Der „Erfinder“ der Stadtpolizei nimmt seinen Hut
Matthias Heinrich, langjähriger Leiter der Stadtpolizei, verabschiedet sich in den Ruhestand
Dass der Aufbau einer 200 Mitarbeiter starken Organisationseinheit sowie die stete Anpassung an Veränderungen des Lebensalltags einer urbanen Metropole wie Frankfurt Zeit und Energie kosten, ist daran ersichtlich, dass Heinrich bereits mit 64 Jahren aus dem aktiven Dienst ausscheidet. Im Laufe der Jahre haben sich auf dem Konto des Leitenden Magistratsdirektors so viele Überstunden angehäuft, dass er diese nicht mehr vor seiner Pensionierung abbauen kann.
Wer Heinrich in seinem Büro in der Kleyerstraße oder während einer akuten Lage wie während der Fußball-Europameisterschaft im vergangenen Sommer erlebt, wird keinen Unterschied feststellen. Der glühende Pink-Floyd-Fan ist kein Vorgesetzter „alter Schule“, der im Kasernenhofton Kommandos erteilt oder sich auf Erfolgen aus der Vergangenheit ausruht. „Ich bin groß geworden mit der Maßgabe, dass man Führung nicht militärisch, sondern kooperativ und teamfähig organisiert“, sagt Heinrich mit der ihn auszeichnenden festen und gleichsam ruhigen Stimme.
Stets den Menschen im Blick
Der gebürtige Niedersachse, der 1980 im mittleren Dienst der Polizei Hessen begann und dann den klassischen Aufstieg bis in den höheren Dienst durchlief, wäre nach eigenem Bekunden nie für einen reinen Schreibtisch-Job zu begeistern gewesen. „Im Außendienst mit den Menschen in Kontakt kommen, sich einbringen und selbstständig ermitteln“, das habe ihn bis zum Schluss an seinem Job begeistert, sagt Heinrich. Als Chef der Stadtpolizei war die Schreibtisch-Komponente zwangsläufig größer als die Zeit im Außendienst. Doch wie Heinrich erläutert, ist er noch immer am liebsten mit „seinen“ Stadtpolizisten draußen auf der Straße und kümmert sich dort um das Wohl der Frankfurterinnen und Frankfurter.
Doch weshalb ist Heinrich seinerzeit überhaupt von der Polizei in den städtischen Dienst gewechselt? „Ich hatte damals das Angebot, den Sicherheits- und Ordnungsdienst im Ordnungsamt zu übernehmen und habe diesen zum 1. Juli 2007, mit Unterstützung unseres heutigen Ministerpräsidenten Boris Rhein, zur Stadtpolizei umstrukturiert und umgewandelt“, entsinnt sich Heinrich an seinen Wechsel vom Landes- in den städtischen Dienst. Der Reiz, nach Ablauf der Abordnungszeit zu bleiben, war die Bandbreite dieser Leitungsfunktion, die wesentlich umfangreicher ist als in einem Polizeipräsidium. „Hier bin ich für Beschaffung, Logistik, Personal, Einsatzlagen, Führungsfragen, taktische und finanzielle Entscheidungen zuständig“, sagt der Fast-Pensionär. Hinzu komme der Austausch mit der politischen Ebene der Stadtverwaltung. „Durch die direkte Anbindung an die Politik und das Sicherheitsdezernat haben wir immer wieder auch recht kurzfristige Aufgaben zu erfüllen und Herausforderungen zu meistern“, erklärt Heinrich und verweist etwa auf die massive Belastung seiner Mitarbeitenden während der Corona-Pandemie.
Mit der aktuellen Sicherheitsdezernentin Annette Rinn arbeitet Heinrich sehr gut zusammen. Mit ihr sei der Austausch stets von großem gegenseitigen Respekt und fachlicher Kompetenz geprägt gewesen. Die Dezernentin sagt ihrerseits: „Ich lasse Herrn Heinrich nur ungern gehen, wünsche ihm aber von ganzem Herzen einen wohlverdienten und erlebnisreichen Ruhestand. Ich möchte mich zudem im Namen der Stadt für die stets gute Zusammenarbeit, angefangen bei der Gründung der Stadtpolizei und gekrönt von der professionellen und bürgernahen Begleitung der Fußball-Europameisterschaft im vergangenen Jahr, bei Herrn Heinrich bedanken“, sagt Rinn und unterstreicht die zahlreichen weiteren Verdienste des scheidenden Leiters der Stadtpolizei für Frankfurt und seine Bevölkerung.
Nicht ohne Stolz erzählt Heinrich, dass er als „Erfinder“ der Stadtpolizei gilt – einer Institution, deren innovativer Ausrichtung längst zahlreiche Kommunen in Hessen und bundesweit gefolgt sind. So formte der Leiter der Stadtpolizei nach und nach eine schlagkräftige städtische Polizei-Einheit, deren Aufgabenprofil den Bedürfnissen einer sich stetig verändernden Großstadt wie Frankfurt entspricht und entwickelte diese konsequent weiter.
„Zu Beginn meiner Tätigkeit waren Fremdwahrnehmung und Selbsteinschätzung der Kolleginnen und Kollegen eher negativ. Ich glaube, es ist mir gelungen, eine etablierte Polizei-Einheit aufzubauen, die sich im Sicherheitsnetzwerk der Stadt Frankfurt etabliert hat und kompetenter Partner in Fragen der Sicherheit und Ordnung für die Menschen in Frankfurt ist. Die Aufgaben haben sich im Lauf der Zeit erweitert und erstrecken sich vom Streifendienst im Stadtgebiet über Einsatzmaßnahmen im Bahnhofsviertel bis hin zur Sicherstellung manipulierter Geldspielgeräte“, sagt Frankfurts erster Stadtpolizist „Wir haben es geschafft, uns zu etablieren. Man nimmt uns entsprechend wahr“, bilanziert Heinrich, dessen Truppe inzwischen auf rund 200 Mitarbeiter angewachsen ist. Gleichwohl betont Heinrich, dass die stetig gewachsene Einwohnerzahl und das heutige Aufgabenprofil der Stadtpolizei mehr Personal erfordere.
Runter
von der hohen Schlagzahl
Besondere Meilensteine seiner Tätigkeit waren die Installierung von
Stadtpolizeiwachen in der Innenstadt und Höchst, die Beschaffung und der
Einsatz des Sicherheitsmobils in den Stadtteilen, der Kooperationsvertrag mit
dem Polizeipräsidium, die Einführung einer eigenen Stadtpolizeilichen Statistik
(analog der PKS), die Einführung des BOS-Digitalfunk für Stadtpolizei, für den
Heinrich über zehn Jahre gekämpft hat, sowie die reibungslose Durchführung der
Fußball-Europameisterschaft im vergangenen Sommer, die ohne Zuständigkeitsgerangel
der beteiligten Sicherheitsbehörden über die Bühne ging. „Das war für mich eine
glatte 1 – bis aufs Wetter und das Handspiel, das der DFB-Elf das Aus im
Viertelfinale bescherte.“
Seinen Job bei der Stadt quittiert der 64-Jährige nach eigenem Bekunden mit
einem lachenden und einem weinenden Auge. Es habe auch manche Hürden und
Hemmnisse gegeben, aber vor allem viele schöne Momente, insbesondere die vielen
kollegialen Freundschaften sowie die Situationen, in denen man wisse, dass man
den Menschen durch polizeiliche Präsenz, direkte Hilfe oder Klärung von
Sachverhalten das Gefühl der Sicherheit vermitteln könne, blieben im
Gedächtnis.
„Teilweise ist die Schlagzahl schon sehr hoch gewesen“, sagt Heinrich und
verweist auf Tage, an denen sein Tagesplan schlagartig, etwa wegen einer
Weltkriegsbomben-Räumung, über den Haufen geworfen wurde. Da gab es schon mal
18-Stunden-Tage…
Seinen Ruhestand wird der scheidende Leiter der Stadtpolizei nicht allzu ruhig
angehen. Endlich habe er nun genug Zeit für seine zweite Heimat Spanien, die
Familie und die Enkelkinder. „Ich habe viel vor und freue mich auf die
Zeit für Wandern, Klettern, Städtereisen, Skifahren und Motorradausflüge“,
verrät Heinrich. Natürlich wird nun auch öfters wieder „The Dark Side of the Moon“
von Pink Floyd aus den Boxen wummern.
Text: Mirco Overländer