„Das Leben bedeutet Veränderung“
Roland Schaus begann vor 50 Jahren seine Ausbildung bei der Stadt
Wer einen städtischen Mitarbeiter aus Überzeugung sucht, ist bei Roland Schaus an der richtigen Stelle. Seit 50 Jahren steht der gelernte Mechaniker in den Diensten der Kommune, vom Beginn seiner Ausbildung bis zu seiner heutigen Tätigkeit im Gebäudemanagement der Stadtentwässerung Frankfurt (SEF). Doch damit wäre er nur unvollständig beschrieben, ist er doch aus gleicher Überzeugung langjähriger Arbeitnehmer:innenvertreter. So hat er etwa die Umwandlung des ehemaligen Stadtentwässerungsamtes in einen kommunalen Eigenbetrieb begleitet und kann aus seinen Erinnerungen so manch spannendes Detail zum Thema Strukturwandel des öffentlichen Dienstes und kommunale Daseinsvorsorge beisteuern.
Schaus kam im Februar 1972 als Lehrling – wie es damals hieß – zur Stadt. Die dreieinhalbjährige Ausbildung hatte er bereits vorher in Heidelberg begonnen und konnte sie nach dem Umzug fortsetzen. „Es war unheimlich vielfältig“, erinnert er sich. So hätten in der damaligen zentralen Ausbildungswerkstatt in der Ostparkstraße Lehrlinge verschiedenster Gewerke die für ihren Beruf notwendigen Fähigkeiten erlernt. Im steten Wechsel ist es dann in unterschiedliche Stationen bei den verschiedenen kommunalen Betrieben und Ämtern gegangen, etwa zur Stadtbahnhauptwerkstatt oder zur Reparatur von Wasserzählern.
Noch heute schwärmt er von der Ausbildung: „Man hat auf Qualität Wert gelegt.“ Diese habe Vorrang vor Geschwindigkeit gehabt, wenn es etwa um das Herstellen von Werkstücken gegangen sei. Hierauf hätten die Meister großen Wert gelegt. Den Umgangston beschreibt Schaus als gut und respektvoll. Das in anderen Teilen des Handwerkes zuweilen arg autoritäre Verhältnis zwischen Lehrherren und „Stift“ – wie sich Auszubildende gerne mal bezeichnen lassen müssen – habe es bei der Stadt nie gegeben.
„Der Bürger ist der Chef“
Nach bestandener Prüfung ging es für Schaus bei der Stadt weiter. Als die ehemaligen Auszubildenden auf die Betriebe verteilt wurden, bekam er eine Stelle beim damaligen Stadtentwässerungsamt, wo er noch heute tätig ist. „Das Image war schlecht“, sagt er und deutet mit zugehaltener Nase den Gestank von Kanalisation und Kläranlage an. Aber dieses öffentliche Bild habe sich geändert, berichtet Schaus: „Früher waren wir die, die im Dreck arbeiten. Heute machen wir Umweltschutz.“
Die Arbeit und der Zusammenhalt habe ihm Spaß bereitet, auch wenn es fachlich eine Umstellung gewesen sei. „Vorher hatte ich an der Drehbank mit kleinen und exakten Maßen zu tun. Das geht im nassen Kanal gar nicht. Da musste ich mich auf Gröberes umstellen.“ Zugleich entstand in dieser Zeit sein sehr persönliches Arbeitsethos. „Der Bürger ist der Chef“, umschreibt Schaus diese Einstellung. Hierzu gehöre etwa, an der Baustelle Interessierten bereitwillig Auskunft über den Fortgang der Arbeiten zu geben oder bedürftigen Menschen zu helfen, wenn sie vorbeikommen. Selbstverständlich dürften die Steuerzahler Engagement für ihr Geld verlangen. „Es ärgert mich, wenn manche ihre Sache nicht ordentlich machen oder sich drücken“, betont er. In dieser Zeit qualifizierte er sich weiter. 1983 bestand er die Meisterprüfung und absolvierte 1991 den 57. Lehrgang der Akademie der Arbeit.
Fragt man ihn, was sich in all den Jahren geändert hat, bekommt man eine klare Antwort: „Jeder agiert heute mehr für sich, das Miteinander ist weniger geworden“, sagt er. Das betreffe die Art des Arbeitens und den Umgang untereinander. Oft stehe vor allem der eigene Verantwortungsbereich im Fokus und weniger, was sich hinter dessen Grenzen abspiele. „Aber vielleicht ist das auch eine gesellschaftliche Entwicklung“, antwortet Schaus auf die Frage nach den Ursachen. Diese verlange, immer mehr nach Leistungen einzelner Individuen oder Unternehmensteile zu schauen und nicht das große Ganze im Blick zu haben. „Und natürlich wirkt sich das auch auf den Umgang der Kollegen untereinander aus“, fügt er hinzu.
„Ich saß zwischen den Stühlen“
Eine Einschätzung, die den kritischen Blickwinkel des langjährigen Arbeitnehmervertreters offenbart. Denn Schaus gehört dem Personalrat der SEF und der Vorgängerin Stadtentwässerungsamt seit 1985 an und war von 1992 bis 2004 dessen freigestellter Vorsitzender. Als er dem Gremium vorstand, entsprach es dem Zeitgeist, öffentliche Dienstleistungen zu privatisieren – ganz oder teilweise. Das sollte mehr Wirtschaftlichkeit und Flexibilität bringen. Ein Vorhaben, dem sich der damalige Magistrat mit dem Kämmerer Tom Koenigs verschrieben hatte. „Das war etwas ganz Neues“, erinnert sich Schaus. „Auf einmal standen wir vor der Frage, kann uns der Arbeitgeber privatisieren? Alle vom Amtsleiter bis zu den Beschäftigten waren dagegen“, berichtet Schaus. Die simple Antwort war, dass das möglich sei. So begann die Diskussion um die Zukunft der Stadtentwässerung in Frankfurt.
Es war die Zeit, in der er „zwischen den Stühlen saß“. Denn er sah die Notwendigkeit zum Kompromiss, obwohl die Stadtentwässerung aufgrund ihrer Gebühren kostendeckend arbeitete. Die Verhandlungspartner auf städtischer Seite waren Koenigs sowie der damalige Stadtrat und spätere Bürgermeister Achim Vandreike. „Beide waren sehr zugänglich“, erinnert sich Schaus. Die Verhandlungsgruppe mit Vertretern beider Seiten fuhr in andere Städte der Republik, um die dort gemachten Erfahrungen auszuwerten. So ging es etwa nach Dresden, wo die Entwässerung verkauft wurde. „‚Macht das bloß nicht‘, sagten die uns. Es läuft schlechter als vorher“, erinnert sich Schaus. Ähnlich sei der Tenor in anderen Städten gewesen.
Eine fordernde Zeit
Heraus kam ein Kompromiss. Die Stadtentwässerung blieb vollständig in öffentlicher Hand, aber aus dem bisherigen Amt musste ein Eigenbetrieb werden. Denn: „Das Leben bedeutet Veränderung“, wie Schaus sagt. Auf einmal hielt ein kaufmännischer Geschäftsführer Einzug, der mit einem Techniker zusammen das Unternehmen führt. „Man kann die Einnahmen und Ausgaben wirtschaftlicher betrachten“, erläutert Schaus den Vorteil dieser Konstruktion. Auch gebe es das „Novemberfieber“ nicht mehr – also den Zwang, zu Ende eines Haushaltsjahres noch vorhandenes Geld ohne eigentliche Notwendigkeit auszugeben. Der Weg hin zu dem Kompromiss war allerdings für Schaus aufreibend. „Ich war verschlissen“, erinnert sich der ehemalige Personalratsvorsitzende.
Schaus zog sich von der Aufgabe zurück, gehört jedoch seitdem dem Gremium als Beisitzer an. Er wechselte von der Freistellung in die Haustechnik – auch so eine Veränderung. Eine Arbeitsstelle, auf der er sich wohl fühlt. Aber die ganz großen Linien hat das überzeugte Gewerkschaftsmitglied immer noch im Blick: „Es ist schade, dass bisher aus dem gemeinsamen Dienstrecht nichts geworden ist“, sagt er. Hierunter ist ein gemeinsames Arbeitsrecht für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu verstehen, also für Arbeiter, Angestellte und Beamte. „Aber das wird wahrscheinlich noch lange nicht kommen“, gibt er sich realistisch.
Nach den bisherigen 50 Jahren bei der Stadt geht Schaus in etwas mehr als zwölf Monaten in den Ruhestand. Dann möchte er sich eine ehrenamtliche Betätigung suchen, gerne auch im sozialen Bereich. Eine weitere Veränderung, die ansteht.
Text: Ulf Baier