„Hier hängt einfach mein Herz dran!“
Christina Hintze leitet seit Oktober das StadtWaldHaus
Für Christina Hintze war es ein Zurückkommen, als sie im Oktober vergangenen Jahres ihre Stelle als Leiterin des Informationszentrums StadtWaldHaus/Fasanerie antrat. Denn die Diplom-Biologin mit dem Schwerpunkt Biodiversität hatte hier vor ihrem Studium ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) absolviert, während der Unizeit dort gearbeitet und nach ihrem Abschluss den damaligen Leiter Rainer Berg für ein Jahr vertreten.
Frau Hintze, Leitung des StadtWaldHauses klingt
ziemlich abstrakt. Beschreiben Sie uns Ihre Arbeit bitte etwas genauer.
CHRISTINA HINTZE: Meistens arbeite ich von hier aus, etwa an einem Tag in der
Woche bin ich im Grünflächenamt. Ich schreibe Mails und nehme an Videokonferenzen
teil, wobei das von hier etwas schwieriger ist, da wir im Wald kaum mobiles
Internet haben. Von Montag bis Donnerstag betreue ich selber Besuchsgruppen.
Dazu betreue ich die Kollegin und den Kollegen, die beide ihr FÖJ bei uns
absolvieren und übernehme klassisch Bürodienste.
Inhaltlich bedeutet die Leitungsaufgabe, den Betrieb am Laufen zu halten, die
Angebote zu koordinieren, anzupassen und zum Beispiel mit dem Bildungsnetzwerk
Kita zu kooperieren. Dabei stehen nicht nur die Kinder im Fokus, sondern auch
die Beschäftigten der Einrichtungen. Hauptsächlich sprechen wir die
Altersgruppen Kindergarten, Primarstufe und die ersten Jahrgänge der
weiterführenden Schulen an.
Wer
älter ist, wird bei Ihnen kaum etwas finden?
HINTZE (lacht): Nein, regelmäßig kommen auch bei uns ältere Besucherinnen und
Besucher vorbei, die ihren Aufenthalt gerne mit einem Tässchen Kaffee
kombinieren. Ich bin zugleich Vorsitzende des Bildungsraumes Grüngürtel, zu dem
auch der Stadtwald gehört. Da geht es darum, unser Jahresprogramm so zu
koordinieren, dass etwa ein Drittel im Wald geschieht und wir insgesamt
möglichst viele Bereiche und Zielgruppen abdecken. Gleichzeitig müssen die
Angebote finanziert werden. Hier arbeite ich mit verschiedenen Institutionen
zusammen, beispielsweise dem Umwelt- und Stadtschulamt sowie dem Verein
Umweltlernen in Frankfurt oder der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. Letztere
wiederum unterstützt uns auch personell, etwa indem deren Mitglieder am
Wochenende vor allem Familien im StadtWaldHaus betreuen. Insgesamt wollen wir
mit unseren Angeboten möglichst viele Menschen erreichen, wobei das erste
Kennenlernen von Natur und Umwelt in den jungen Jahren geschieht.
Wie
sind Sie zum StadtWaldHaus gekommen?
HINTZE: Der Wald hatte mich schon immer fasziniert. Vor meinem Studium in
Frankfurt machte ich daher 2003 ein FÖJ im StadtWaldHaus. Der damalige Leiter
Rainer Berg weckte meine Begeisterung für die Waldpädagogik. Während des
Studiums war ich dann dort immer wieder tätig und vertrat ihn nach meinem
Abschluss, als er ein Sabbatjahr machte. Zum Schluss hatte ich fünf Jahre als
angestellte Grundschullehrerin gearbeitet und erfahren, dass die Stelle frei
wird. Mit der Bewerbung hat es dann geklappt. Wobei ich von der Schule mit mehr
als einem weinenden Auge weggegangen bin, da die Arbeit mir sehr viel Spaß
machte. Aber es überwog dann doch die Freude, zurückzukehren.
Verraten
Sie uns bitte, woran das lag?
HINTZE: Hier hängt einfach mein Herz dran! Schon früher haben mich in der
Biologie Bäume fasziniert. Mir macht es einfach unheimlich viel Spaß, den
Menschen zu zeigen, wie schön das ist. Ich finde es schön, Kinder dabei zu
unterstützen, die Natur zu erfahren. Gerade unter den aktuellen
Rahmenbedingungen ist es wichtig, Anstöße und Grundlagen zu vermitteln, um zu
begreifen, wie die Zusammenhänge im Ökosystem Wald von Baum, Tier und Mensch
sind.
Stichwort „Rahmenbedingungen“: Wie wirkt sich der
Klimawandel auf Ihre Arbeit aus?
HINTZE: Ganz konkret wird es etwa am Sonntag, 7. Mai. An unserem „Thementag
Insektenvielfalt“ lernen die jungen Besucherinnen und Besucher ganz praktisch
die faszinierende Welt dieser Tiere kennen und erfahren, was es für die
Pflanzen bedeutet, wenn es immer weniger fliegende Sechsbeiner zur Bestäubung
gibt. Andererseits vermehren sich Schädlinge wie der Borkenkäfer und setzen dem
Wald immer mehr zu. Hierzu übrigens wird es einen Vortrag von einem unserer
Revierförster speziell für Erwachsene geben, wobei wir das Thema
selbstverständlich auch kindgerecht aufarbeiten.
Insbesondere merken es die Kolleginnen und Kollegen, die im Wald
forstwirtschaftlich arbeiten. Es sind nicht nur die Schäden, die immer mehr
werden. Wenn jemand lange ein Waldstück pflegt oder eine neue Baumsorte beim
Wachsen zehn Jahre beobachtet, dann hinterlässt das Spuren, wenn das auf einmal
weg ist. Zusätzlich bemerken wir im Umgang mit Tierkrankheiten geänderte
Rahmenbedingungen.
Insgesamt
scheint alles komplexer geworden zu sein. Wie wirkt sich das auf die Arbeit im
StadtWaldHaus aus?
HINTZE: Es steht die komplette Überarbeitung der Ausstellung innen und außen
an. Sie ist prinzipiell inhaltlich gut, aber man merkt ihr an, dass sie von
1995 ist. Da ist heute einfach mehr möglich, als mit Exponaten und Tafeln zu
arbeiten. Es kommt schon vor, dass Kinder sagen: „Das ist aber langweilig.“
Hier wollen wir ansetzen. Denn gerade bewegte Bilder – etwa durch Animationen
und Filme – erleichtern es, laden dazu ein, sich mit verschiedenen
Zusammenhängen zu beschäftigen, wozu auch der Klimawandel gehört.
Die Exponate laden viel zum Anfassen ein, was gut ist. Unsere
Anschauungsobjekte halte ich weiterhin für toll. Aber die Stofffülle ist
dichter geworden. Und manches, was wir heute verstehen, ist nicht zu finden.
Auch fehlt der geschichtliche Aspekt komplett. Wir werden daher nicht
umhinkommen, die Ausstellung neu zu strukturieren und zu entschlacken. Manches
ist vielleicht draußen besser aufgehoben. Hinzu kommt, dass ich Erläuterungen
nur in deutscher Sprache für eine internationale Stadt wie Frankfurt nicht mehr
für zeitgemäß erachte. Auch werden wir unter Gesichtspunkten der Inklusion das
Thema „Leichte Sprache“ mitzudenken haben.
Sie
beobachten seit 20 Jahren die Besucherinnen und Besucher des StadtWaldHauses.
Wie haben sich die Menschen verändert, die zu Ihnen kommen?
HINTZE: Kinder erleben eine andere Kindheit. Konkret heißt das, unter unseren
jährlich 20.000 bis 25.000 Besucherinnen und Besuchern sind immer mehr, die
noch nie einen Wald erlebt haben. Das liegt auch daran, dass andere Angebote
interessant geworden sind. Gerade wenn die Heimatgemeinde – anders als
Frankfurt – nicht über einen eigenen Forst verfügt, fällt das noch mehr ins
Gewicht. Es kommen ja auch Leute aus dem Umland zu uns. Das zeigt mir wiederum
den besonderen Wert unseres Stadtwaldes.
Insgesamt fällt mir auf, dass Kinder schwerer mit Langeweile umgehen oder sich
selbst beschäftigen können. Das liegt auch an der aktuellen Angebotsfülle.
Hierauf müssen wir auch mit unseren Angeboten inhaltlich und methodisch
reagieren.
Verraten
Sie uns bitte, was Ihr Lieblingsort im StadtWaldHaus ist.
HINTZE: Erst einmal macht mir meistens mein Arbeitsweg ziemlich viel Spaß, wenn
ich mit dem Fahrrad durch den Wald hier hinfahre. Wenn ich da bin, ist es –
ganz klar – das Bullaugenfenster, wo sich das Leben im Wasser und dem Wald
beobachten lässt.
Interview: Ulf Baier
Weitere Informationen über das StadtWaldHaus finden sich unter stadtwaldhaus-frankfurt.deExternal Link.