Ein halbes Jahrhundert im Dienst der Tiere
Tierpfleger Ewald Suffner feiert sein 50 Dienstjubiläum im Frankfurter Zoo
„Ich möchte abends mit dem Gefühl nach Hause gehen, alles für die Tiere getan zu haben"
Dienstjubiläen gibt es bei der Stadt Frankfurt viele – aber das 50.
schaffen die wenigsten Angestellten. Zu ihnen zählt Ewald Suffner. Der 65-jährige
Tierpfleger begann im Jahr 1970 seine Lehre im Zoo Frankfurt und ist diesem bis
heute treu geblieben. Offiziell ging er am 1. April 2019 in Rente, aber die
Arbeit mit den Tieren ließ ihn nicht los. Deshalb arbeitet er seitdem auf
Minijob-Basis im Zoo und kümmert sich weiterhin zweieinhalb Tage im Monat um
die Tiere. „Beschäftigen könnte ich mich auch zu Hause“, sagt der Tierpfleger,
„ich habe viele Hobbys. Ausschlaggebend war für mich die Personalsituation, die
leider meistens schwierig ist, da wollte ich weiter unterstützen. Und
gefühlsmäßig war ich einfach noch zu nah an den Kollegen und den Tieren, um
ganz zu gehen.“ Am Samstag, 1. Mai, feiert er nun sein 50. Dienstjubiläum – da
er nach dem Beginn seiner Rente nicht unmittelbar auf Minijob-Basis
weitermachte, findet das Jubiläum jetzt statt und nicht im letzten Jahr – und
blickt auf eine ereignisreiche Zeit mit Tieren und Menschen zurück.
Am 1. September 1970 trat Suffner seine Lehre im Zoo an, in der Bärenburg im
damaligen ersten Revier. An ein Erlebnis seines ersten Arbeitstages erinnert er
sich noch genau: „Ich habe den Revierwärter gefragt, ob ich bei der Arbeit
Kaugummi kauen darf. Das war damals an vielen Orten nicht erlaubt. Der
Revierwärter hat mich angeguckt, als wäre ich verrückt, aber mir war das damals
wichtig“, lacht Suffner. Zu seiner Freude war es für den Revierwärter kein
Problem.
Anpfiff von Bernhard Grzimek
Sechs Zoodirektoren hat der Tierpfleger in den 50 Jahren erlebt, und auch
den siebten wird er noch kennenlernen. Als Suffner seine Lehre begann, stand
der Frankfurter Zoo noch unter der Leitung des legendären Bernhard Grzimek.
„Der Frankfurter Zoo hat jahrelang von Grzimek gelebt, er hat ihn bekannt
gemacht – weltweit. Er hat so viel vorangebracht, auch im Bereich Zucht, darauf
ist man schon stolz“, erzählt er. Ein einfacher Chef war der bekannte
Zoodirektor aber nicht immer, wie Suffner weiß: „Ich erinnere mich an ein
Erlebnis in meiner Lehrlingszeit. Damals habe ich im Nashornhaus gearbeitet,
und Herr Grzimek kam bei seiner morgendlichen Runde vorbei. Er hat mich
ordentlich angepfiffen, warum ich die Käfige mit Wasser ausgespritzt und nicht
gekehrt hätte, das sei Wasserverschwendung!“ Er habe aber auch schöne
Erinnerungen, zum Beispiel als er Grzimek Tiere für dessen Sendung zur
Verfügung stellte.
Auch an Grzimeks Nachfolger Richard Faust erinnert Suffner sich gut, denn
dieser war Ornithologe und Suffner arbeitet seit dem Ende seiner Lehre im
Vogelhaus. „1973 habe ich meine Gesellenprüfung gemacht, gemeinsam mit einem
weiteren Lehrling. Als wir von der Prüfung zurück in den Zoo kamen, hat man uns
gleich gefragt: Wer will wo hin? Zur Auswahl standen die Futterküche und das
Vogelhaus“, erzählt er. Beide Bereiche galten damals nicht unbedingt als
Highlights des Zoos. „Deswegen haben wir Streichhölzer gezogen. Und so bin ich
im Vogelhaus gelandet und da bin ich bis heute.“ Einzige Unterbrechung: Kurz
nach dem Start dort wurde Suffner für sechs Wochen ins Exotarium abgesandt, wo
er aber hauptsächlich Reinigungsarbeiten erledigen musste. „Da habe ich die
Scheiben geputzt und meine Arbeit hatte nicht wirklich etwas mit den Tieren zu
tun. Aber es war in Ordnung, da ich wusste, dass es nur sechs Wochen waren, und
danach konnte ich zurück ins Vogelhaus.“
„Fische zerschneidet man am besten mit der Schere“
Dort sind die Aufgaben vielfältiger. Ein typischer Tag beginnt um 7.30 Uhr
– „manchmal gar nicht so leicht, wenn man wie ich nicht gerne früh aufsteht“,
erzählt Suffner lachend. Als erstes macht er immer eine Runde durch das Haus,
um zu gucken, ob bei den Tieren alles in Ordnung ist und keines krank ist, denn
gerade bei Vögeln muss dann sehr schnell gehandelt werden. Dabei sammelt er
auch übrig gebliebenes Futter ein und kümmert sich dann darum, dass es auch
weiterhin welches gibt, indem er sich der Futtertierzucht widmet. Denn die
meisten Tiere fressen andere Tiere; auch Vögel, die sich oft von Insekten
ernähren. Bei der Futtertierzucht dreht es sich vor allem um ein kleines
Exemplar: die Stubenfliege. „Wir verfüttern sie im lebenden und im toten
Zustand sowie als Maden an unsere Tiere“, erklärt Ewald Suffner. „Und natürlich
müssen wir schauen, dass wir alle drei Varianten immer vorrätig haben.“
Weiter geht’s in der Küche: Dort wird das Futter zubereitet, Fleisch
geschnitten und die Näpfe bestückt, die dann verteilt werden. Morgens gibt es
meistens Insekten, nachmittags bekommen einige Vögel auch Fisch serviert. Dabei
müssen die Pfleger schauen, dass die Portionen in essbaren Stücken in die Näpfe
kommen. Zum Zerkleinern nutzen sie dabei eine ungewöhnliche Methode: „Fische
zerschneidet man am besten mit der Schere“, erklärt Suffner. „Das mag
vielleicht ein bisschen eklig für den ein oder anderen klingen, aber wir müssen
daran denken, wie die Tiere ihr Essen am besten zu sich nehmen können. Wir haben
die Fische auch mal testweise durch einen Fleischwolf gedreht. Das Ergebnis war
eine Art Mus, und das können die Vögel mit ihren Schnäbeln nicht aufnehmen. Sie
brauchen Stücke.“
Auch wenn es bei der Futterzubereitung manchmal etwa blutig zugeht, hat Suffner
keine Probleme damit. Es gibt aber eine Sache, die er mehr als ungern tut:
„Futtertiere töten ist das schlimmste! Früher mussten wir Mäuse und Ratten
töten, die beispielsweise an Eulen verfüttert werden. Es ist verboten, Tiere
lebend zu verfüttern, deswegen mussten wir das Umbringen für die Vögel
übernehmen. Das war wirklich schlimm, wir wollen mit Tieren arbeiten und sie
nicht töten! Heute kommen die Mäuse im tiefgefrorenen Zustand, sodass wir das
zum Glück nicht mehr machen müssen“, berichtet er.
Die perfekte Umgebung für den Nestbau
Eine weitere Aufgabe der Tierpfleger ist die Zucht der verschiedenen Arten,
die im Zoo leben. Und wie bei den Menschen ist es auch bei den Vögeln wichtig,
dass sich dafür Männchen und Weibchen gut verstehen. „Die Paare müssen
harmonieren. Das ist nicht immer selbstverständlich, es gibt auch Spannungen
zwischen Männchen und Weibchen“, sagt Suffner. Wenn sie aber gut
zusammenpassen, geben die Pfleger ihnen die Möglichkeit zum Nestbau. Dabei
beachten sie, dass jede Vogelart die Umgebung bekommt, in der sie sich
wohlfühlt. „Es kommt darauf an, wo die jeweilige Art ihre Nester baut. Manche
Arten bauen sie in Bäumen, andere in Höhlen, wieder andere in Büschen. Das
wissen wir und erschaffen ihnen im Vogelhaus die Umgebung, die sie zum Nestbau
brauchen“, erklärt der Tierpfleger. Wenn sie sich dort wohlfühlen, legen sie
Eier und befruchten diese. Wenn dann das Küken schlüpft, muss es von den Eltern
angenommen und gepflegt werden – für die Pfleger ein besonderer Moment: „Einen
Vogel zu halten ist das eine, und wenn es dem Vogel und seinem Partner gut
geht, dann ist das super. Aber das Salz in der Suppe sind die Nachzuchten. Bei
den Jungtieren steckt man noch mehr Zeit und Herzblut rein. Sie sind die
Bestätigung dafür, dass sich die Eltern wohlfühlen und man alles richtig
gemacht hat.“
Maschinen erleichtern die Arbeit
Der Beruf des Tierpflegers erfordert aber nicht nur Zeit und Herzblut,
sondern auch viel Kraft. Es ist eine körperliche Arbeit, die aber
glücklicherweise in 50 Jahren einige Erleichterungen erfahren hat. Vieles, was
Suffner zu Beginn seiner Laufbahn noch per Hand machen musste, wird heute mit
der Unterstützung von Maschinen erledigt. So gibt es in der Küche des
Vogelhauses jetzt eine Spülmaschine, damit die Näpfe nicht mehr von Hand
gespült werden müssen; Heu muss nicht mehr per Hand von Lastern abgeladen
werden, sondern wird auf Förderbändern transportiert; und Sand wird nicht mehr
auf Schubkarren geschoben, sondern mit Kippladern von A nach B gefahren. „Für
uns im Vogelhaus sind beispielsweise auch Motorsägen sehr wichtig“, erklärt
Suffner. „Wenn wir die Volieren einrichten, müssen wir oft Äste kürzen. Da
helfen uns Motorsägen ungemein. Allgemein werden die Arbeiten durch die
Zuhilfenahme von technischen Geräten wesentlich rückenfreundlicher.“ Und auch
für die Tiere ist heute vieles besser als vor 50 Jahren. „Die medizinische
Versorgung ist heute viel besser. Wir haben jetzt eigene Tierärzte, die hier im
Zoo angestellt sind. Früher kam ein privater Tierarzt etwa zwei bis drei Mal
die Woche vorbei, um nach den Tieren zu sehen. Bei akuten Fällen war das ein
Riesenproblem! Wenn sich beispielsweise ein Vogel den Fuß oder den Flügel
bricht, kann sich das schnell infizieren, da muss der Arzt schnell kommen. Das
ist heute wirklich besser“, sagt der Tierpfleger.
„Abends mit ruhigem Gewissen nach Hause gehen“
Auch wenn die Arbeit durch Maschinen einfacher geworden ist als vor 50
Jahren, anstrengend ist sie dennoch. Suffner möchte trotzdem weiterarbeiten.
„Wenn es körperlich klappt, hänge ich gerne noch ein Jahr dran“, sagt er. Er
ist einfach gerne bei den „Viechern“, wie er seine Schützlinge liebevoll nennt.
Ein Lieblingstier hat er allerdings nicht. „Als Pfleger sollte man keine zu
enge Beziehung zu einem Tier aufbauen, denn diese sollen ja vor allem auf ihre
Artgenossen fokussiert sein“, erklärt er. Am Herzen liegen sie ihm trotzdem:
„Wenn ein Tier, wie beispielsweise der Schuhschnabel, der mich jahrelang jeden
Morgen mit lauten Geräuschen begrüßt hat, plötzlich stirbt, dann nimmt einen
das schon sehr mit und macht traurig.“ Jedes Tier bekommt von Suffner und
seinen Kollegen die gleiche intensive Pflege. „Ich möchte abends mit dem Gefühl
nach Hause gehen, dass ich alles für die Tiere getan habe, was in meiner Macht
steht. Ich möchte mit ruhigem Gewissen nach Hause gehen“, sagt Suffner. Nach
diesem Motto kümmert er sich seit 50 Jahren um die Bewohner des Vogelhauses.
Sein 50. Dienstjubiläum groß feiern will er aber nicht, auf Reden und Ehrungen
legt er keinen großen Wert. Stattdessen lässt der Routinier es ruhig angehen:
„Ich weiß schon, dass ich eine gute Flasche Wein vom stadteigenen Weingut
geschenkt bekomme. Die werde ich dann in Ruhe mit meiner Frau zusammen trinken
und auf die 50 Jahre im Frankfurter Zoo anstoßen.“
Text: Laura Bicker