„Höchster Bürgermeister“ Henning Brandt

„Höchster Bürgermeister“ Henning Brandt

Portraits

Der „Höchster Bürgermeister“ sagt: Auf bald!

Nach 34 Jahren im Dienst der Stadt geht Henning Brandt, Leiter der Verwaltungsstelle Höchst, in den Ruhestand

„Jahrelang arbeitete Henning Brandt womöglich in einem der schönsten, sicher jedoch an einem der ruhigsten und ungewöhnlichsten Arbeitsplätze, welche die Frankfurter Stadtverwaltung zu bieten hat: Das Büro des Leiters der Verwaltungsstelle Höchst“, berichtet Oberbürgermeister Peter Feldmann. Es befand sich bis zum sanierungsbedingten Umzug im ehemaligen Schlafzimmer der Familie Bolongaro. Derzeit ist es im östlichen Gartenpavillon untergebracht. Seine Privatwohnung ist nur wenige Meter entfernt, in einem Seitenflügel des Bolongaropalastes.

Henning Brandt am Fenster seines Büros im Bolongaropalast, Foto: Maik Reuß
Henning Brandt am Fenster seines Büros im Bolongaropalast © Stadt Frankfurt am Main, Foto: Maik Reuß
So viel Nähe zwischen Berufsleben und Privatsphäre ist sicher nicht jedermanns Sache. Doch der Magistratsrat betont eher die positiven Aspekte: So entfalle die tägliche Pendelei und auch die Aussicht sei nicht schlecht, kokettiert Brandt und blickt aus seinem Fenster, wo der Main nur einen Steinwurf entfernt gemütlich an der Höchster Batterie vorbeimäandert.
 
Ende Mai geht Brandt nach 34 Jahren in Diensten der Stadt Frankfurt, die letzten fast 16 Jahre davon in Höchst, mit 66 Jahren offiziell in Ruhestand. „Mit Henning Brandt verliert die Stadt einen wahren Kenner Höchsts und der umliegenden Stadtteile. Er hinterlässt seinem oder seiner Nachfolger(in) gewaltige Fußstapfen“, würdigt der Oberbürgermeister die Arbeit des in ganz Höchst bekannten und allseits geschätzten Verwaltungsstellenleiters. 2006 berief Feldmanns Vorgängerin Petra Roth Brandt zum Verwaltungsstellenleiter und „Seismograph des Magistrats“ für die Wünsche und Nöte der Bürgerinnen und Bürger im Frankfurter Westen. Seinen Job als pragmatisch denkendes und diplomatisch handelndes Bindeglied zwischen Politik und Bevölkerung habe er immer gerne ausgeübt. „Ich hatte das Glück, das Vertrauen der Kernverwaltung im Römer zu genießen und in einer Zeit in Höchst zu arbeiten, in der der Magistrat mit großen Investitionen und Plänen insbesondere in Höchst tätig war“, sagt Brandt.
Wegbegleiter nachhaltiger Veränderung
 
Viele der vor fünf oder gar zehn Jahren angestoßenen Veränderungen werden sich wohl erst in einigen Jahren auf das Leben in Höchst auswirken – dafür werden diese Verbesserungen aber umso nachhaltiger ausfallen. Brandt zählt neben der Sanierung des Bolongaropalastes den Neubau des Höchster Klinikums, die bevorstehende Inbetriebnahme der Regionaltangente West sowie die Sanierung des Höchster Bahnhofs samt Busdepot auf. Auch die ABG Frankfurt Holding investiere unter anderem in Höchst massiv in den kommunalen Wohnungsbau.
 
Für den gebürtigen Niedersachen, der aus dem beschaulichen Holzminden stammt, entpuppte sich der Wechsel nach Frankfurt im September 1987 rückblickend als Glücksfall, auch wenn der junge Vater zweier Kinder anfangs nicht in Begeisterung ausbrach, als die Zusage aus Frankfurt kam. „Vorher habe ich bei der Bundeswehr als LKW-Fahrlehrer gearbeitet und Frankfurt genoss Ende der achtziger Jahre nicht den besten Ruf“, entsinnt sich Brandt. Doch als er mit seiner Frau und den Kindern während der Wohnungssuche auf den Treppen an der Hauptwache saß und auf die Skyline blickte, habe der Zauber der Mainmetropole angefangen, auf ihn zu wirken.
 
Ein Kümmerer im Dienste der Bürgerschaft
 
Direkt nach seiner Ausbildung zum Verwaltungsfachmann stellte Brandt seine Arbeit in den Dienst der Gesellschaft. Als Mitglied einer neu gegründeten Abteilung im Amt für Wohnungswesen half er mehrere Jahre, zweckentfremdeten Wohnraum zurückzugewinnen. „Damit landeten wir oft vor Gericht und in den Medien. Diese Arbeit habe ich persönlich auch als sehr erfüllend empfunden“, sagt Brandt. Als Petra Roth 1995 in den Römer einzog, habe sie „noch jemanden gebraucht, der für sie vor Ort den Kontakt zu den Menschen hält und amtsübergreifend als Problemlöser und Kümmerer agiert“, entsinnt sich der Verwaltungsstellenleiter an seinen Wechsel in den Römer. „Als sich dieses System nach zwei bis drei Jahren eingespielt hat, habe ich angefangen, eher nach innen zu wirken und schriftlich auf die Belange der Bürgerinnen und Bürger einzugehen sowie Reden und Grußworte vorzubereiten“, sagt Brandt.
 
2006 schließlich fragte ihn die damalige Oberbürgermeisterin, ob er nicht die Stelle in Höchst antreten wolle. „Ich hatte drei Tage Bedenkzeit. Aber so ein Angebot schlägt man nicht aus“, erklärt der längst „eingeplackte“ Niedersachse. An seine erste Woche im Bolongaropalast könne er sich noch gut erinnern. Besonders „verstörend“ sei nach dem mitunter hektischen und turbulenten Arbeitsalltag im Römer die unfassbare Stille im Bolongaropalast. „Ich habe im August 2006 angefangen, saß am Arbeitsplatz meines pensionierten Vorgängers und habe erst einmal gestaunt, wie still es hier draußen ist“, sagt Brandt.

Ein Mann der stets dezenten Zwischentöne
 
Die pittoreske Kulisse des Höchster Mainufers scheint den Verwaltungsstellenleiter nachhaltig geprägt zu haben. Stets dezent und geräuschlos fand er die richtigen Zwischentöne im Umgang mit Höchster Interessenvertretern und vermittelte bei so manchem Konflikt mit der Stadtregierung. „Henning Brandt ist das Paradebeispiel eines bürgernahen Netzwerkers, der dort Präsenz zeigt, wo es nötig ist und der Stadtverwaltung hilft, kritische und wichtige Strukturen zu erhalten und zu stärken, bevor sie unwiederbringlich verlorengehen“, lobt Feldmann, zu dessen Dezernat die Verwaltungsstelle Höchst gehört.
 
Mit seinem Ruhestand wird Brandts Engagement für Höchst allerdings nicht enden. So wird er auch weiterhin am Bolongaropalast wohnen bleiben und sich für den Stadtteil engagieren. „Die Coronapandemie hat auf einige meiner Aufgaben wie den direkten Kontakt zur Bevölkerung wie eine Stopptaste gewirkt. Ich hoffe, dass mein oder meine Nachfolger(in) diesen wieder möglichst rasch aufnehmen kann“, sagt Brandt. Der Mitinitiator des Höchster Suppenfestes, welches bis zur Zwangspause vor zwei Jahren zum Ereignis in ganz Höchst herangewachsen ist, kann es offenbar kaum erwarten, wieder unter Leute zu kommen und dabei zu helfen, die sozialen Strukturen im Frankfurter Westen zu stärken.
 
Bis es soweit ist, sagt Brandt, werde ihm aber keinesfalls langweilig. Vor zweieinhalb Jahren habe er sich mit seiner Lebensgefährtin ein Ferienhaus im Vogelsberg zugelegt, in dem es allerhand zu tun gebe. Auch möchte er sich stärker als bisher um seine Enkelkinder kümmern und der Altherrenmannschaft „seines“ KSV Urberach als ehrenamtlicher Helfer und Spieler zur Verfügung stehen.
 
Die Verwaltungsstelle Höchst wird auch weiterhin offen stehen, die Leitung der Verwaltungsstelle zeitnah ausgeschrieben. Bis dahin werden die Kolleginnen und Kollegen von der Koordinierungsstelle Stadtteile im Hauptamt und Stadtmarketing Brandts Arbeit übernehmen und sich der Anliegen aus Höchst annehmen. „Ich wünsche mir, dass die neue Verwaltungsstellenleitung beim Umsetzen ihrer Pläne und Ideen im gleichen Maße unterstützt wird, wie ich es erfahren durfte“, sagt Brandt. Bis dahin werde er sich keinesfalls aufdrängen. Doch wer Rat suche, der wisse, wo er zu finden sei.

 
Text: Mirco Overländer

 

inhalte teilen