Imagebroschuere
Versichert statt schutzlos
Die Clearingstelle des Gesundheitsamtes hilft Menschen zurück in die Krankenversicherung
Auf die Frage,
was er in den vergangenen Jahren gemacht hat, wenn er einen Arzt brauchte,
zuckt Patrick Lemmert mit den Schultern. „Ich war nie krank“, sagt er als wäre
daran so gar nichts ungewöhnliches.
Patrick Lemmert, Jahrgang 1948, hatte einige Zeit
im Ausland gelebt und war über 20 Jahre lang nicht krankenversichert. Wäre er
krank geworden, hätte er die mitunter immensen Kosten für einen Arztbesuch oder
einen Krankenhausaufenthalt selbst tragen müssen. Ihn selbst habe das gar nicht
so sehr belastet, erzählt er. „Eine gute Freundin hat mich immer wieder
gedrängt, mich endlich darum zu kümmern. Wir alle werden älter. Und auch wenn
man selten krank ist: Keiner weiß, was das mit sich bringt.“ Selbst dafür zu sorgen, wieder in der Krankenversicherung
aufgenommen zu werden, war für Lemmert allerdings nahezu unmöglich – zu viel
Bürokratie, zu viele offene Fragen, zu viele unbeantwortete Anrufe. Also stand
er eines Tages vor der Tür der Clearingstelle des Gesundheitsamtes der Stadt
Frankfurt am Main – besagte Freundin hatte ihn auf das Angebot aufmerksam
gemacht – ging einfach so hin, fand prompt Hilfe und eine sehr engagierte
Beraterin, wie Lemmert immer wieder betont. Seit dem 1. März 2022 ist Lemmert
wieder versichert, er konnte mit der Hilfe der Clearingstelle des
Gesundheitsamtes in die Krankenversicherung zurückkehren.
Beratung zweimal wöchentlich
Seit November
2020 finden Menschen wie Patrick Lemmert in der Clearingstelle einen
Anlaufpunkt. Vier Berater:innen unterstützen Menschen ohne
Krankenversicherung nach vorheriger
Terminvereinbarung telefonisch oder persönlich bei der Klärung ihres
Versicherungsschutzes und helfen ihnen, in die gesundheitliche Regelversorgung
zu finden. Auch Menschen, die nicht versichert sind und zum Arzt oder zur
Ärztin müssen, finden hier Hilfe. Die Idee, eine Clearingstelle einzurichten
entstand, als 2017 in Nordrhein-Westfalen die ersten Stellen dieser Art
eröffnet wurden. Das Gesundheitsamt rief damals einen Runden Tisch mit
Akteur:innen aus Kliniken, medizinischen Einrichtungen, dem ambulanten Bereich
und dem Sozialamt ins Leben. Alle Beteiligten sprachen sich für die Einrichtung
einer solchen Stelle aus. Im November 2020 konnte die Clearingstelle als
gemeinsames Projekt der Stadt Frankfurt und der University of Applied Sciences ihre
Arbeit aufnehmen.
Ein Drittel wird zurück vermittelt
„Die
Clearingstelle ist deutschlandweit die einzige, die allein aus städtischen
Mitteln finanziert und von einem Gesundheitsamt umgesetzt wird. Daher wir sind
sehr froh, dass wir unsere Kooperation mit der Frankfurt University of Applied
Scienes fortsetzen können“, sagt Dr. Peter Tinnemann, Leiter des
Gesundheitsamtes. „Wir erleben ständig, wie groß der Bedarf ist. Und wir sehen
auch, wie erfolgreich die Arbeit der Berater:innen ist: Rund ein Drittel der
Klient:innen konnten wir in das gesetzliche Regelsystem integrieren. Da wir nicht
immer erfahren, wie ein Fall ausgegangen ist, können wir von einer noch
größeren Zahl erfolgreicher Vermittlungen ausgehen.“
Kürzlich sei eine Klientin da gewesen, die gleich beim ersten Besuch habe zurückgeführt werden können, erzählt Kristina Ivanova, eine der Beraterinnen der Clearingstelle. „So schnell geht es quasi nie. Es war eine große Freude für uns alle.“ Bei Patrick Lemmert dauerte es rund ein halbes Jahr, in dem er immer wieder Termine in der Clearingstelle wahrnahm, immer wieder andere Unterlagen vorlegen musste. „Unsere Arbeit ist mit sehr viel Papierkram und Bürokratie verbunden“, sagt Kristina Ivanova. „Es kann allein über eine halbe Stunde, bis man bei einer Krankenkasse jemanden ans Telefon bekommt.“ Das reiche schon als Hürde, die manche Klient:innen aufgeben lässt, bevor es überhaupt losgeht. Dazu kämen schwer verständliche Schriftstücke, Formulare und Fragen, die selbst deutsch Muttersprachler:innen scheitern lassen.
Es kann jeden treffen
Das
Statistische Bundesamt geht von 61.000 Menschen ohne Krankenversicherungsschutz
im Jahr 2019 aus. Die tatsächliche Zahl der Betroffenen ist wegen einer großen
Dunkelziffer aber nur schwer einzuschätzen und wahrscheinlich viel höher.
Treffen kann es jeden: Menschen, die wie Patrick Lemmert im Ausland gelebt
haben, Selbstständige, die zu wenig verdienen, um Krankenkassenbeiträge zu
bezahlen, Student:innen, die nicht mehr über die Familienversicherung geschützt
sind, Menschen ohne Obdach, Haftentlassene, entlassene Soldat:innen,
EU-Bürger:innen, die im Heimatland versichert sind und deren Schutz in
Deutschland nicht akzeptiert wird oder die nicht krankenversichert sind.
Jeder Fall ist anders
„Unsere
Zielgruppe ist sehr divers“, sagt Kristina Ivanova. Und so divers wie die
Zielgruppe sind auch die Fälle. „Es gibt kein Schema, nach dem wir die Fälle
abarbeiten können. Jeder Fall ist anders und jeder ist auf seine Art
kompliziert. Anders als unsere Klient:innen wissen wir aber, wo wir suchen
müssen, um weiterzukommen.“ Von nicht enden wollenden Warteschleifen am Telefon
lassen sich die Berater:innen der Clearingstelle nicht abschrecken.
Schriftstücke und Akten begutachten sie mit Know-how und Akribie. Sie wissen,
welche Unterlagen gebraucht werden. Und wenn die Klient:innen einverstanden
sind, lassen sie sich bevollmächtigen, den Schriftverkehr mit den Krankenkassen
zu führen. Das allein habe oft große Wirkung, sagt Kristina Ivanova. „Wenn die
Kassen eine E-Mail oder einen Brief mit unserem Absender bekommen, reagieren
sie meist schneller.“
Patrick Lemmert hat selbst erlebt, mit welch großem Engagement die Mitarbeiter:innen der Clearingstelle ihre Klient:innen unterstützen: „Meine Beraterin hat sich viel Zeit genommen, sehr penibel gearbeitet, mich immer mit einbezogen und nicht aufgegeben. Ich bin ihr sehr dankbar, dass ich nun wieder versichert bin.“