Imagebroschuere
Wer ist eigentlich FRANS?
Informieren, sensibilisieren, helfen – wie das Frankfurter Netzwerk für Suizidprävention dazu beiträgt, Suizide zu verhindern

Unterhält man sich mit Inga Beig, erfährt man Dinge wie: Jedes Jahr nehmen sich in Deutschland rund 9.000 Menschen das Leben. Diese Zahl ist größer als die der Opfer von Mord- und Totschlag, der an HIV, durch Verkehrsunfälle und den Konsum illegaler Drogen Verstorbenen zusammen. Man lernt, dass es im Verhältnis eher ältere Menschen sind, die ihrem Leben ein Ende setzen. Und dass man, sobald man befürchtet, ein Mensch habe Suizidgedanken, ihn darauf ansprechen soll. „Das kann für einen Menschen in scheinbar auswegloser Lage wie ein Türöffner wirken, sich jemandem anzuvertrauen und sich helfen zu lassen“, sagt Inga Beig nachdrücklich.
Inga Beig ist Koordinatorin des Frankfurter Netzwerks für Suizidprävention, kurz FRANS. Die Psychologin beschäftigt sich also quasi täglich mit einem Thema, über das sonst, wenn überhaupt, nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird. „Suizid ist in unserer Gesellschaft tabuisiert. Wer Selbsttötungsgedanken oder einen Suizidversuch hinter sich hat, wird oftmals stigmatisiert. Das betrifft auch die Angehörigen“, erklärt Inga Beig. „Es muss aber möglich sein, über Suizidgedanken zu reden, ohne verurteilt zu werden. Denn wenn ich das Gefühl habe, ich darf nicht über meine Gedanken sprechen, dann hole ich mir auch keine Hilfe.“
Diese Hilfe
gibt es. Und es lohnt sich, sich helfen zu lassen. Das möchten die
FRANS-Mitglieder vermitteln. Betroffenen, Angehörigen, Freund:innen,
Lehrer:innen, allen. Das Netzwerk wurde 2014 auf Initiative des
Gesundheitsamtes der Stadt Frankfurt am Main gegründet. „Wir haben hier das
erste Netzwerk dieser Art gegründet und sind bislang das Einzige, das auf
kommunaler Ebene gesteuert wird“, erklärt Gesundheitsdezernent Stefan Majer.
„Rund 35 Organisationen und Institutionen beteiligten sich in seinem
Gründungsjahr an FRANS. Inzwischen sind es 75.“
In Frankfurt
sterben jedes Jahr rund 90 Menschen an Suizid, die Zahl der Versuche liegt bei
schätzungsweise 1800. Der Grund für
Suizide ist oftmals eine psychische Erkrankung, etwa eine Depression. „Mit
FRANS arbeiten wir daran, Leben zu retten, denn jede Selbsttötung ist eine zu
viel“, sagt Dr. Peter Tinnemann, Leiter des Frankfurter Gesundheitsamts.
„Wichtig ist, zu reden. Eine erste Anlaufstelle dafür ist auch der
sozialpsychiatrische Dienst unseres Amtes, bei dem Menschen, die in schwierigen
Situationen stecken oder einfach ein offenes Ohr brauchen, Unterstützung durch
unsere Fachkräfte finden.“
Inga Beig ist über mehr oder weniger zufällig zu FRANS gekommen. Im Internet war sie auf die Angebote der Abteilung Psychische Gesundheit im Gesundheitsamt aufmerksam geworden. Vollkommen überrascht, was das Gesundheitsamt Frankfurt bietet, schrieb sie eine Initiativbewerbung. Seit 2015 ist sie für das Netzwerk tätig. „Natürlich mussten wir anfangs Klinken putzen, um auf unsere Angebote aufmerksam zu machen“, erzählt die 35-Jährige. „Inzwischen werden wir sehr oft angefragt und freuen uns über die breite Anerkennung unserer Arbeit.“ Zudem gilt FRANS deutschlandweit als Leuchtturmprojekt, andere Kommunen und Netzwerke profitieren von den Erfahrungen aus Frankfurt.
In der Szene ist FRANS bekannt. Aber wie gelingt es, das Netzwerk und das Thema Suizid an die Frankfurterinnen und Frankfurter heranzutragen? „Indem wir dort hingehen, wo die Menschen sind“, sagt Beig. Auf die Zeil, in die Stadtbücherei, in Kinos und Kirchen, in Clubs, die Stadteile, ins Stadion. Als in den Hochzeiten der Corona-Pandemie Kontaktbeschränkungen herrschten, kooperierte FRANS mit Supermärkten und Bäckerei-Filialen. Mit Flyern informiert das Netzwerk über Hilfsangebote für Menschen in seelischen Krisen und den Umgang mit Suizidalität, listet Anlaufstellen und Telefonnummern auf, schildert Warnsignale, gibt Hinweise, was ein Angehöriger tun kann.
„Mit FRANS möchten wir die Verringerung von Suiziden und Suizidversuchen erreichen. Je mehr wir für das Thema sensibilisieren, desto mehr Offenheit erfährt es in der Gesellschaft“, sagt Inga Beig. Als echter Gamechanger an den Infoständen hat sich das FRANS-Quiz erwiesen. Auf einer Tafel stellt es Fragen wie „Wie hoch ist die Anzahl der Suizidversuche pro Jahr in Deutschland in etwa geschätzt?“ oder „Was sollte ich nicht tun, wenn jemand lebensmüde Gedanken hat?“. Die Antworten lösen Aha-Momente aus, Erstaunen, freilich auch Betroffenheit. Vor allem aber erregen sie Aufmerksamkeit. „Und genau die kann uns helfen, unserem Ziel Stück für Stück näher zu kommen“, sagt Beig.
Ein weiteres Ansinnen von FRANS ist die Verbesserung der Datenlage. „Wir erfassen in Frankfurt verschiedene Kennzahlen zum Thema Suizid. Sie helfen uns dabei, unsere Präventionsarbeit zu spezifizieren und auch potenzielle Suizid-Hotspots in der Stadt zu identifizieren.“ So wurde beispielsweise bei hohen öffentlichen Gebäuden und bestimmten Schienenabschnitten auf eine Sicherung hingewirkt. „Je höher die Hürden sind, desto eher kann eine Impulshandlung vermieden werden“, weiß Beig. Plakativer ausgedrückt: Ein Mensch, der seinem Leben mit einem Sprung ein Ende setzen will und an gewählter Stelle nicht springen kann, wird sich in der Regel vorläufig keine andere Stelle suchen. „Es geht immer darum, Zeit zu gewinnen“, erklärt Beig. Zeit, in der ein Mensch mit lebensmüden Gedanken vielleicht den Mut findet, sich einer anderen Person anzuvertrauen, ins Reden zu kommen, sich helfen zu lassen.
„Reden kann
Leben retten“ – mit diesem Satz wirbt FRANS auf Postkarten und Postern. Hätte
Inga Beig die Möglichkeit, sie würde ihn deutschlandweit auf die großen
Plakatwände rechts und links der Autobahnen kleben lassen. Damit noch mehr
Menschen auf das Thema Suizid aufmerksam werden. Und mehr Menschenleben
gerettet werden können. „Suizid ist kein Nischenthema“, sagt sie. „Und es gibt
Hilfe. Das soll jeder wissen.“
Alle Infos über
FRANS findet sich auf frans-hilft.deExternal Link