Ehrlich, Seligmann "Sally", Caroline "Lina", Bernhard und Rudolf

Ehrlich, Seligmann "Sally", Caroline "Lina", Bernhard und Rudolf

Stolperstein-Biographien in Nieder-Eschbach

Ehrlich, Seligmann "Sally", Caroline "Lina", Bernhard und Rudolf

Seligmann, genannt Sally, Ehrlich wurde 1887 als drittes Kind des in Nieder-Eschbach niedergelassenen Viehhändlers Jonas Ehrlich und seiner zweiten Ehefrau, Dorothea geb. Benedikt, geboren. Am 22. November 1890 folgte Bernhard als viertes Kind.

Sally Ehrlich heiratete am 6. August 1920 in Düsseldorf die aus Linnich stammende Lina Jacoby. Sie lebten gemeinsam von 1924 bis 1938 in seinem Haus in der Friedenstraße 19 in Nieder-Eschbach (heute An-der-Walkmühle 19a). In den Jahren 1921 bzw. 1925 wurden ihre Söhne Bernhard und Rudolf in Nieder-Eschbach geboren.

Ebenso wie sein Vater und sein Bruder Siegmund verdiente Sally Ehrlich sich seinen Lebensunterhalt mit Viehhandel. Aufgrund der von den Nationalsozialisten initiierten Boykottmaßnahmen und Drangsalierungen fiel es Sally Ehrlich ab 1933 zunehmend schwer, sein Gewerbe gewinnbringend auszuüben. 1935 musste er es gänzlich aufgeben, auch weil ihm in diesem Jahr die Gewerbeerlaubnis entzogen wurde. Fortan musste die Familie von ihrem Ersparten leben. Ein kleines Zubrot von monatlich 200 Reichsmark verdiente Ehefrau Lina Ehrlich, eine gelernte Krankenschwester, indem sie aushilfsweise im Jüdischen Krankenhaus in Frankfurt arbeitete.

Im Mai 1938 wurde Sally von dem Polizisten Wilhelm Kress aus Nieder-Eschbach in Obererlenbach festgenommen. Anschließend war er vom 15. Juni bis zum 1. September 1938 im KZ Sachsenhausen, unweit von Berlin, inhaftiert. Ehefrau Lina wusste wochenlang nicht, wohin ihr Ehemann abtransportiert worden war. Im Juli 1938 wandte sie sich an die Kriminalpolizei in Frankfurt und bekundete, „so schnell wie möglich“ nach Argentinien auswandern zu wollen. Aus diesem Grund müsse ihr Ehemann einen landwirtschaftlichen Vorschulungskurs im Landwerk Neuendorf bei Berlin absolvieren. Diesen Kurs hätte Sally bereits vor seiner Verhaftung besucht, wenn nicht in Nieder-Eschbach die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen wäre. Nunmehr sei ihm die Kursteilnahme erlaubt, bestätigte ein Schreiben der Reichsvertretung der Juden in Deutschland vom 1. Juli 1938. Zugunsten der baldigen Emigration nach Argentinien möge man Sally Ehrlich die Teilnahme an der landwirtschaftlichen Fortbildung ermöglichen. Zusätzlich veräußerte Lina Ehrlich ihre Wohnungseinrichtung in Nieder-Eschbach zu Schleuderpreisen, musste aber gleichzeitig ihren Sohn Bernhard in der Wohnung versteckt halten, „um ihn vor der Verhaftung zu schützen“. Der jüngere Sohn Rudolf „wurde in der Schule nicht in Ruhe gelassen“; sogar Fußballspielen auf dem Schulhof mit seinen früheren Freunden war untersagt. Lina musste am Jüdischen Krankenhaus in Frankfurt Nachtwachen übernehmen, „um meinem Mann etwas ins Lager schicken und einen Anwalt in Moabit bezahlen zu können, der sich um die Freilassung meines Mannes aus dem Lager bemühen sollte“.

Das Wohnhaus der Familie Ehrlich kaufte eine Nachbarin aus Nieder-Eschbach im August 1938 für 10.000 Reichsmark. Diese bekräftigte dazu im Jahre 1960, Lina Ehrlich habe sie mehr oder weniger zu diesem Kauf überredet.

Nach Verbüßung seiner Haft kehrte Sally Ehrlich nicht mehr nach Nieder-Eschbach zurück; er und seine Familie lebten ab September 1938 im Jüdischen Altersheim in Frankfurt in der Niedenau 25, das als Sammelunterkunft für verfolgte Juden diente. Vom 21. Februar 1939 bis zum 19. Mai 1939 arbeitete Sohn Bernhard, der bis Ostern 1936 Schüler am Philanthropin gewesen war und danach zwei Jahre lang an der Auswandererschule Groß-Breesen (Kreis Trebnitz) eine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert hatte, als Volontär für die Jüdische Beratungsstelle für Wirtschaftshilfe, Frankfurt. Eingesetzt wurde er dort für Erdarbeiten, beim Wege- und besonders Gemüsebau.

Im Mai 1939 floh Familie Ehrlich mit dem Dampfer „Antonia Delfino“ von Hamburg aus nach Buenos Aires/Argentinien. Dort lebte sie 1954 in der Provinz Buenos Aires. Ihr in Frankfurt in Kisten verpacktes Umzugsgut mussten sie für immer verloren geben. Nachdem sie es in Frankfurt der Spedition Danzas & Co übergeben hatten, wurde es nicht etwa nach Argentinien gesandt, sondern zunächst eingelagert und dann, angeblich auf Anordnung der Gestapo, öffentlich versteigert. In den 12 Kisten befanden sich Haushalts- und Gebrauchsgegenstände im Wert von etwa 15.000 Mark.

Das Überleben in Argentinien war äußerst mühsam. Zunächst waren Sally Ehrlich und seine Familie gezwungen, im Landesinneren als sogenannte Kolonisten zu leben. Zu verdienen gab es dabei nichts. Die Söhne Bernhard und Rudolf verdingten sich als Lohnarbeiter auf verschiedenen Farmen. Ab Mai 1949 arbeitete Sally Ehrlich gegen eine geringe Entlohnung in einer Wurstfabrik in Buenos Aires. Sohn Bernhard verließ bereits 1942 das landwirtschaftliche Gut und arbeitete in einer Wurstfabrik. 1956 bezeichnete er sich als deren „Angestellter“. Seinen ursprünglichen beruflichen Zielvorstellungen entsprach diese Tätigkeit nicht: Als Schüler des Philanthropin hatten er und seine Eltern für ihn die Juristenlaufbahn vorgesehen.

Nach dem Krieg lehnten die bundesdeutschen Behörden eine Entschädigung für das abhanden gekommene Umzugsgut ab, da die Spedition Danzas & Co. angeblich sämtliche relevanten Akten verloren hatte, Beweise also nicht erbracht werden konnten. Den Wert des von Lina Ehrlich verkauften Mobiliars setzte das Polizeikommissariat Friedberg im März 1960 sehr niedrig an. Den Einlassungen der ehemaligen Haushälterin der Familie Ehrlich und anderen seinerzeitigen Käufern aus Nieder-Eschbach folgend, stufte das Kommissariat es eher als wertlose Ramschware ein.

Lina Ehrlichs Mutter Sibille Jacoby, geb. Voß (geboren 1865 in Kerpen), wurde ins Ghetto Theresienstadt deportiert und dort am 31. Juli 1942 ermordet. Ihr Vater Norbert Jacoby starb im Juni 1942 in Hamburg.

Sally Ehrlich starb am 19. Januar 1969 in Buenos Aires. Lina Ehrlich starb am 9. Dezember 1974 in Buenos Aires

Die Stolpersteine wurden initiiert von Frau Inge Appel, Nieder-Eschbach. Sie wurden finanziert von Dr. Renate Sterzel, Christiane und Wolfram Reuter, Judith und Tom Kühlthau sowie der Evangelischen Kirchengemeinde Nieder-Eschbach.

 

An der Walkmühle 19a Nieder-Eschbach, Umzug unter Hakenkreuzfahnen
Nieder-Eschbach: Umzug unter Hakenkreuzfahnen © privat, Inge Appel

Nieder-Eschbach: Umzug unter Hakenkreuzfahnen

 

Seligmann „Sally“ Ehrlich 
Geburtsdatum:   26.4.1887 
Haft: 15.6.-1.9.1938 KZ Sachsenhausen 
Flucht:   26.5.1939 Argentinien 

Carolina („Lina“) Ehrlich,
geb. Jacoby 
Geburtsdatum: 1.3.1893 
Flucht:   26.5.1939 Argentinien 

Bernhard Ehrlich 
Geburtsdatum:   6.10.1921 
Flucht:   26.5.1939 Argentinien 

Rudolf Ehrlich
Geburtsdatum:   6.7.1925  
Flucht: 26.5.1939 Argentinien 

 





Stolperstein An der Walkmühle 19a, Ehrlich, Seligmann
Stolperstein An der Walkmühle 19a, Ehrlich, Seligmann © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

Stolperstein An der Walkmühle 19a, Ehrlich, Caroline
Stolperstein An der Walkmühle 19a, Ehrlich, Caroline © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

Stolperstein An der Walkmühle 19a, Ehrlich, Bernhard
Stolperstein An der Walkmühle 19a, Ehrlich, Bernhard © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

Stolperstein An der Walkmühle 19a, Ehrlich, Rudolf
Stolperstein An der Walkmühle 19a, Ehrlich, Rudolf © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main

inhalte teilen