Daten und Fakten zur Drogenszene im Bahnhofsviertel
Informationen zum Konsumverhalten der Abhängigen und für die Weiterentwicklung des Frankfurter Wegs
Crack ist die am weitesten verbreitete Droge im Bahnhofsviertel
Der Crackkonsum im Frankfurter
Bahnhofsviertel ist 2022 im Vergleich zum Corona-Jahr 2020 von einem sehr hohen
Niveau gesunken. Gaben 2020 noch 87 Prozent der befragten Drogenabhängigen auf
der Szene an, in den vergangenen 24 Stunden Crack konsumiert zu haben, waren es
2022 noch 77 Prozent. Die Abhängigen nutzen dafür nach eigenen Angaben auch
häufiger als früher die speziell eingerichteten Rauchräume. Aktuell geben dies
18 Prozent der Befragten an, mehr als die Hälfte raucht Crack aber nach wie vor
auf der Straße.
Heroin verliert offenbar
weiter deutlich an Attraktivität: 2022 gaben nur noch 32 Prozent der Befragten
an, in den vergangenen 24 Stunden Heroin genommen zu haben – fast halb so viel
wie noch 2020. Dagegen ist 2022 der Alkohol- und Cannabiskonsum in der Szene
deutlich gestiegen. 53 Prozent der Befragten haben nach eigenen Angaben in den
vergangenen 24 Stunden Alkohol getrunken. Zwei Jahre zuvor waren es noch 43
Prozent. Bei Cannabis stieg die 24 Stunden-Prävalenz von 22 auf 39 Prozent.
Dies sind einige auffallende
Ergebnisse der Szenestudie 2022, für die das Centre for Drug Research der
Goethe-Universität von Juni bis August 150 Drogenabhängige vom harten Kern der
Szene im Bahnhofsviertel mit halbstündigen Interviews befragt hat. Das
Drogenreferat fördert die Szenestudie seit 2002. Als ein Modul der jährlichen
Frankfurter Drogentrendstudie Monitoring System Drogentrend (MoSyD) werden die
Interviews auf der offenen Szene alle zwei Jahre geführt.
Aktuelles Bild der Szene als Grundlage für die
Drogenhilfeplanung
„Dank der engmaschigen
Erhebung haben wir ein sehr genaues und ständig aktualisiertes Bild der Szene
im Bahnhofsviertel und können auch langfristige Entwicklungen gut
interpretieren“, sagt Drogenreferatsleiter Dr. Artur Schroers. „Im Moment passen wir unsere niedrigschwelligen Hilfeangebote an die Konsumdynamik von Crack. Gemeinsam mit anderen Städten und Bundesländern sind wir dabei, ein bundesweites Modellprojekt für die pharmakologische Behandlung bei Crackabhängigkeit zu planen."
Nach welchen Mustern wird
konsumiert? Wo und wie häufig? Welche Substanzen nehmen Abhängige noch außer
Crack zu sich? Welche gesundheitlichen und sozialen Folgen und Risiken bedeutet
dies für die Menschen? Wie sehen ihre Lebensumstände aus? All die
Informationen, die die Szenestudie liefert, nennt Dr. Artur Schroers, essenziell für die tägliche Arbeit: „Das
gilt für Safer Use-Utensilien für Crackkonsumierende, die wir demnächst
ausgeben wollen bis hin zu niedrigschwelligen Rückzugsräumen mit Tagesstruktur
oder weiteren neuen Angeboten.“
Interessant für die
Expertinnen und Experten im Drogenreferat und der Drogenhilfe sind auch die
Informationen zu Substanzen, die neben Crack, Heroin und Kokainpulver noch im
Umlauf sind wie Benzodiazepine oder Fentanyl. Laut
dem Verfasser der Studie, Dr. Bernd Werse vom Centre
for Drug Research, hat gerade der Fentanylgebrauch nach vorherigem Anstieg
wieder deutlich abgenommen: „Die 24-Stunden-Prävalenzraten gingen von neun
Prozent im Jahr 2020 auf drei Prozent 2022 zurück“. Für den Leiter des
Drogenreferats dennoch kein Grund zur Entwarnung: „Der Fentanylgebrauch lässt
uns wegen der hohen Wirkungspotenz und
damit einhergehender Überdosierungsgefahr aufhorchen. Mehr als jeder und jede
Fünfte hat laut Szenestudie im vorigen Monat
Fentanyl konsumiert. Für uns bedeutet das, dass wir die Informationen
über Fentanyl und die Prävention
verstärken.“
Prekäre Wohnverhältnisse
Handlungsbedarf sehen die Beteiligten in der Stadt weiterhin beim Thema
Unterkünfte für Drogenabhängige. Die Zahl derer, die Dr. Werse „faktisch
obdachlos“ nennt, ist vom Höchstwert im Jahr 2020 mit 62 Prozent leicht auf 51
Prozent gesunken: Dennoch lebt noch immer mehr
als die Hälfte der Befragten in prekären
Wohnverhältnissen.
Ermutigend nennt Schroers die steigende Zahl der
Substitutionsbehandlungen. Laut Szenestudie 2022 stieg der Anteil der
Substituierten von 44 Prozent im Jahr 2020 auf 49 Prozent im Jahr 2022. Schroers verweist auf die zusätzlichen 30 Substitutionsplätze für Menschen
ohne Krankenversicherung, die die Stadt geschaffen hat und in Kürze auf 50 Plätze aufstocken will. Die Bereitschaft zur
Substitution steigt generell, sagt Schroers. Dies gilt auch für die Diamorphinvergabe (Heroinvergabe). Dies wurde bei der
Szenestudie 2022 erstmals abgefragt: Neun Prozent würden sich mit Diamorphin
behandeln lassen, 28 Prozent gaben sich unschlüssig. Die Befragung offenbarte,
dass offenbar Mythen über Qualität und Wirkung des medizinischen Heroins im
Umlauf sind, die Konsumierende zurückschrecken lassen. „Wir werden mit
verstärkten Informationen und Aufklärung reagieren“, kündigt Schroers an. Hilfreich und wünschenswert wäre es zudem, wenn der Gesetzgeber die hohen Zugangshürden zu dieser sehr wirksamen Behandlungsform senken würde.
Die Befragung von 150
Drogenabhängigen ist zwar keine repräsentative Erhebung, kommentiert Schroers das Setting der Szenestudie. „Sie
gewährt uns aber wichtige Einblicke in die Frankfurter Drogenszene, weil sie
auf einen spezifischen, im öffentlichen Bewusstsein jedoch sehr präsenten
Ausschnitt des Drogenkonsums fokussiert. In der Zusammenschau mit anderen
Studien und Erhebungen wie zum Beispiel der Konsumraumdokumentation ist die
Szenestudie eine wertvolle Ergänzung.“
Bei
Rückfragen wenden
Sie sich gerne an das Drogenreferat, Telefon 069-212-30124, E-Mail:
drogenreferat@stadt-frankfurt.de