlreiche Westend-Bewohner auf der Straße und jubelten.
„Hochhäuser waren in Frankfurt nicht immer unbedingt
sonderlich gut gelitten“, sagt daher Amtsleiter Hunscher. Es mussten neue Ideen
her. Fortan plante man in „Pulks“, wie er den Fachbegriff Cluster übersetzt.
Hochhäuser sollten nur noch im traditionellen Bankenviertel entlang der Neuen
Mainzer Straße, der Taunusanlage und dem unmittelbaren Umfeld entstehen.
Vertreter dieser Epoche sind etwa die Doppeltürme der Deutschen Bank, der
Silberturm im Bahnhofsviertel oder der Eurotower am Willy-Brandt-Platz –
ursprünglich 1977 fertig gestellt als Hauptsitz für die gewerkschaftseigene
Bank für Gemeinwirtschaft. Es war die Geburt der Skyline, wie wir sie heute
kennen.
Die Clusteridee setzt sich durch – aber nicht in Reinkultur
Praktisch gilt diese Leitidee immer noch, allerdings hat die Zahl der Cluster zugenommen. So kamen etwa die Messe und das Güterbahnhofgelände hinzu; im Bankenviertel entlang der Neuen Mainzer Straße wurde nachverdichtet, indem ältere Nachkriegsgebäude für neue Hochhausprojekte Platz machten. An der Mainzer Landstraße dürfen als Verbindung zwischen dem Bankenviertel und dem Gebiet rund um die Messe Hochhäuser gebaut werden, was auch wieder etwas von Entwicklungsachse hat, ebenso wie an der Theodor-Heuss-Allee bis zum Rebstock. Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel.
Gleichzeitig findet etwas Anderes statt: Die Bürger der Stadt beginnen, „ihre“ Skyline als Markenzeichen zu begreifen, wie Rodenstein in dem Band „Hochhausstadt“ Frankfurt schreibt. Denn „die harten gesellschaftlichen Konflikte gehörten der Vergangenheit an“, wie Planungsamtsleiter Hunscher erklärt. Ein Grund hierfür lag sicherlich auch darin, dass die Stadt spätestens 1994 „den Vorrang der Politik vor der Wirtschaft deutlich gemacht“ hatte, wie Rodenstein weiter ausführt. Eine Aufgabe, die auch der neue Rahmenplan zu erfüllen hat: „Es geht darum, eine Leitlinie für Qualität festzuschreiben“, sagt Stadtplaner Becker. Damit meint er etwa Aufenthaltsqualität. Hochhäuser sollen nicht abgeschlossene Orte sein, sondern sich zur Stadt hin öffnen.
Hiermit beschreibt er eine weitere Tendenz. Die Gebäude sollen nicht mehr monofunktional als Ort zum Arbeiten dienen, sondern auch Raum für Kultur, Gastronomie sowie Wohnen bieten und so lebendige Quartiere ermöglichen. Ein Beispiel hierfür ist die Dependance des MMK – Museum für Moderne Kunst im TaunusTurm im Bankenviertel. „Monofunktionale Gebäude dürften immer weniger Zukunft haben“, sagt Becker.
Mit dem Baulandbeschluss zu mehr preisgünstigen Wohnungen
Eine Einschätzung, die auch der Architekturjournalist Enrico Santifaller teilt. Er macht einen weiteren Trend aus: „Immer weniger Hochhäuser sind noch reine Bankentürme.“ Sei es früher darum gegangen, mit einem Hochhaus Größe, Macht und Bedeutung eines Konzerns zu repräsentieren, so bauten heute Entwickler im Auftrag von Kapital-Gesellschaften, die das Geld ihrer Investoren anlegten. Immobilienwirtschaftlich verspreche es mehr Erfolg, unterschiedliche Nutzungsarten anzubieten.
So sind in den Hochhäusern der Stadt in den letzten Jahren mehr Wohnungen entstanden, etwa mit dem 140 West auf dem Gelände des ehemaligen AfE-Turms der Universität oder dem neuen Henninger Turm. „In der Vergangenheit waren das allerdings meist sehr teure Unterkünfte“, sagt Becker. Allerdings muss das nicht so sein. Das Ensemble Four entsteht aktuell in der Innenstadt auf dem Gelände abgerissener Bürogebäude und wird einen Anteil von 30 Prozent geförderten Wohnraum aufweisen. Ähnliches gilt für das Great East am Ostbahnhof, in das zusätzlich eine Kindertagesstätte einziehen soll.
Der Hebel, solche Entwicklungen in größerem Umfang voran zu bringen, ist für Becker der Baulandbeschluss. Das auf Vorschlag von Planungsdezernent Mike Josef im Stadtparlament beschlossene Instrument sieht vor, Bauten auf Wohnbaulandflächen nur zu genehmigen, wenn eine Förderquote von 30 Prozent eingehalten wird. Becker plädiert dafür, dieses Instrument konsequent anzuwenden: „Die Beteiligten müssen wissen, woran sie sind. So entsteht Verlässlichkeit.“ Weitere kommunale Instrumente sind, einen Nutzungsmix mit den Entwicklern vertraglich zu vereinbaren und Investoren zu Ideenwettbewerben zu verpflichten. Tat es früher der Stammarchitekt, entscheidet heute ein Preisgericht unter städtischer Beteiligung anhand von verschiedenen Konzepten. Denn Kultur im Hochhaus oder preisgünstiges Wohnen entstehen nicht von selbst.
Platin-Standards stehen auf dem Papier – entscheidend ist der Betrieb
Ein weiterer Trend zeichnet sich spätestens seit 1997 ab, als der Commerzbank-Tower fertig gestellt wurde. Umweltschutz und Energieverbrauch waren zentrale Elemente der Planung, ein Novum im Hochhausbau. Die Medien lobten das spektakuläre Gebäude mit seinen innen liegenden Gärten und den automatisch gesteuerten Fenstern, die eine Klimatisierung mit Frischluft ermöglichen. Beim Hochhausbau sind energetische Aspekte immer mehr in den Vordergrund gerückt.
Winfried Seidinger leitet das auf Energieeffizienz spezialisierte Beratungsunternehmen Lemon Consult in Zürich und hat zahlreiche Projekte in Frankfurt begleitet, wie etwa das WestendDuo an der Bockenheimer Landstraße oder das Four im Bankenviertel. Er plädiert für eine Gesamtbetrachtung und sagt: „Wenn die Leute mit dem Auto hinfahren, ist das Passivhaus auf der grünen Wiese evtl. gar klimaschädlicher wie ein klassischer Neubau in der Stadt.“ Denn die energetische Bilanz setze sich aus drei Verbrauchskomponenten zusammen. Hierzu gehöre die Betriebsenergie für Heizung, Lüftung Kühlung, Beleuchtung und andere Verbraucher der Gebäudetechnik. Als zweite Komponente ist die sogenannte „Graue Energie“ für Herstellung und Transport von Baustoffen, die Errichtung des Gebäudes selbst und sein Abriss – also der unsichtbare Energieverbrauch für den Lebenszyklus eines Gebäudes gemeint. Als dritte Komponente beeinflusst der Standort sowie die Nutzung des Gebäudes den Energiebedarf für die Mobilität.
In zwei der drei Verbrauchsgruppen punkten moderne Hochhäuser. Zum einen verfügen Hochhäuser über einen sehr kleinen „Fußabdruck“ und eine kompakte Gebäudegeometrie. Bei hohen Gebäuden lohnt es sich zudem an Stelle von konventionellen Flachdecken leichtere Rippendecken zu verbauen. Dies ermöglicht nicht nur eine höhere Flexibilität für die Gebäudetechnik, sondern spart auch Graue Energie in der Erstellung. Winfried Seidinger verweist auf den Fortschritt der Bautechnik, um die Einsparung an Grauer Energie zu erklären. Auf dem Grundstück des von ihm mit geplanten WestendDuos stand früher die Zentrale des Baukonzerns Hochtief. „Wir haben lediglich etwa zwei Dritteln an Beton gebraucht“, vergleicht er das 2006 fertig gestellte Gebäude mit dem über 30 Jahre älteren Vorgängerhochhaus. Hinzu kommt für ihn, dass in Hochhäusern viele Menschen an einem Ort arbeiten. „Schauen sie sich die kleinen Tiefgaragen an. Die meisten Leute kommen mit der Bahn oder dem Fahrrad“, sagt er.
Einzig der Betriebsenergiebedarf ist infolge der
erforderlichen schnellen Liftanlagen und dem Förderenergiebedarf für
Wassermedien im Vergleich zu konventionellen Gebäuden höher. Grundsätzlich
haben aber die kontinuierliche Verschärfung der Energieeinsparverordnung, das
Gebäudeenergiegesetz und Vorschriften zum sommerlichen Wärmeschutz dazu
geführt, dass der Mehrbedarf minimiert werden konnte. Zusätzlich haben
Nachhaltigkeitslabels wie DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen)
einen positiven Beitrag geleistet.
Paul Fay vom städtischen Energiereferat hat dennoch zwei
Wünsche offen. „Wir beobachten, dass der Trend zu vollverglasten Fassaden
anhält. Das führt zu schlechten Wärmedurchgangswerten und einem
überproportional hohen Kühlbedarf im Sommer. Da sagen wir – weniger ist mehr!
Und auch wenn die Gebäude tolle Platin oder Gold Standards erfüllen – steht das
zunächst einmal nur auf dem Papier. Gerne würden wir wissen, ob sich die
Prognose im Betrieb bewahrheitet“, sagt er. Für ihn und Seidinger sind die
Bodenversiegelung ein weiterer Aspekt, wenn es um die ganzheitliche Betrachtung
von Hochhäusern geht. „Legen Sie so ein Ding mal auf die Seite. Dann ist es
zwar kaum hoch, braucht aber deutlich mehr Fläche“, sagt Fay.
Weitere Informationen rund um das Frankfurter Hochhausgeschehen
gibt es unter https://www.skylineatlas.de/External Link.
Text: Ulf Baier
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