Ehrlich, Frieda, Ilse, Malchen und Siegmund
Siegmund
Ehrlich wurde 1879 in Nieder-Eschbach als zweites Kind von Jonas Ehrlich und
dessen Ehefrau Friederike, geb. Strauß, geboren. Drei Jahre zuvor, am 5. Juli
1876, war seine Schwester Sophie zur Welt gekommen. Wenige Wochen nach
Siegmunds sechstem Geburtstag starb am 29. August 1885 seine Mutter Friederike.
Vater Jonas Ehrlich verheiratete sich am 5. Mai 1886 erneut. Aus dieser Ehe
gingen die beiden Söhne Seligmann, genannt, Sally, und Bernhard hervor. Jonas
Ehrlich war von Beruf Viehhändler. Im Jahre 1906 kaufte er in Nieder-Eschbach
ein Anwesen in der Borngasse 24 (heute: Deuil-la-Barre-Straße 44).
Am
18. Mai 1908 heiratete Siegmund Ehrlich die in Wenkheim geborene Malchen
Grünebaum. Sie hatten zwei Töchter: Frieda und Ilse.
Seinen
Lebensunterhalt verdiente Siegmund, ebenso wie sein Vater Jonas und sein Bruder
Sally, als Viehhändler und Metzger.
Siegmunds und
Malchens Tochter Frieda besuchte die Volksschule in Nieder-Eschbach und danach
das Philanthropin in Frankfurt. Bis zu ihrer Flucht, 1935, arbeitete sie als
kaufmännische Angestellte der Bürgermeisterei Nieder-Eschbach, bei einer landwirtschaftlichen
Genossenschaft und in verschiedenen Unternehmen in Frankfurt. Von 1928 bis 1933
war sie Sekretärin beim Seidenhaus Simon in Frankfurt (Kurfürstenstraße),
verlor diese Stellung aber, als das Unternehmen auf Druck der
Nationalsozialisten schließen musste. Anschließend war sie ehrenamtlich als
Gemeindesekretärin in Nieder-Eschbach tätig.
Die
beiden Töchter entkamen 1935 in die USA. Unmittelbar nach der Machtübergabe an
die Nationalsozialisten gerieten Siegmund Ehrlich und seine Familie zunehmend
unter Druck. Siegmund musste vom 3. Februar bis zum 3. Mai 1936 in Gießen eine
Haftstrafe verbüßen und eine empfindliche Geldbuße zahlen. Auch wurden seine
Kälber beschlagnahmt, weil er angeblich rituell geschlachtet hatte. Zudem wurde
ihm die Gewerbeerlaubnis entzogen.
Im
Juni 1938 verhaftete laut Malchen Ehrlich ein „Wachtmeister von Obererlenbach“
ihren Ehemann. Wohin er verschleppt wurde, wusste sie auch nach mehr als zwei
Wochen nicht. Siegmund Ehrlich war von Anfang Juni bis Ende Juli 1938 im
Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert, musste dort Misshandlungen
erdulden und schwere körperliche Arbeit verrichten. Beides hinterließ
bedeutende und dauerhafte körperliche Schäden.
Malchen
Ehrlich setzte alle Hebel in Bewegung, um Visa für die Flucht nach Nord-Amerika
zu erhalten. In aller Eile initiierte sie den Verkauf ihres Hauses in
Nieder-Eschbach, vor allem, um mit dem Verkaufserlös die geforderte sogenannten
„Reichsfluchtsteuer“ und „Judenvermögensabgabe“ zahlen zu können. Ein örtlicher
Nicht-Jude erwarb das Haus. Der formelle Visumsantrag war am 27. Juli 1938
zwischen 8 und 9 Uhr vormittags beim Amerikanischen Konsulat in Stuttgart zu
stellen. Vorzulegen waren „4 lose Passbilder pro Person“, gültige Reisepässe,
zwei Geburtsurkunden und zwei Ausfertigungen der notwendigen Führungszeugnisse.
Sollte auch nur eines dieser Dokumente fehlen, werde die Vorsprache zwecklos
sein.
Am
18. Oktober 1938 floh Siegmund Ehrlich gemeinsam mit seiner Ehefrau Malchen via
Stuttgart über Hamburg mit dem Dampfer „Manhattan“ nach Nord-Amerika, wohin die
beiden Töchter Frieda und Ilse bereits 1935 entkommen waren. Ilse war bereits
am 6. August 1935 mit dem Dampfer „Manhattan“ geflohen, Frieda am 29. August
1935 mit dem Dampfer „Hamburg“. Siegmund und Malchen (in den USA Molly genannt)
lebten nun in New York. Dort konnten sie sich nur mühsam finanziell über Wasser
halten. Siegmund arbeitete von Mai bis September unregelmäßig auf einem
Friedhof, 1943 als „Hühnerputzer“, von 1944 bis 1949 als Bote für eine
Kunststickerei und 1949 als Gartenhelfer.
In
New York lernte Frieda den am 15. Juli 1898 in Bamberg geborenen und ebenfalls
geflohenen Bäcker Manfred Stoll kennen. Seine Berufsausbildung hatte Stoll 1924
bis 1925 in Bamberg absolviert, am 21. September 1927 seine Gesellenprüfung und
1929 sein Diplom an der Internationalen Konditorschule in Stuttgart abgelegt.
Anschließend hat er im väterlichen Betrieb gearbeitet. Von den
Nationalsozialisten wurde er heftig drangsaliert und 1933 für sechs Monate
inhaftiert. Der väterliche Betrieb musste schließen, aber Manfred Stoll fand
eine Anstellung bei der Bäckerei Karpf in Frankfurt (Sandweg 29). Nach der
Eheschließung im September 1937 lebten Frieda Ehrlich und Manfred Stoll in New
York. Manfred hielt die Familie mit seiner Arbeit als Bäcker über Wasser und
trat 1943 schließlich in die amerikanische Armee ein.
Anders
als ihre Eltern und ihre Schwester Frieda hielt es Ilse Ehrlich nicht in New
York. Sie ließ sich in Hollywood im Bundesstaat Florida nieder, nachdem sie am
14. August 1938 in New York den 1911 in Horrem/ Nordrhein-Westfalen geborenen
und ebenfalls nach Nord-Amerika geflohenen Bruno Cohen geheiratet hatte. An
einem Flughafen in Florida kam es kurz nach 1945 zu einer denkwürdigen
Begegnung: Ein Nieder-Eschbacher, dessen Tochter 1945 ebenfalls nach
Nord-Amerika ausgewandert war, befand sich auf Besuchsreise zu dieser Tochter
und traf am Flughafen zufällig auf Ilse Ehrlich. Man begrüßte sich mit "lautem
Hallo".
Viele
Jahre pflegten Frieda und Ilse Ehrlich den Briefkontakt zu ehemaligen Bekannten
und Nachbarn in Nieder-Eschbach. Nicht zuletzt deshalb, weil Friedas Freundin
in Nieder-Eschbach, Elisabeth Mechler, verw. Zeber, vor der Flucht einige
Wertsachen der Familie in Verwahrung genommen hatte und sie später nach New
York schickte. Nach 1945 versorgte Frieda als Dank ihre verwitwete und
alleinerziehende Freundin einige Zeit mit Lebensmitteln, wie sich Ingrid
Pravetz, geb. Zeber, erinnert.
Siegmund
Ehrlich starb am 13. April 1962 in New York, seine Ehefrau Malchen Ehrlich am
27. Dezember 1963. Ilse Cohen geb. Ehrlich starb am 26. Mai 1991 in Florida,
ihr Mann Bruno Cohen im Jahre 1981. Frieda Stoll geb. Ehrlich starb am 7. Juli
2002 in Hallandale/Florida.
Die
Stolpersteine wurden initiiert von Frau Inge Appel, Nieder-Eschbach. Sie wurden
finanziert vom Heimat- und Geschichtsverein Nieder-Eschbach, von der
Katholischen Kirchengemeinde St. Stephanus, vom Vereinsring Nieder-Eschbach
sowie von Dr. Hansjörg Ast.
Siegmund Ehrlich | |
Geburtsdatum: |
2.8.1879 |
Haft: |
3.2.-3.5.1936
Gießen, Juni-Juli 1938 KZ Sachsenhausen |
Flucht: |
10.10.1938 USA |
Malchen Ehrlich, geb. Grünebaum | |
Geburtsdatum: | .2.1879 |
Flucht: | 18.10.1938 USA |
Frieda Ehrlich | |
Geburtsdatum: | 27.6.1910 |
Flucht: | 29.8.1935 USA |
Ilse Ehrlich | |
Geburtsdatum: | 17.12.1913 |
Flucht: | 6.8.1935 USA |