Frankfurt in aller Munde
Kulinarisches aus der Mainstadt macht nicht nur Weihnachten schöner.
Weihnachtszeit ist Marzipanzeit: Bethmännchen und Brenten sind alle Jahre wieder Verkaufsschlager auf dem Weihnachtsmarkt. Zu den zu jeder Jahreszeit gefragten Spezialitäten aus der Mainstadt zählen natürlich auch die Frankfurter Würstchen, die Grüne Soße, der Apfelwein und der Frankfurter Kranz. Der Ursprung mancher Gerichte reicht bis weit in die Vergangenheit zurück.
Frankfurter Kulinaria schmecken alle Jahre wieder,
aber nicht nur zur Weihnachtszeit. Als traumhafte Krönung jeder Kaffeetafel sei
der "Frankfurter Kranz" erwähnt, eine Schöpfung Frankfurter
Konditoren, die es mit jeder internationalen Konkurrenz aufnehmen kann. Als
Schlankheitsrezept empfiehlt sich das köstliche Buttercreme-Backwerk aber
leider nicht. Wer keine Angst vor Kalorien hat, mag auch den
"Kerschemichel", den man aus Kirschen, Weißbrot, Eiern, Zucker,
Kirschwasser und Milch in einer gebutterten Auflaufform backt.
Und mehr als fünfhundert Jahre alt und noch immer
knackig: Das berühmte Frankfurter Würstchen. Zweifellos zählt es zu den
ältesten und bekanntesten kulinarischen Erzeugnissen der Stadt am Main.
Erstmals weist eine Chronik diese Spezialität aus dem alten Frankfurter
"Worschtquartier" bereits für das Jahr 1487 nach, was allerdings
nicht heißen muss, dass sie zuvor unbekannt gewesen wäre. Ob’s stimmt, was der
"Frankfurter General Anzeiger" um 1938 argwöhnte, nämlich: der Name
der Stadt sei weniger durch Goethe als vielmehr durch das Würstchen bekannt
geworden, bleibe dahingestellt. Jedenfalls verspeist man es an Königshöfen wie
an Imbissbuden und im kalten Norden wie im warmen Süden.
"Krönungswürste" hießen sie lange Zeit. Denn zur Inthronisation von
Kaiser Maximilian II. im Jahr 1592 tischte die feierfreudige Gesellschaft einen
gebratenen Ochsen am Spieß auf, "der gespickt und ausgefüllt gewesen mit
allerhand Thieren", darunter neben "Spanferkeleien, Rebhünern und
Pfauen" auch Bratwürsten.
Ein erstes Rezept datiert von 1749 aus einem Buch mit
dem schönen Titel "Aufrichtige und bewerte Nachrichten von allem ersinnlichen
Koch- und Backwerk". Natürlich hängten sich im Verlauf ihres
gastronomischen Siegeszuges um die Welt manche Schlächter und Köche mit eigenen
Zutaten an die "Frankfurter", bis das Berliner Kammergericht 1929
entschied, nur Fabrikanten im Wirtschaftsbezirk Frankfurt dürften ihre
Erzeugnisse "Frankfurter Würstchen" nennen, vorausgesetzt, sie
hielten die mit ihrer Verarbeitung verbundenen, strengen Vorschriften ein. Die
Frage, warum die schlanken Knackies immer nur paarweise auftreten, konnte
bislang noch niemand schlüssig beantworten.
Vegetarier - aber keineswegs nur sie - lieben ein anderes typisches Frankfurter Gericht: Die Grüne Soße. Ihre Herkunft liegt im Dunkeln, bis auf vage Hinweise auf eine italienische "Salsa Verde". Auch die immer wieder erhobene Behauptung, sie habe zu Goethes Leibspeisen gezählt, verweisen Kenner energisch ins Reich der Fabel. Ein verbindliches Rezept für diese gesunde Köstlichkeit gibt es nicht, doch hat man sich im Wesentlichen auf sieben Kräuter geeinigt, die unbedingt dazu gehören: Borretsch, Kerbel, Kresse, Petersilie, Pimpinelle, Sauerampfer und Schnittlauch. War sie früher ein reines Saison-Gericht zur Frühlingszeit mit Zutaten frisch aus den Oberräder Gärten, so kann man sie heute rund ums Jahr bekommen, beliebt vor allem zu Tafelspitz oder gekochten Eiern. Ob man ihr allerdings aphrodisierende Wirkung zuschreiben darf, wie zuweilen behauptet, ist nicht hundertprozentig bewiesen.
In den rustikal-gemütlichen Apfelweinlokalen Frankfurts isst man zünftig. Rippchen mit Kraut etwa. Oder "Schneegestöber", eine herzhafte Käsemischung aus Camembert, Gervais und Butter, gewürzt mit Pfeffer, Paprika und Zwiebeln. Vor allem natürlich serviert man den berühmten "Handkäs’ mit Musik", einen runden Käse in Essig und Öl. Und die Musik? Ein Berg roher Zwiebeln gehört dazu - ein Schelm, wer Böses dabei denkt! Was das Frankfurter Nationalgetränk betrifft, so scheiden sich zuweilen die Geister. Einmal in Bezug auf die Schreibweise: Apfelwein, Äppelwoi, Ebbelwoi, Hohenastheimer oder einfach "Stöffche". Zum anderen, was den Geschmack betrifft, denn Liebe auf den ersten Blick erweckt der fruchtige Durstlöscher nicht immer. Auf den zweiten aber ganz gewiss, wenn er zünftig aus dem Bembel in die typischen gerippten Gläser fließt. Für kurze Zeit nach der Apfelernte und Kelter kommt er auch als "Süßer" oder "Rauscher" daher, und fast jeder Einheimische kennt sein Apfelweinlokal, wo der Wirt manchmal noch selbst keltert. Touristen zieht es vor allem ins einschlägig bekannte Sachsenhausen. Eine hübsche Zugabe zum Stöffche hat sich bis heute erhalten, der Brezelbub, der in jedem Alter immer ein "Bub" ist, und der mit einem Korb von Lokal zu Lokal zieht und Brezeln, Wasserweck’ oder ein Zimtgebäck namens Hartekuchen verkauft.
"Sieh, das Gute liegt so nah", könnte man mit Blick auf Frankfurter kulinarische Genüsse - wieder einmal - Goethe zitieren. Was natürlich nicht ausschließt, dass die Gastronomie der Mainmetropole daneben die ganze Vielfalt internationaler Gerichte von Pizza bis Paella, von Sushi bis Saltimbocca bereithält.
Lore Kämper