„Mein übergeordnetes Ziel bleibt: die Kulturinstitutionen weiter zu öffnen, unabhängig von Geldbeutel und Herkunft“
Interview mit Stadträtin Dr. Ina Hartwig
Am Donnerstag, 27. Januar, wurde Stadträtin Dr. Ina Hartwig als Dezernentin für Kultur und Wissenschaft von der Stadtverordnetenversammlung für sechs weitere Jahre in ihrem Amt bestätigt. Im Interview blickt sie auf ihre erste Amtszeit zurück und wirft einen Blick in die Zukunft.
Frau Dr. Hartwig, welches
Zwischenfazit ziehen Sie nach den ersten sechs Jahren Ihrer Tätigkeit als
Kultur- und Wissenschaftsdezernentin?
INA HARTWIG: Es war eine spannende und auch sehr lehrreiche Zeit, in der
ich viele neue Akzente setzen konnte. Ich finde es nach wie vor wichtig, diese
demokratische Arbeit zu leisten – gerade auch vor dem Hintergrund der derzeitigen
Entwicklungen und Spannungen in unserer Gesellschaft. Wir haben in den
vergangenen sechs Jahren wichtige Entscheidungen für das Kinder- und
Jugendtheater, den Zoo und die Städtischen Bühnen vorangebracht. Die Freie
Szene haben wir mit fünf Millionen Euro mehr gefördert und den freien Eintritt
für U-18-jährige in die Museen und den Zoo eingeführt. Mein übergeordnetes Ziel
aber bleibt: die Kulturinstitutionen weiter zu öffnen - zu öffnen für alle
gesellschaftlichen Gruppen unabhängig von Geldbeutel und Herkunft. Wir brauchen
Räume in dieser Stadt, in denen sich unsere diverse Stadtgesellschaft
verständigen und austauschen kann.
Welches Projekt oder
Vorhaben empfinden Sie in der Rückschau als besonders gelungen?
HARTWIG: Dass wir in dieser Woche die Schlüssel für den neuen Gedenkort
Adlerwerke im Gallus an die Trägervereine überreichen konnten, ist ein großer
Erfolg. Sie müssen sich vorstellen: Das Thema lag über Jahrzehnte brach, obwohl
sich bürgerschaftliche Initiativen seit Jahren dafür einsetzen und auch an die
Stadt herangetreten sind. Mitten in Frankfurt gab es ein KZ-Außenlager der
Nationalsozialisten. Das darf nicht allein das Wissen der Historiker bleiben.
Dieser grausamen Vergangenheit müssen wir uns stellen und die Erinnerung wach
halten, und zwar wachhalten für die heutige Einwanderungsgesellschaft, in der
wir leben und uns verständigen.
Welches Thema hätte Ihrer
Ansicht nach schneller von Ihrem Schreibtisch verschwinden können, obwohl es
Sie noch immer beschäftigt?
HARTWIG: Corona! Dass uns die Pandemie immer noch beschäftigt, ist
kräftezehrend. Gerade auch für die Clubs und die Kulturschaffenden im
Veranstaltungsbereich, die hohe Einnahmeausfälle zu verzeichnen haben. Und dass
die Kultur immer noch ungleich beispielsweise zur Gastronomie behandelt wird,
ist nicht mehr nachvollziehbar. Wir haben gute Hygiene und Luftfilterkonzepte,
die einen risikoarmen Besuch möglich machen. In der Lebensrealität und den
Verordnungen spiegelt sich das leider immer noch nicht wider.
Was muss geschehen, damit
Sie in sechs Jahren von einer erfolgreichen Amtszeit sprechen können?
HARTWIG: Zu allererst müssen wir die Kultur durch diese Krise bringen und dafür
sorgen, dass die Pandemie die kulturelle Landschaft unserer Stadt nicht in
Mitleidenschaft zieht. Darüber hinaus möchte ich natürlich die von mir
angestoßenen Projekte weiter voran bringen, etwa das Kinder- und Jugendtheater
im Zoogesellschaftshaus.
Corona hat auch den
kommunalen Haushalt schwer getroffen. Welche Auswirkungen wird dies auf die
kulturelle Förderung der Stadt Frankfurt haben?
HARTWIG: Wir sind in engen Abstimmungen mit dem Kämmerer. Klar ist, dass auch
die Kultur ihren Beitrag leisten muss. Aber es darf nicht auf Kosten derer
gehen, die ohnehin schon in prekären Verhältnissen arbeiten. Deswegen bin ich
froh, dass wir beispielsweise bei der Freien Szene die Förderungen auf dem
Niveau des Vorjahres halten können. Die Pandemie darf außerdem nicht dazu
führen, dass notwendige Entwicklungen beispielsweise im Zoo und bei den Bühnen
– für die es einen politischen Konsens gibt – ausgebremst werden. Auch und
gerade in Krisenzeiten muss investiert werden.
Welches Vorhaben möchten
Sie auf jeden Fall bis Ende 2026 realisiert wissen?
HARTWIG: Ich möchte eine Entscheidung bezüglich des Standortes und der
Architektur der Bühnen herbeiführen. Dass es mittlerweile den politischen
Konsens gibt, die Bühnen in der Innenstadt zu belassen, war ein wichtiger
Schritt. Wir haben damit die einmalige Chance, die Innenstadt und auch
die Wallanlagen neu zu beleben und aufzuwerten. Das ist nicht nur für das
Stammpublikum der Häuser interessant, sondern für alle Frankfurterinnen und
Frankfurter.