Interview Bastian Bergerhoff

Interview Bastian Bergerhoff

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„Du bist Politiker geworden, um Probleme zu lösen. Also löse sie!“

Dr. Bastian Bergerhoff ist als Stadtkämmerer und Personaldezernent Herr der städtischen Ausgaben und Einnahmen. Trotz gestiegener Energiepreise und Inflation wächst Frankfurt weiter und mit ihr auch der Bedarf an sozialer Infrastruktur sowie an Fachkräften, die die Verwaltung am Laufen halten. Wie er mit diesem Spagat umgeht und dennoch nicht die digitale Transformation der Kommunalverwaltung aus den Augen verliert, darüber spricht der promovierte Physiker im Interview.

Stadtkämmerer Dr. Bastian Bergerhoff, Bild: Bernd Georg
Stadtkämmerer Dr. Bastian Bergerhoff © Stadt Frankfurt am Main, Foto: Bernd Georg

Herr Bergerhoff, wie lässt sich angesichts von Energiekrise, Ukraine-Krieg und stetig steigenden Rohstoff-Preisen ein solider Haushalt planen?

BASTIAN BERGERHOFF: Das ist tatsächlich schwierig. Eigentlich lässt sich derzeit nicht richtig gut planen. Entsprechend müssen wir Annahmen treffen und uns bei der Durchführung von Projekten Flexibilität erhalten. Das bedeutet auch: Wenn Reste im Haushalt vorhanden sind, dürfen wir diese nicht verschleudern. Umso mehr hilft uns in dieser Situation die vom Bund beschlossene Gas- und Strompreisbremse. Doch gerade bei Investitionen und Bauvorhaben sehen wir, dass die Preise steigen. Daher gehen wir mit unseren Schätzungen entsprechend nach oben. Ähnlich sieht es in anderen Bereichen aus, wie etwa der Kreditfinanzierung. Unser Problem ist, dass eine Kommune nicht parallel auch einfach ihre Einnahmen steigern kann.

Gleichwohl stellt gerade diese Situation diverse Dezernate vor besondere finanzielle Herausforderungen, die keinen Aufschub dulden.

BERGERHOFF: Das ist korrekt. Aber die Dezernate verfügen über eigene Budgets, die sie in aller Freiheit selbst verlagern können. So standen etwa die Folgen der Ukraine-Krise nicht in unserem Haushalt. Bisher wurden die finanziellen Folgen aber bewältigt, ohne andere Vorhaben zu vernachlässigen.

Die Inflation galoppiert, die Gewerkschaften fordern 10,5 Prozent mehr Lohn für Mitarbeitende im öffentlichen Dienst. Zugleich ist trotz Rekordeinnahmen bei Gewerbesteuer die Haushaltslage angespannt. Wie lässt sich dieses Dilemma erklären und lösen?

BERGERHOFF: Tatsächlich fordert die Gewerkschaft ja nicht nur 10,5 Prozent mehr Lohn, sondern auch mindestens 500 Euro mehr Monatslohn. Das käme über die gesamte Tabelle gerechnet einer Lohnsteigerung von durchschnittlich rund 15 Prozent gleich. Ich glaube daher, dass die Tarifgespräche spannend werden. Die derzeitige Inflation ist in der Tat für viele eine Belastung. Vor diesem Hintergrund lässt sich das von Ihnen angesprochene Dilemma nur schwer auflösen. Als Kommune haben wir schlichtweg nicht das geeignete Finanzsystem, um mit solch einer Situation umzugehen. Denn Bund und Länder können reagieren, auch weil sie bei höheren Löhnen mehr Einkommenssteuer erlösen. Als Stadt können wir jedoch die Gewerbe- und Grundsteuer nicht entsprechend anheben. Somit haben wir durch die Inflation einen jährlichen Kaufkraftverlust von fünf Prozent in unserem Haushalt. Dieses Geld fehlt dann natürlich an anderer Stelle. Trotz dieses Kaufkraft-Verlusts steigt in dieser Situation natürlich auch die Leistungserwartung der Bevölkerung uns gegenüber.

Hätten Sie vor anderthalb Jahren gewusst, was als Kämmerer auf Sie zukommt, hätten Sie dennoch diesen Job angetreten?

BERGERHOFF: (lacht) Ich bin in die Politik gegangen, weil ich zum Beispiel den Klimawandel bekämpfen und die Verkehrswende in Frankfurt vorantreiben wollte – und nicht, um die Folgen des Kriegs in der Ukraine zu managen. Aber mein 17-jähriger Sohn hat mir neulich gesagt: „Du bist Politiker geworden, um Probleme zu lösen. Also löse sie!“ Ich finde, da hat er durchaus recht.

Ein kleiner Blick zurück: Wie hat sich die Stadtverwaltung aus Sicht des Personaldezernenten in der Corona-Zeit geschlagen?

BERGERHOFF: Die Beschäftigten haben einen super Job gemacht. Angesichts dieser völlig unvorhergesehenen Ausnahmesituation hat die Verwaltung extrem schnell und flexibel reagiert. Alle Leistungen, von Müllabfuhr über Kinderbetreuung bis zu den Angeboten im Bürgerbüro konnten im Rahmen der rechtlichen Vorgaben aufrechterhalten werden. Zugleich hat die Pandemie auch bei Arbeitskultur und Digitalisierung einiges bewegt: Wir konnten Arbeitsformen wie Homeoffice erfolgreich etablieren und etwa im Kassen- und Steueramt die Gewerbesteuer komplett auf digitale Arbeit umstellen. Von daher glaube ich, dass die Corona-Pandemie nicht nur gut gemanagt wurde, sondern der öffentlichen Verwaltung an einigen Stellen auch den Weg ins 21. Jahrhundert geebnet hat.

Stetig wachsende administrative Aufgaben und Einwohnerzahlen: Mangelt es am Geld oder am geeigneten Personal, um die Verwaltung mit ihren Aufgaben wachsen zu lassen?

BERGERHOFF: Mal so, mal so: Manche Stellen können wir nicht besetzen, weil keine Bewerber vorhanden sind – was übrigens ganze Branchen auch außerhalb der Verwaltung betrifft. Teilweise mangelt es uns auch am Geld. Zudem steigen auch die Anforderungen an die Verwaltung: Wenn es etwa durch die Wohngeld-Reform mehr als dreimal so viele Berechtigte wie bislang gibt, müssen wir das entsprechend administrieren. Dazu brauchen wir Personal. In diesem Fall konnten wir kurzfristig 13 neue Stellen einrichten. Doch bei allem, was Bund und Land beschließen, um Menschen zu entlasten, liegen dazwischen die Kommunen, die dies umsetzen müssen. Dieser Umstand belastet uns sehr, da wir personell nicht adäquat ausgestattet sind. Das gilt nicht nur für Frankfurt, sondern für alle Kommunen. Zwar glaube ich, dass sich durch die Digitalisierung einiges verbessern lässt. Aber auch hierfür braucht es entsprechend geschultes Personal. Wobei wir gerade in der IT sehen, etwa bei unseren SAP-Experten, dass es nicht allen nur ums Geld geht, sondern vielleicht auch um eine sinnstiftende Arbeit und Selbstverwirklichung. Auch hat man als städtischer Bediensteter andere Möglichkeiten, Familie und Beruf in Einklang zu bringen.

Wo drückt personell der Schuh besonders?

BERGERHOFF: Um im Bild zu bleiben: Es gibt einen ganzen Schrank voller Schuhe, von denen keiner zu groß für unsere Füße ist. Wir müssen daher strukturell dazulernen. Wir sind als Verwaltung sehr gut darin, Abläufe so zu strukturieren, dass sie für die Ewigkeit gemacht sind. Projekt- und Transformationsarbeit, auf die es gerade besonders ankommt, gehören noch nicht zu unseren Stärken. Solche Veränderungen sind immer eine Herausforderung, aber auch eine Frage der Kommunikation: Die Botschaft muss lauten, wir ändern Abläufe nicht, um Angestellte zu entlassen, sondern um sie zu entlasten und Freiräume zu schaffen.

Viele Ämter und Dezernate klagen über Besetzungssperren und Mittelkürzungen. Gleichzeitig steigen Personal-, Investitions- und Unterhaltskosten in vielen Bereichen. Wie lange muss die Stadt den Gürtel noch enger schnallen?

BERGERHOFF: Das ist tatsächlich schwer vorherzusagen. Wir hatten, mit Ausnahme der Corona-Jahre, stetig steigende Gewerbesteuer- und Umsatzsteuer-Einnahmen. Doch gleichzeitig hat der Bund die Kalte Progression abgebaut, was allein die Kommunen mit 1,5 Milliarden Euro belastet. Wenn das aufhört und wir unseren Standort gut weiterentwickeln, können wir dereinst auch wieder Rücklagen bilden. Übrigens müssen wir grundsätzlich über den Planungszeitraum der nächsten vier Jahre einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Andernfalls wird er von Wiesbaden nicht genehmigt. Nun ist Frankfurts Finanzkraft trotz allem größer als die vieler anderer Kommunen. Wir werden auch 2023 abundant sein, was bedeutet, dass wir über den Kommunalen Finanzausgleich und andere Fördertöpfe viel Geld nach Wiesbaden überweisen, davon aber nichts zurückbekommen. Ich will die Sorgen anderer Kommunen nicht klein reden. Doch der Eindruck, dass wir Geld mit beiden Händen aus dem Fenster werfen, stimmt so einfach nicht.

Sie kommen aus der IT-Branche und kennen sich mit digitalen Lösungen aus. Wie zufrieden sind Sie mit dem Fortschritt der Digitalisierung im kommunalen Bereich?

BERGERHOFF: Ich finde, es hat sich, auch durch die Corona-Zeit, einiges bewegt. Diese Erfahrungen helfen uns, diesen Weg mutig voranzugehen. Dank meiner für Digitalisierung zuständigen Kollegin Eileen O´Sullivan werden nun auch die nötigen Strukturen geschaffen. Und an vielen Stellen sind wir bereits deutlich weiter und besser, als es den Anschein hat. Oft setzt auch nicht die Technik die Grenzen, sondern die bisherige Organisation der Prozesse und Abläufe. Das ist ein Punkt, an dem wir gerade arbeiten, um den Bürgerinnen und Bürgern digitale lebensorientierte Angebote zu machen. Klar ist aber auch: Digitalisierung und der dazugehörige Kulturwandel kann nicht bei einem Dezernat in Auftrag gegeben werden. Das ist eine Aufgabe, die alle Mitarbeitenden und Verwaltungseinheiten betrifft.

Welche Vorhaben stehen für nächstes Jahr ganz oben auf Ihrer Agenda?

BERGERHOFF: Ich möchte ein neues Haushaltsverfahren einführen, bei dem Entscheidungen über Investitionen auch im Hinblick auf deren Nachhaltigkeit getroffen werden. Daran arbeiten wir derzeit im Hintergrund. Im Personalressort arbeiten wir an einem Projekt zum strategischen Personalmanagement. Dabei geht es um Führungskultur, Diversität und die Reduzierung des Krankenstands. Diese beiden Projekte sind im kommenden Jahr unsere großen Highlights. Darüber hinaus gilt es im Jahr 2023 aber nicht zu vergessen, die Transformation der Verwaltung voranzutreiben.

Durch die Gewerbesteuer des Corona-Impfstoffherstellers BioNTech hat Mainz einen Überschuss von mehr als einer Milliarde Euro im Haushalt. Wenn auch Ihnen so ein Geldsegen ins Haus stünde und Sie einen Wunsch frei hätten: Welches Projekt würden Sie dann forcieren?

BERGERHOFF: Das Problem ist, dass es den meisten Projekten nicht nur am Geld, sondern auch am nötigen Personal fehlt. Wenn ich mir aber etwas wünschen dürfte, wären es drei Sachen: Erstens in der Energiewende vorankommen und alle Häuser mit Photovoltaik ausstatten. Zweitens würde ich gerne die Digitalisierung der Verwaltung mit allem Zubehör über Nacht vollzogen haben. Und drittens wäre es schön, morgen die neuen Städtischen Bühnen eröffnen zu dürfen.

 


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