Frankfurts „Chefdiplomat"
Eduard Hechler blickt zurück auf fast 50 Jahre im Dienste der Stadt.
Als Eduard Hechler in den
Dienst der Stadt Frankfurt eintrat, überschlugen sich die weltgeschichtlichen
Ereignisse: Zu Beginn des Jahres 1973 beendete nach zwei Jahrzehnten das
Pariser Abkommen formell den Vietnamkrieg. Infolge des Jom-Kippur-Krieges kam
es zur ersten Ölpreiskrise, woraufhin der Benzinpreis deutlich anstieg und es
deutschlandweit zu autofreien Sonntagen kam. Zehn Tage nach Hechlers
Dienstantritt zerstörte am 11. September ein Militärputsch die von Salvador
Allende etablierte Vorzeigedemokratie in Chile.
„In Deutschland und vor allem in Frankfurt herrschte damals Aufbruchsstimmung“,
entsinnt sich der heutige Leiter des Referats für Internationale
Angelegenheiten (RIA) an seine Lehrjahre im Verwaltungsseminar. Als Inspektor
bezog Hechler 1976 seinen ersten Posten im damaligen Personalamt. „Ich war
zuständig für Grundsatzangelegenheiten und half unter anderem, den
arbeitsmedizinischen Dienst zu installieren“, entsinnt sich der gebürtige
Mainzer, der seine Kindheit in Flörsheim verbrachte, bevor es ihn in der Jugend
nach Friedberg verschlug.
Zu Hechlers Aufgaben im Personalamt gehörte es auch, Schreibtests an der
Schreibmaschine zu bewerten. „180 Anschläge pro Minute waren die
Minimalanforderungen, ab 210 Anschlägen wurde eine Vergütungsstufe
zugerechnet“, sagt Hechler schmunzelnd und wischt über sein Smartphone, um die
neuesten E-Mails seines Teams zu beantworten. 48 Jahre im öffentlichen Dienst
haben aus dem jungen Verwaltungsbeamten einen erfahrenen Abteilungsleiter
gemacht. Mit ihm hat sich auch die Stadt, in der dies geschah, auf
mannigfaltige Weise verändert. „Eduard Hechler ist ein herausragender
Impulsgeber der internationalen Ausrichtung dieser Stadt und in gewisser Weise
der Chefdiplomat Frankfurts. 11 unserer 17 Städtepartnerschaften tragen
unverkennbar seine Handschrift“, sagt Oberbürgermeister Peter Feldmann.
Turbulente Zeiten am
Theater
Doch zurück ins Jahr 1980. Seinerzeit herrschte nicht nur in der Republik eine
explosive Stimmung. Auch an den Städtischen Bühnen, in deren allgemeine
Verwaltung der heutige RIA-Chef damals wechselte, ging es hoch her. „Am Theater
gibt es alles“, habe es damals mit Blick auf die gesellschaftliche
Spiegelfunktion geheißen. Der Geist der Post-68er-Generation hatte auch die
Städtischen Bühnen erfasst. Im Zuge einer Demonstration von RAF-Sympathisanten
sahen sich 1981 sogar der mitnichten als reaktionär verschriene
Oberbürgermeister Walter Wallmann und der legendäre Kulturdezernent Hilmar
Hoffmann gezwungen, in den Spielbetrieb einzugreifen.
Seine Zeit am Theater bezeichnet Hechler rückblickend als wichtige Erfahrung,
die ihn im Umgang mit Menschen und der Lösung spontan auftretender Probleme
geschult habe. „Damals war es übrigens üblich, dass die Gastkünstler ihre Gage
in bar ausgezahlt bekommen. Der wohl Berühmteste, dem ich mal einen solchen
Umschlag ausgehändigt habe, war José Carreras“, sagt er. Auch der junge
Ballettdirektor William Forsythe erhielt die Schlüssel zu seiner Frankfurter
Dienstwohnung vom heutigen RIA-Chef.
Elf Städtepartnerschaften
auf den Weg gebracht
Unter turbulenten Umständen wurde Hechler 1987 zum Amtsrat befördert und
wechselte ins Fremdenverkehrsamt, welches sich später in das Referat für
Internationale Angelegenheiten und die Tourismus+Congress GmbH (TCF) aufteilen
sollte. Im Winter 1987 brach ein geistig Verwirrter in die Oper ein und legte
auf der Bühne Feuer. Es dauerte Wochen, die Folgen des Großbrandes zu tilgen.
„So kam es, dass ich tagsüber half, einen Notbetrieb der Theaterverwaltung zu
organisieren, um nachmittags meinen Anzug rauszuholen und mich bei Stadtrat Udo
Müller vorzustellen“, sagt Hechler.
Im Januar 1988 trat Hechler seinen neuen Job an und wurde gleich mit einem für
ihn zukunftsweisenden Großprojekt betraut: Am 11. April des gleichen Jahres
sollte nach Lyon, Mailand, Birmingham, Deuil-la-Barre, Kairo und Tel Aviv
Frankfurts siebte Städtepartnerschaft mit dem chinesischen Guangzhou im Römer
geschlossen werden. „Damals waren wir im Amt zu dritt für Städtepartnerschaften
zuständig. Heute unterhalten wir mit neun Kolleginnen und Kollegen neben der
Betreuung von 106 Konsulaten unter anderem 17 Städtepartnerschaften, bei elf
davon war ich gewissermaßen Geburtshelfer“, sagt der 66-jährige
Verwaltungsveteran.
Schon als junger Beamter habe er manchmal von einer diplomatischen Karriere im
Auswärtigen Dienst geträumt. In gewisser Weise ist dieser Traum auch ohne
Diplomatenpass für den inoffiziellen Außenminister der Stadt Frankfurt in
Erfüllung gegangen. Denn nachdem das unter Udo Corts entstandene Europabüro
2004 mit der Abteilung Städtepartnerschaften zum RIA fusioniert wurde, war
Eduard Hechler bis 2007 zunächst als stellvertretender Abteilungsleiter und ist
bis heute als Chef für die Pflege der städtischen Außenbeziehungen zuständig.
Spontanes
Organisationsvermögen
Doch vor seinem Wechsel in das neu geschaffene Referat für Internationale
Angelegenheiten galt es ein weiteres unerwartetes Großereignis zu meistern: Den
Fall der Berliner Mauer am 10. November 1989 und die darauffolgenden Ströme
ostdeutscher Tagestouristen. „Schon am Sonntag nach dem Mauerfall kamen
tausende Menschen aus der DDR spontan nach Frankfurt, ohne einen Schlafplatz zu
haben. Wir waren im Verkehrsamt auch für die Zimmervermittlung zuständig, haben
umgehend in den Römerhallen zehn Counter aufgestellt, zehn Telefone
angeschlossen und über diese Bettenbörse private Schlafplätze vermittelt“,
erinnert sich Hechler. Auf diese Weise seien bis Weihnachten 1989 rund 6000
Übernachtungsgäste ganz ohne Internet und Computer in Frankfurt untergekommen.
Seine berufliche Vita samt Stationen im Personalamt, den Städtischen Bühnen,
dem Fremdenverkehrsamt sowie einem kurzen Abstecher in die Protokollabteilung
von 2002 bis 2004 habe ihn zum Generalist werden lassen, eine Eigenschaft, die
für die Ausübung seiner jetzigen Tätigkeit unerlässlich ist. „Unsere Aufgaben
reichen von Organisation, Protokoll und Logistik über den Umgang mit
Politikern, Kulturschaffenden und Wirtschaftsvertretern“, umreißt Hechler. Er
selbst bezeichnet seinen Job als „einen der einzigartigsten und
interessantesten“ in der gesamten Stadtverwaltung. Sich selbst sieht er in
erster Linie als Mittler der Kulturen und Mediator unterschiedlicher
Interessen, dabei stets im Dienst der Bürgerinnen und Bürger.
Diese zurückhaltend-bedachte Art mag eine angeborene Eigenschaft sein, sicher
wurde sie aber auch durch zahlreiche gemeisterte Ausnahmesituationen im Dienst
der Stadt perfektioniert. Diplomatisch wie er ist, verrät der RIA-Chef nicht,
welches seine persönliche Lieblingspartnerstadt ist. Doch ein Blick in seinen
mit Stempeln übersäten Pass verrät, dass Asien mit rund zwei Dutzend
Aufenthalten privat wie beruflich zu seinen bevorzugten Reisezielen gehört.
„Eduard Hechler hat nicht nur das Referat für Internationale Angelegenheiten
mitaufgebaut, sondern dem RIA nach innen wie außen auch ein unverwechselbares
Profil verliehen. Unter seiner Ägide ist das RIA zu einem unverzichtbaren
Instrument des internationalen Austauschs und Wegbereiter zahlreicher
Städtepartnerschaften geworden“, sagt Tarkan Akman, der als Leiter des
Hauptamtes und Stadtmarketing seit acht Jahren Hechlers Vorgesetzter ist.
Text: Mirco Overländer