Ehemaliger Direktor des Weltkulturen Museums Prof. Josef Franz Thiel verstorben
12.04.2024, 12:13 Uhr
Am Montag, 8. April, ist der
ehemalige Direktor des Weltkulturen Museums Prof. Josef Franz Thiel im
Alter von 92 Jahren verstorben, wie seine Familie mitteilte.
Unter seiner
Direktion von 1985 bis 1998 durchlief das Weltkulturen Museum, damals noch Museum
für Völkerkunde, eine bedeutende Zeit des Aufbruchs, in der er sowohl die
inhaltliche Ausrichtung des Museums entscheidend prägte als auch dessen heute
zur Verfügung stehende Infrastruktur maßgeblich aufbaute.
Kulturdezernentin Ina Hartwig erinnert an die Lebensleistung des Verstorbenen:
„Josef Franz Thiel hat in seiner Amtszeit von 1985 bis 1998 die Inhalte und die
Infrastruktur des Weltkulturen Museums nachhaltig geprägt. Ohne sein Engagement
und seine damals schon moderne Auffassung von der Arbeit an ethnologischen
Museen hätte das Weltkulturen Museum nicht sein spezifisches Profil und die
Arbeit mit zeitgenössischer Kunst entwickeln können.“
Dr. Eva Ch. Raabe, ehemalige Direktorin des Weltkulturen Museums, und Dr. Mona
B. Suhrbier, kommissarische Leiterin des Weltkulturen Museums, drücken ihre
Anteilnahme aus: „Josef Franz Thiel hatte immer das Ganze im Blick. Und dazu
haben die Menschen gehört. Das machte ihn nicht nur zum inhaltlichen
Impulsgeber, sondern auch zu einem Förderer und einer Führungspersönlichkeit,
die jederzeit durch das Vorleben menschlicher Werte überzeugte.“
Als gebürtiger Donauschwabe, geboren 1932, erfuhr Thiel schon als Kind und
Jugendlicher Krieg, Vertreibung und Internierung. 1953 trat er den Steyler
Missionaren (Societas Verbi Divini) bei, einer Ordensgemeinschaft, die
christliche Mission mit ethnologischer Forschung verknüpft. So erhielt er
während seines Theologiestudiums als Novize im Missionshaus St. Gabriel auch
eine ethnologische Ausbildung. Nach Abschluss seiner Studien wurde Thiel 1961
als Missionar in die damalige Republik Kongo entsandt. 1964 studierte er dann
Soziologie an der Sorbonne in Paris und wurde im Fach Ethnologie promoviert.
Für das Anthropos-Institut des Missionshauses St. Augustin bei Bonn arbeitete er
als Redakteur der großen ethnologischen Fachzeitschrift Anthropos und leitete
das zugehörige Museum Haus der Völker und Kulturen. Nach seiner Habilitation
1974 lehrte er außerdem an der Universität Bonn.
Als Thiel 1985 von der Stadt Frankfurt zum Direktor des damaligen Museums für
Völkerkunde ernannt wurde, gab es nur ein Haus, die Villa am Schaumainkai 29,
mit der Ausstellungsfläche und wenigen im Dachgeschoss darüber eingerichteten
Büros. Das völlig renovierungsbedürftige zugehörige Kutscherhaus beherbergte
die Restaurierungswerkstätten und der größte Teil der Sammlungen war in einer
nicht klimatisierten Industriehalle im Osthafen ausgelagert. Der
wissenschaftliche Dienst bestand aus zwei Stellen, die Restaurierung nur aus
einer. Schritt für Schritt und Jahr um Jahr erweiterte Thiel zielstrebig die
räumliche und personelle Situation und damit den Handlungsspielraum des
Museums. Überhaupt legte Thiel großen Wert auf das wissenschaftliche Profil des
Hauses und warb mehrfach Drittmittel für Projekte bei der Deutschen
Forschungsgemeinschaft ein. Schließlich wurden die beiden Nachbarvillen am
Schaumainkai hinzugewonnen und renoviert sowie der größte Teil der Sammlungen
in ein neues technisch gut ausgestattetes Magazin im Frankfurter Osten
umgelagert.
Auch nachdem der ursprünglich geplante Museumsneubau nicht realisiert werden
konnte, arbeitete er mit unvermindertem Engagement weiter an der
Fortentwicklung des Museums. So etablierte sich unter seiner Führung der
Kulturvergleich als didaktische Methode, die lange Zeit den im Weltkulturen
Museum konzipierten Ausstellungen zu Sachthemen von allgemeiner
gesellschaftlicher Bedeutung zugrunde lag. Als Thiel 1986 die außereuropäische
zeitgenössische Kunst grundsätzlich zu einem Sammelschwerpunkt erklärte, setzte
er damit einen bedeutenden Meilenstein für die inhaltliche Arbeit des Museums.
Unter seiner Leitung wurde 1997 die Galerie 37 begründet, die internationalen
Künstlerinnen und Künstlern, die damals bei westlichen Kunstmuseen noch keine
Beachtung fanden, eine Plattform bot. Dieses Projekt wurde im Rahmen der
Weltdekade für kulturelle Entwicklung von der UNESCO mit einem Prädikat
ausgezeichnet. Heute gibt es die Galerie 37 nicht mehr, denn Kooperationen mit
zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern und Präsentationen ihrer Werke
sind grundsätzlich zu einem festen integralen Bestandteil aller Projekte des
Weltkulturen Museums geworden. Doch die Galerieausstellungen der 1990er Jahre
waren vielbeachtete, innerhalb der damaligen Museumsethnologie seltene
Pionierleistungen und für die weitere Entwicklung des Weltkulturen Museums
richtungsweisend.