„Die Schrecknisse sollen in Erinnerung bleiben“
22.10.2024, 12:27 Uhr
Gedenkstunde in der Paulskirche zum Jahrestag der Massendeportationen von Jüdinnen und Juden
„Vor genau 83 Jahren fielen frühmorgens bewaffnete SA-Leute in die
Wohnungen von Juden ein. Innerhalb von zwei Stunden mussten sie abmarschbereit
sein. Völlig verängstigt und ohne zu wissen, wie es weitergehen sollte.“ So
berichtete am Montag, 21. Oktober, Prof. Andrea Löw in der Paulskirche
eindrücklich von jenen Ereignissen des 19. Oktober 1941 – dem Tag der
ersten Massendeportation von Jüdinnen und Juden aus Frankfurt. Löw ist
stellvertretende Leiterin des Zentrums für Holocaust-Studien am Institut für
Zeitgeschichte München-Berlin und war eingeladen worden, den zentralen Vortrag
an diesem Gedenktag zu halten.
Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg sagte in ihrer Begrüßung, dass diese
Veranstaltung ein wichtiges Zeichen sei, „gerade in der jetzigen Zeit, in
welcher der Antisemitismus in unserer großen liberalen Stadt wieder spürbarer
wird: „Wir dürfen nicht tatenlos danebenstehen, sondern müssen uns mit aller
Macht für unseren Rechtsstaat, unser freiheitliches Land einsetzen und unserer
historischen Verantwortungen stellen.“
Die Gedenkveranstaltungen finden seit 2018 statt und werden vom Kulturdezernat
der Stadt und dem Fritz-Bauer-Institut organisiert. Zuvor hatte es auf
bürgerschaftliches Engagement hin ein Gedenken im Westend gegeben. Damit wird
der Verschleppung von über 1100 Frankfurterinnen und Frankfurter gedacht, die
an jenem Tag im Jahr 1941 quer durch die Stadt gewaltsam zur Großmarkthalle
gebracht wurden, von wo aus sie unter widrigsten Umständen zunächst ins Ghetto
Lodz deportiert wurden.
Nach Auflösung des Ghettos wurden sie in Konzentrations- und Vernichtungslager
gebracht. Nur drei der an diesem Tag verschleppten Menschen überlebten. Es war
nur eine von vielen folgenden Deportationen, die für einen Großteil der
jüdischen Bevölkerung Frankfurts mit dem Tod endete. Anteil hatten hierbei
nicht nur die SA, Gauleitung und die Gestapo, sondern auch die Frankfurter
Stadtverwaltung.
Zum Schluss ihres Vortrags zitierte Prof. Löw aus den Aufzeichnungen von
Oskar Rosenfeld, einem später in Auschwitz ermordeten Deportierten, der im
Ghetto in sein Tagebuch notierte: „Viele Schrecknisse gerieten in
Vergessenheit. Viele Schrecknisse (Schandtaten) hatten keine Zeugen. Viele
Schrecknisse waren derart, dass ihre Darstellung keinen Glauben fand. Aber sie
sollen in der Erinnerung leben bleiben.“